Wie wirken Video-Interviews?
Lisa Shekel – 2012
Der Unterrichtsvorschlag wurde mit Blick auf den Deutschunterricht konzipiert.1 Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Wirkungen von Lebenserzählungen ausgehen, wenn sie im Medium des Video-Interviews vermittelt werden. Der erste Teil ist vor allem der Frage nach der unmittelbaren Wirkung der Video-Interviews gewidmet – etwa schockierend, bedrückend, aufrüttelnd, oder teilweise auch amüsant oder langweilig. Dabei sichten die Schüler(innen) jeweils ein vollständiges Video-Interview am Stück. Sie können so die Wirkung der Lebenserzählung im Medium des Video-Interviews beurteilen und gleichzeitig thematisieren, inwiefern die Sichtung des Video-Interviews „am Stück“ dem Inhalt angemessen ist. Bei dieser ersten Phase stehen hinsichtlich der Wirkung der Video-Interviews die Rezipient(innen) selbst im Vordergrund, so etwa mit Blick auf ihre Rezeptionshaltung. Die Frage nach der Wirkung der Video-Interviews wird im zweiten Teil um die mediale Dimension erweitert. Hierbei wird zuerst geklärt, auf welchen Betrachtungsebenen sich überhaupt Wirkungen entfalten können – z. B. auf der Ebene der erzählten Geschichte, der sprachlichen Gestaltung, aber auch auf nonverbaler Ebene, etwa durch Mimik und Gestik, sowie durch die Statik der Kamera. Anschließend werden diejenigen medialen Eigenschaften von Video-Interviews im Vergleich zu schriftlichen Autobiografien herausgearbeitet, die ganz konkret Einfluss auf die Entscheidung der Shoah-Überlebenden nehmen können, sich für das eine oder das andere Medium – oder für keines von beiden – zu entscheiden. Welche Gründe die Überlebenden für ihre Interviewbereitschaft angeben, inwiefern dabei das Medium thematisiert wird, dies ist die Leitfrage einer anschließenden Archiv-Recherche. Mit dieser Frage wird in Vorbereitung auf den dritten Teil die Perspektive vom Medium hin zu den Überlebenden gelenkt. Ausgehend von Peter Weiss’ Text „Meine Ortschaft“, wird in der dritten Phase der Erinnerungsdiskurs in Bezug auf die Shoah in den Blick genommen. Woran soll erinnert werden, woran wird erinnert – an die Verbrechen, an die Opfer, an das Erinnern selbst? Diese Fragen verknüpfen zum Abschluss der Reihe Vergangenheit und Gegenwart. Eine kritische Diskussion über das Vorgehen innerhalb des Unterrichtsprojektes zeigt in diesem Rahmen unmittelbar, welche Bedeutung erinnerungsdiskursive Debatten für die Erinnerung an die Shoah und ihre Zeugen bzw. ihre Opfer haben – im Schulunterricht und darüber hinaus.