Nostalgia isn’t what it used to be
Ort: FU Berlin, Raum JK 33/121
Planung und Organisation: Mikolaj Golubiewski, Roman Kuhn, Dennis Schep und Johannes Kleine
Programm
Die Konferenz Nostalgia isn’t what it used to be wurde von den Doktoranden des fünften Jahrgangs der Schlegelschule Mikolaj Golubiewski, Roman Kuhn, Dennis Schep und Johannes Kleine 2013 konzipiert. Damals standen der zügigen konkreten Planung finanzielle Besonderheiten des Haushaltsjahres 2014 entgegen, das die große Jahrestagung der FSGS 2014 beinhaltete, die erhebliche Mittel beanspruchte. Deshalb konnte für das zweite Quartal 2015 mit gehöriger Vorlaufzeit eine anspruchsvolle und für ihr Budget außerordentlich intensive und internationale Konferenz organisiert werden.
Dass das Thema in der Luft liegt, zeigt alleine schon die Tatsache, dass in Europa, Nordafrika und Nordamerika für 2015 mehr als ein Dutzend internationale Tagungen auch über die Philologien hinaus sich mit dem Konzeptschlagwort der Nostalgie im weitesten Sinne auseinandersetzen. Die Konferenz der Schlegelschule beginnt diesen Reigen. So erklärt sich nicht zuletzt die große Resonanz auf den Call for Papers.
Das Tagungsprogramm mit seinen fünf Panels (moderiert von weiteren Mitgliedern der Schlegelschule), einer Keynote und insgesamt 22 Vorträgen ermöglichte es, trotz der Fülle von Beiträgen, eine konstruktive Arbeitsatmosphäre zu erzeugen und für inhaltliche Kohärenz und transdisziplinäre Anschlussfähigkeit zu sorgen.
Die Beiträge des ersten Panels versuchten, den Begriff Nostalgie theoretisch und historisch zu fassen und in seiner diachronen und diatopen Dimension aufzufächern: Von der römischen Antike über das arabische Mittelalter hin zur historiographischen Tradition und Theorie der 1970er Jahre - vom kritischen Potential der Nostalgie bis zu ihrer Bedeutung für die Philologie.
In zwei Panels, die sich mit literarischen Performances von Nostalgie beschäftigten, wurden zahlreiche Variationen eines poetic longing beleuchtet, von Goethes Faust II über Fontanes Effi Briest bis hin zu T.C. Boyle. Dabei waren nicht nur Figurationen von Nostalgie in den Texten selbst ein zentrales Thema, sondern auch nostalgische Konfigurationen in Bezug auf Körper und Natur sowie das kreative Potential von Nostalgie selbst als poetischer Motor.
Nachdem in einem der im engeren Sinne literaturwissenschaftlichen Panels bereits die nostalgische Dimension von Schriftsteller-performances beleuchtet worden war, beschäftigte sich ein weiteres Panel schließlich mit unterschiedlichen medialen Konfigurationen von Nostalgie. Nicht nur ist der Photographie ein grundsätzlich nostalgisches Moment schon lange nachgesagt worden, ähnliche Momente lassen sich auch in bestimmten kuratorischen Praktiken finden sowie in musikalischen Verfahren (beispielsweise dem sampling) oder Genres (Fado). In digitalen Formaten lässt sich darüber hinaus eine vielleicht grundsätzlich nostalgische (dennoch aber potentiell innovative) Aufnahme der Möglichkeiten und Formen älterer Medien erkennen.
Ein weiteres Panel widmete sich nostalgischen Momenten, die sich in Räumen der (Post-)Transformation ansiedeln lassen: Im Postsowjetischen Russland und in Südafrika nach dem Ende des Apartheid-Regimes. Ein Beitrag zu Joseph Roth und seiner Nostalgie nach dem Erzähler spannte den Bogen von der Nostalgie nach der untergehenden Habsburger Monarchie zurück zu Fragen, die in einem engeren Sinn Fragen der Philologie und der Literaturwissenschaft sind.
In seiner Keynote-Lecture beleuchtete Nicholas Dames eine ganze Reihe rezenter amerikanischer Romane, die sich auf eine besondere Weise nostalgisch den 70er Jahren widmen. Die naheliegende Vermutung, in diesen Texten sei eine Sehnsucht nach einer der letzten Phasen ungebrochener wirtschaftlicher Prosperität und Zukunftsorientiertheit am Werk, erweist sich jedoch bei genauerem Hinsehen als trügerisch. Was die Romane auszeichnet, ist vielmehr eine besondere Form von depressive nostalgia, die Potential weniger in Zukunftsversprechen sieht, sondern vielmehr in einem Moment des Niedergangs, der gerade deswegen als Objekt für Nostalgie dienen kann, weil in ihm ein Leben ohne Zukunftsversprechen möglich scheint – eine anti-utopische Utopie.
Die Keynote griff damit die Einleitung der Organisatoren auf, die Berlin als eine fundamental nostalgische Stadt beschrieben hatten (sie ist nicht zuletzt eines der zentralen Beispiele in Svetlana Boyms einflussreicher Studie), lässt sich doch überlegen, ob sich nicht auch das Berlin der 1990er Jahre als Objekt für diese Art einer an-hedonischen Nostalgie bestens eignet.