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Deutsch-Chinesisches Zentrum für Geisteswissenschaften | Arbeitsstelle für Chinesische Philosophie

Das deutschland- und chinaweite Alumni-Netzwerk für Geistes- und Sozialwissenschaftler ist ein Projekt, das vom Bundesbildungsministerium (BMBF) gefördert wird. Es organisiert gemeinsame Konferenzen, Tagungen, Kolloquien und Vorträge. Sein Ziel ist es, eine gemeinsame Plattform für die Zusammenarbeit mit geisteswissenschaftlichen Projekten, die einen Chinabezug haben, zu schaffen, um insbesondere die Kontaktpflege ausländischer Alumni mit deutschen China-Alumni zu verbessern und um die Chancen aus bestehenden Kooperationen und Kontakten mit China möglichst systematisch zu nutzen.

Grundlage für die fachliche und inhaltliche Zusammenarbeit ist der thematische Schwerpunkt „Das Gute Leben - 生活智慧“. Die Frage nach dem guten Leben ist eine Grundfrage der praktischen Philosophie, zu der neben der philosophischen Ethik auch die politische Philosophie und die Kunst gehören. In der gegenwärtigen ‚westlichen’ Diskussion beobachten wir eine Wiederkehr des Themas des guten Lebens. Diese Wiederkehr einer individualistischen Ethik zeigt, dass das gewachsene Bedürfnis nach Orientierung nicht mehr nur mittels einer universalistischen Moral und allgemeinen universalistischen (Menschen-) Rechten beantwortet werden kann, sondern wir auch und gerade in Fragen der individuellen Lebensführung und seiner normativen Verankerung verbindlichere Orientierung und Hilfestellung suchen. Das gute Leben ist relevant für die Frage nach der Motivation, aus welcher ‚Triebfeder’ man also ein bestimmtes System moralischer Normen befolgen sollte; sie ist relevant für das zivilgesellschaftliche Engagement; sie ist relevant für die Problematik, welche Konzeption der Moral hier und heute angemessen ist; und sie entscheidet auch darüber, wenn zwischen den Grundbedürfnissen Konflikte auftreten, etwa zwischen dem Sicherheits- und Freiheitsbedürfnis; sie ist aber vor allem auch relevant für alle Fragen individueller Lebensführung, die in der Moderne in Gesellschaften mit unterschiedlichen Weltanschauungen nicht mehr allgemeinverbindlich vorgeschrieben werden können. Dabei ist die Kunst der klugen Lebensführung keinesfalls nur auf die ethische Bewältigung von Lebensproblemen beschränkt, sondern umfasst auch alles, was dem Sinnbedürfnis nach Deutungszusammenhängen, seien sie literarischer, künstlerischer oder gesellschaftspolitischer Natur, entspringt. 

In der chinesischen Tradition hat die Frage nach dem guten Leben einen so zentralen Stellenwert, dass sie in alle Geisteswissenschaften ausstrahlt. Als Grundmotiv aller Ethiken prägt sie einen Handlungsbegriff, der weniger einem „Antwortgeschehen“ (Bernhard Waldenfels) entspringt, als vielmehr einem unablässigen, konkreten Wandlungsgeschehen von Mensch und Welt. So entsteht in der daoistischen Tradition das Prinzip der Verantwortung letztlich aus einer Ethik, die vor der Moral warnt und die existenzielle Entscheidung nicht von der Autonomie, sondern von den Lebensverhältnissen abhängig macht. Und auch in der Philosophie des Konfuzianismus mit ihrer Hinwendung auf den Menschen steht das praktische Leben im Zentrum. Wie in der Kunst ein jedes Werk sein eigenes Gesetz ausbildet, lässt sich auch das eigene Leben als ein Werk betrachten. Dies hat auch Konsequenzen für das Literatur- und Kunstverständnis. So haben in den literarischen Texten Chinas Geschichten nicht nur eine illustrierende Funktion, sondern bilden selbst Begriffe und Beweise aus. Dies bringt Probleme mit sich, die in einer interkulturellen Philosophie methodisch angemessen zu erörtern sind. Vor allem die German Studies Center Chinas sind in den komparatistischen Theorienbildungen fortgeschritten, also bei Fragen, ob ein „Mehr“ an Interkulturalität in lebenspraktischen Fragen, sei es in Form einer „offenen Hermeneutik“, eines emanzipatorischen Denkens, oder neuen Perspektiven in der allgemeinen Geschichtsschreibung, der philosophischen Theoriebildung und Argumentation mit dem Ziel einer gegenseitigen Aufklärung, weiterführend sind.

Legt man diese unterschiedlichen Problemstellungen im Rahmen einer Ethik des guten Lebens zugrunde, eröffnet sich eine Fülle von thematisch homogenen Forschungsfeldern für ein interdisziplinäres Alumni-Netzwerk mit chinesischen und deutschen Instituten der Geistes- und Sozialwissenschaften. Fragen nach den unterschiedlichen Individual- und Sozialethiken, nach Problemen eines psychologischen Hedonismus, nach Anerkennungstheorien, nach kollektiven Orientierungshorizonten, aber auch divergenten Lebensstandards können dabei ebenso thematisiert werden, wie allgemein-ethische bzw. kulturvergleichende Fragen nach Sinnbedürfnis, Selbstverwirklichung, Glückseligkeit, gesellschaftlicher Harmonie und Würde.

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