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Mircea Cărtărescu

Der rumänische Schriftsteller Mircea Cărtărescu (Jg. 1956), den der Spiegel als „Proust im Plattenbau“ bezeichnete, studierte Philologie, promovierte über „Der rumänische Postmodernismus“, arbeitete zunächst als Hauptschullehrer und später als Lektor für rumänische Sprache und Literatur an der Bukarester Universität.

Seit 1978 schreibt er auch selbst. Für den Gedichtband „Scheinwerfer, Schaufenster, Lichtbilder“ erhielt er 1980 den Preis des Rumänischen Schriftstellerverbandes. Seitdem veröffentlichte Cărtărescu „Liebesgedichte“, „Das Ganze“, „Levante“, „Die Liebe“, „Doppelte CD“ und „50 Sonette“. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des rumänischen Postmodernismus.

Seit 1999 ist er auch als Literaturkritiker tätig und trägt wesentlich zu der Debatte um die Erneuerungswege der rumänischen Literatur bei. Der 2007 auf Deutsch erschienene Roman „Die Wissenden“ ist der erste Teil einer Trilogie, die im Original den Titel „Orbitor“ trägt. Deren dritter Teil ist im Herbst 2007 in Rumänien herausgekommen. 2008 erschienen bei Suhrkamp seine Kurzerzählungen „Warum wir die Frauen lieben“, die Übersetzung des rumänischen Bestsellers von 2005. 2009 hat der Verlag erstmals frühe Prosastücke des Autors unter dem Titel „Nostalgia“ veröffentlicht, in dem Cărtărescu in das Bukarest der 60er und 70er Jahre zurückgeht, ein Text, der sich vom Realismus deutschsprachiger Literatur weit abhebt und der jeden Vergleich mit den Klasssikern der phantastischen Literatur standhalten kann.

Cărtărescu gab ein Seminar zu „Postmodernism and Beyond“, das ab 13. Oktober Dienstags von 18-20 Uhr im Seminarraum L115 stattfand.

Kommentar: Postmodernism as a way of thinking and a literary practice will be discussed from a philosophical, historical, ethical and esthetical point of view, following the ideas of Gianni Vattimo, Ihab Hassan, Matei Calinescu, Dowe Fokkema a.s.o. The course will have a strong practical side involving working on fragments from various texts by lots of writers, from Calvino to Pynchon, to Márquez, to Borges, to Butor, to Burroughs, to Pavic till much more recent authors.

Lebenslauf von Mircea Cărtărescu (doc).

 

Abschlussbericht

Der rumänische Schriftsteller Mircea Cartarescu war im Wintersemester 2009/10 als zweiundzwanzigster „Samuel Fischer Gastprofessor für Literatur“ am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissen­schaft (AVL) der Freien Universität Berlin. Die „Samuel Fischer Gastprofessur für Literatur“ wurde vom S. Fischer Verlag, dem Veranstaltungsforum der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, dem DAAD und der Freien Universität Berlin im Jahr 1998 gemeinsam ins Leben gerufen. Sie dient der kritischen Reflexion der Literaturen der Welt – und bringt internationale Autoren als Dozenten nach Berlin.

Mircea Cartarescus Seminar hatte einen sehr aktuellen Gegenstand. Es handelte von postmoderner Literatur und Theorie: „Postmodernism and Beyond“. In prägnanten Einführungen beschrieb Cartarescu seinen Studierenden (in englischer Sprache) den Problemhorizont, die Geschichte sowie diverse Konzeptionen postmoderner Diskurse. Und er diskutierte mit ihnen die Poetiken postmoderner Autoren. Auf dem Programm standen Ansätze von Gianni Vattimo, Ihab Hassan, Matei Calinescu und Dowe Fokkema sowie Arbeiten von Calvino, Pynchon, García Márquez, Borges, Butor, Burroughs, Pavic u.v.a. Dabei bezog der Schriftsteller und Gastdozent immer wieder ausgewählte Textbeispiele ein, die er in Projektionen vorführte, um sie gemeinsam mit den KursteilnehmerInnen genau zu analysieren.

Cartarescu, der ebenso Dichter und Romancier ist wie Literaturwissenschaftler und Essayist, promovierte mit einer Arbeit über den Rumänischen Postmodernismus (Bukarest 1999). Seine Berliner Studenten lernten ihn als Literaturhistoriker und Theoretiker, als Kulturwissenschaftler und Kritiker, als Autor und Sprachkünstler kennen.

Neben der Lehrveranstaltung an der Freien Universität Berlin fanden im Rahmen von Mircea Cartarescus Samuel Fischer Gastprofessur für Literatur folgende öffentliche Veranstaltungen statt:

  • Am 10. Dezember 2009 in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn in der Reihe „Weltliteratur Live“, eine Lesung mit Mircea Cartarescu und dem Schauspieler Thomas Franke: „Warum wir die Frauen lieben“. (Unter diesem Titel erschien in Deutschland Cartarescus bislang erfolgreichster Roman, der in Rumänien ein veritabler Beststeller-Erfolg wurde.)
  • Am 20. Januar 2010 in der daad galerie in Berlin, Nora Iuga und Mircea Cartarescu in Lesung und Gespräch (moderiert von Christian Döring): „Jedes Gedicht ist eine rätselhafte Statue auf einem leeren Platz“.

Darüber hinaus unternahm Mircea Cartarescu während seiner S. Fischer Gastprofessur diverse Vortragsreisen im In- und Ausland.

In der deutschen Presse veröffentlichte er Artikel zur Verleihung des Nobelpreises an Herta Müller, mit der er durch die gemeinsame rumänische Herkunft und Sprache seit langem vertraut ist.


Oliver Lubrich

Berlin, 23. März 2010