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Workshop über den Roman „Satin Island“ von Tom McCarthy

Veranstaltungsplakat "Satin Island"

Veranstaltungsplakat "Satin Island"
Bildquelle: FSGS

Datum: 09.02.2018, 10:15 Uhr
Ort: FU Berlin, JK 33/121

(I) Als Anthropologe in einer Beratungsfirma ist der Protagonist U. mit dem Verfassen eines „Great Report“ über die Gegenwart betraut. Aber welche Textform erweist sich als elastisch genug für deren radikale Kontingenz? „A treatise. An essay. A report. A manifesto. A confession. A novel.“ – Bereits auf seinem Cover stellt Tom McCarthys Satin Island (2015) explizit die Frage nach dem formalen Vermögen des Romans, die wir im ersten Block diskutieren wollen. Inhaltlich setzt sich der Text über die Figur des Ich-Erzählers mit der Ethnologie und Anthropologie (u.a. Lévi-Strauss, Rabinow) auseinander. Diese Thematik ist dabei eng an die narratologische Frage nach dem Verhältnis von (serialisiertem) Motiv und Erzählung gebunden. Wie verhalten sich die Hingabe ans pattern, an die visuelle und (vor)strukturierte Wahrnehmung mediatisierter Phänomene sowie die damit einhergehenden Verfahren der Akkumulation und Serialisierung zur formalen Konzeption des Romans?

(II) Zweites wollen wir die These, dass der Roman eine poetologische Aneignung des Post-/Strukturalismus darstellt, genauer untersuchen. Welche Konsequenzen hat dies für die Interpretation und Rezeptionsästhetik? Wo wird die strukturalistische Perspektive als produktiv, „dem Wesen der Dinge gerecht werdend“ dargestellt, wo wird sie ad absurdum geführt und parodiert? Auffällig ist dabei hinsichtlich einer Diskussion über die Art der theoretischen Aneignung auch die vereinnahmende Geste des Erzählers gegenüber der Rezeptionsseite. Sie wird in das Spiel mit Symbolen sowie mit Theoriereflektion und -demontage eingebunden. Die Hauptfigur des Gegenwarts-Anthropologen wird nur mit der Abkürzung „U.“ benannt, womit eine Vergleichbarkeit oder gar Identifikation zwischen jener und dem Erzählendem forciert wird (im Sinne: „Ich“ bin „Du“). So wird auch ein implizites Kollektiv, ein „wir“ formuliert und die Rezipientin des Textes recht deutlich als Teil seines Referenzrahmens benannt. Insofern wird nahegelegt eine Parallele zu ziehen zwischen den Versuchen der Kohärenzbildung durch die Leserin auf der einen Seite und dem Sammeln und Anordnen von Zeichen Us im Zuge seines „Great Report“ auf der anderen.

(III) Immer scheint sich die von jeglichem historischen und politischen Kontext isolierte Beobachtung von Strukturen und das kontinuierliche Neuordnen von (Zeichen-)Bezügen in einer rein ästhetischen Beschäftigung zu verlaufen. Wird diese Beobachtungshaltung in Satin Island als ein vergebliches und willkürliches Formenspiel parodiert, dessen Scheitern darin gründet, kein anderes großes Narrativ als das der sich wandelnden Strukturen anzuerkennen und Struktur dabei als rein ästhetisches, entpolitisiertes Phänomen zu begreifen? Kontrastiert wird ein solches auf Ästhetik und Symbolisierung gerichtete Handeln im Text wiederum mit historischer Veränderung und politischem Handeln – bzw. mit der Feststellung ihrer Unmöglichkeit. Insofern der Text immer wieder zwischen einer Politisierung und einer Ästhetisierung seiner Motive oszilliert, stellt er auch die Frage nach ihrem Zusammenhang zu Fragen der Form. Welche politischen Lesarten bietet der Roman an und in welchem Verhältnis stehen diese zur narratologischen Metareflexion auf den erzählerischen Umgang mit Kontingenz?

Lesen Sie hier den Workshopbericht.

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