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Poeten-Lounge: Wer versteht die Literatur?

Ein Gespräch zwischen Literatur, Literaturkritik und Literaturwissenschaft

Podiumsdiskussion
Datum: 13. Juni 2009
Ort: FU Berlin, Philologische Bibliothek
Moderation: Sarah Fortmann-Hijazi
Konzeption: Prof. Dr. Stefan Keppler-Tasaki

„Die meisten Dichter verstehen von Literatur nicht mehr als Vögel von Ornithologie.“ (Marcel Reich-Ranicki) Dieses ebenso amüsante wie vereinfachende Urteil spiegelt kontroverse Auffassungen über Rollen und Zuständigkeiten im Feld der Literatur und der Beschäftigung mit ihr. Wer versteht die Literatur? – Wer sie schreibt? Wer sie liest? Wer sie wie liest? Aus diesen Fragen bezieht das Verhältnis zwischen literarischer Produktion, journalistischer Literaturkritik und universitärer Literaturwissenschaft eine Spannung, die sich gern polemisch entlädt und bei Einzelnen auch schon zu Mordphantasien geführt hat. Abbas Khider, Jörg Plath und Irmela von der Lühe vertreten in einer Podiumsdiskussion mit anschließender Publikumsbeteiligung die Standpunkt der drei Fraktionen.

Die Poeten-Lounge bringt die Produzenten von Literatur mit ihren Rezipienten zusammen – an einem maßgeblichen Ort der Rezeption: der Bibliothek.

Die diesjährige Poeten-Lounge setzt einen interkulturellen Akzent. Der im Irak geborene und verfolgte Autor Abbas Khider feierte in den letzten Monaten einen beachtlichen Durchbruchserfolg mit seinem Roman „Der falsche Inder“, der Geschichte eines Irak-Flüchtlings, der sich als Inder ausgibt. Khiders Roman handelt vom Lesen und Verstehen: Es geht um ein geheimnisvolles arabisches Manuskript im ICE Berlin-München, das niemandem zu gehören scheint. Es erzählt auf acht verschiedene Arten die Lebensgeschichte des Finders.

Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad/Irak geboren. Mit 16 Jahren begann er verbotene Literatur zu lesen, seine ersten Gedichte zu schreiben und selbstverfasste Flugblätter gegen die Diktatur Saddam Husseins zu verteilen. Mit 19 Jahren wurde er von der irakischen Geheimpolizei verhaftet und gefoltert. Als er eineinhalb Jahre später entlassen wurde, flüchtete er aus seiner Heimat. Nach mehrfachen Fluchtversuchen und Gefängnisaufenthalten in verschiedenen Ländern gelangte er 2000 nach Deutschland. Zunächst verdiente er sich sein Geld als Kellner, Arabischlehrer und Müllsortierer. Nachdem er als politischer Flüchtling in Deutschland anerkannt wurde und die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt, studierte er Literatur und Philosophie in München. Heute lebt und arbeitet er in Berlin. Abbas Khider veröffentlichte zunächst arabischsprachige Lyrik und 2008 seinen Debütroman Der falsche Inder in deutscher Sprache.

Jörg Plath wurde 1960 geboren. Nach einer Ausbildung zum Buchhändler studierte er Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Geschichte und Politik in Freiburg, Wien und Berlin. 1993 promovierte er an der FU über Franz Hessel und arbeitet heute als Journalist und Literaturkritiker für überregionale Medien wie z.B. die Neue Zürcher Zeitung, die Frankfurter Rundschau und Deutschlandradio Kultur.

Irmela von der Lühe studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Tübingen, Münster und Berlin. Nach dem Ersten Staatsexamen arbeitete sie als Wissenschaftliche Assistentin am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin; nach ihrer Promotion mit einer Dissertation über "Natur und Nachahmung in der ästhetischen Theorie zwischen Aufklärung und Sturm und Drang" 1977 war sie 18 Jahre lang Studiendirektorin der Fichtenberg-Oberschule Berlin-Steglitz. 1993 habilitierte sie sich mit ihrer Biographie über Erika Mann; von 1995 bis 1997 war sie Universitätsprofessorin an der Freien Universität Berlin, von 1997 bis 2004 am Seminar für Deutsche Philologie der Georg-August-Universität Göttingen, und seit 2004 ist sie Universitätsprofessorin am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen die Literatur des 20. Jahrhunderts, insbesondere: Exil- und Migrationsliteratur; Holocaust und Literatur; Brief - Biographie - Autobiographie; Thomas Mann und die Familie Mann; Autorinnen in der Literaturgeschichte sowie deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte.

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