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Die europäische Bibeltragödie der Frühen Neuzeit

Mit den Anfängen der Rezeption der aristotelischen Poetik im 16. Jahrhundert begannen zahlreiche europäische Dramatiker von Rang, über die Möglichkeiten der Synthese von Bibel und Tragödie nachzudenken. Jacob Pontanus etwa fasste in seiner Institutio Poetica 1594 präzise die Struktur der griechischen Tragödie zusammen und bezog die aristotelische Wirkungspoetik auf seine jesuitischen Anliegen. So publizierte er im Anhang der Institutio Poetica eine Immolatio Isaak. Schon davor waren erste Versuche erschienen, die Tragödie mittels biblischer Stoffe zu christianisieren. Deutlich wird das beispielsweise in Tragödien, die sich mit der Tötung der Tochter Jeftahs aus dem Buch Richter auseinandersetzen; Abrahams Bereitschaft, Isaak zu opfern, galt nicht nur Pontanus als tragisch. Besonders frühe Beispiele für die Dramatisierung dieser beiden biblischen Geschichten legten die Reformierten Théodore de Bèze (Abraham sacrifiant, 1550) und George Buchanan (Iephtes sive votum tragoedia, 1557) vor. Das vielleicht bekannteste englische Samson-Trauerspiel stammt aus der Feder von John Milton (Samson Agonistes, 1671). In den großen europäischen Literaturen finden sich fast überall Versuche, heidnisch-antike Dramenpoetik und biblische Erzählungen zu harmonisieren. Lediglich im deutschen lutherischen Sprachraum konnte sich diese Tendenz nicht durchsetzen.

Das Forschungsvorhaben zielt darauf, die Geschichte der europäischen Bibeltragödie sowie deren Rezeption in Gestalt von Übersetzungen im deutschen Sprachraum zu rekonstruieren und sodann zu überlegen, warum die deutsche Literatur selbst keine eigenen Bibeltragödien vorgelegt hat.

Erste Hinweise zu diesem Komplex in:
Kai Bremer: Bibel und Tragödie. Jeftah-Dramatik in der Frühen Neuzeit. In: Euphorion 103 (2009), S. 293-326.

Kai Bremer: "Wy schricken voor het endt des treurspels". Joost van den Vondels und Johns Miltons Samson-Dramen im Kontext der europäischen Bibeltragödie. In: Germanisch-romanische Monatsschrift 70 (2020), S. 133-149.