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Julia Pieper

Julia Pieper: Wissenschaftliche Bibliothekarin

Der Beruf als wissenschaftliche Bibliothekarin ist eine schöne Möglichkeit, wissenschaftliches Fachinteresse mit einer in der Regel stark praktisch–organisatorisch ausgerichteten Tätigkeit zu verbinden. Nach dem Lehramtsstudium (Französisch und Geschichte) an der FU war ich zunächst zwei Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Greifswald tätig, wo es zu meinen Aufgaben gehörte, eine kleine Institutsbibliothek aufzubauen und zu betreuen. Dies brachte mich auf die Idee, mich für eine Ausbildung als wissenschaftliche Bibliothekarin zu bewerben. Hierfür gibt es zur Zeit in Deutschland zwei Wege: den über ein Zusatzstudium "Bibliothekswissenschaften" (möglich an der HU Berlin und an der FH für Bibliothekswesen in Köln) und den über das Bibliotheksreferendariat. Beide Ausbildungen dauern zwei Jahre und sind von den Inhalten her recht ähnlich. Ich habe das Referendariat gemacht und würde dieses auch – bei allen Unzulänglichkeiten – schon allein deshalb empfehlen, weil man als "Beamtin auf Zeit" ein den Lehrern und Juristen entsprechendes Referendarsgehalt bekommt, von dem man leben kann. Wie kommt man nun an ein solches Referendariat, und wie läuft es ab? In den Amtsblättern der Länder, häufig aber auch einfach auf den Homepages der Bibliotheken finden sich die Ausschreibungen für Referendarsstellen; es lohnt sich auch, direkt bei den Bibliotheken nachzufragen. In der Regel wird im Frühjahr ausgeschrieben und zum Oktober eingestellt. Man bewirbt sich direkt bei der ausschreibenden Bibliothek bzw. in Bayern und Baden–Württemberg bei einer zentralen Stelle im Wissenschaftsministerium. Voraussetzung ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium, in Rheinland–Pfalz auch die Promotion; in manchen Fällen wird eine spezielle Fächerkombination gesucht. Gute Noten gehören gerade bei Geisteswissenschaftlern auf jeden Fall dazu, ebenso möglichst weitgehende IT–Erfahrungen (Anwenderkenntnisse reichen, sollten aber sicher sein; IT–Spezialisten stehen in diesem Job wie in den meisten anderen alle Türen offen). Mit etwas Glück wird man dann zum Gespräch eingeladen (bei mir gab es im Schnitt 100 Bewerber auf jede Stelle) und sollte sich dafür etwas "Bibliothekarisches Grundwissen", z. B. anhand des gleichnamigen Bandes von Rupert Hacker, aneignen. Ich hatte dieses Glück und wurde zum 1.10.1999 an der Saarländischen Universitäts– und Landesbibliothek in Saarbrücken als Referendarin eingestellt. Es folgte zunächst ein Jahr Praxisausbildung. Diese sieht von Bibliothek zu Bibliothek etwas anders aus, in der Regel wird man durch alle Arbeitsbereiche der Bibliothek geschickt (z. B. Lesesaal, Magazin, Ausleihe, Information, Fernleihe/Dokumentlieferung, Erwerbung, Katalogisierung, Zeitschriftenstelle, Fachreferate, Leitung/Verwaltung), um die Vorgänge von innen kennenzulernen und auch selbst zu erledigen; daneben sollte es ein über längere Zeit laufendes eigenes Projekt geben, in meinem Fall war das die Vorbereitung einer Ausstellung und einer Benutzerbefragung. Am Ende des Praxisjahres bekommt man eine Beurteilung, also ein Zeugnis, das zwar nicht für die Endnote im Examen, wohl aber für die Bewerbungen eine Rolle spielt. Das zweite Referendariatsjahr ist dann der Theorie gewidmet, je nach Bundesland wird man dafür an die Bibliotheksschulen in Frankfurt oder München abgeordnet. In meinem Falle war es Frankfurt, wo ich von Oktober 2000 bis Juli 2001 mit 12 KollegInnen in Fächern wie Handschriftenkunde, Alte Drucke, Klassifikation, Dokumentationswesen, Bibliotheksbau, Wissenschaftsorganisation, Management, Betriebswirtschaft, allg. Verwaltungslehre und Personalwesen, Bibliotheksrecht oder EDV unterrichtet wurde. Die Unterrichtsinhalte sind sehr breit gefächert und werden im Juni/Juli in fünf Klausuren, im September dann in einer mündlichen Prüfung abgefragt, hier muss man nochmal richtig lernen. Am Ende hält man sein bibliothekarisches Staatsexamen und damit die "Laufbahnbefähigung für den höheren Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken" in der Hand – Einstiegsgehalt BAT IIa bzw. A 13, wenn man eine Stelle findet. Dafür gibt es zwar keine Garantie; wenn man bundesweit flexibel ist, dürfte es aber keine allzu großen Schwierigkeiten geben, da nur so wenige ausgebildet werden.

Dem gängigen BibliothekarInnenimage "Graue Maus" und "Bücherwurm" möchte ich an dieser Stelle energisch widersprechen: Zeit, in die Bücher zu gucken, hat man kaum, sollte sich aber bewusst sein, dass es viel Organisationstalent, Kommunikationsfähigkeit, soziale und auch Führungskompetenz braucht, um diesen Job gut zu machen. Die wissenschaftlichen Bibliotheken befinden sich durch die Herausforderung der neuen Medien und der Informationstechnologie in einer extremen Umbruchsituation, und es braucht kluge und flexible Köpfe, damit sie ein einer sich schnell entwickelnden "Informationsgesellschaft" bestehen und adäquate Dienstleistungen bringen können.

Nachsatz: Die Bibliotheksschule in Frankfurt wird im Jahr 2003 schließen, es ist noch nicht klar, ob die theoretische Ausbildung des höheren Dienstes dann an der Fachhochschule in Darmstadt weitergeführt wird. Sollte dies nicht der Fall sein, werden wohl einige Bundesländer Abkommen z. B. mit dem Fachbereich Bibliothekswissenschaften an der HU Berlin schließen, um dort die theoretische Ausbildung der Referendare durchzuführen. Einige Länder werden auch gar keine Referendare mehr ausbilden, sondern sich ganz auf die Option "Zusatzstudium" verlassen. Dieses muss man dann selbst finanzieren und bekommt auch längst nicht so viel Praxis mit auf den Weg wie im Referendariat. Zur Zeit werden in der Fachwelt heiße Diskussionen über die Perspektiven der Ausbildung des höheren Dienstes geführt, da kann sich in den kommenden Jahren also einiges verändern.