Film- und Vortragsreihe im Rahmen der Vorlesung Historiografien von Film und Kino. Magical History Tour „Under Construction“ sowie in Kooperation mit Arsenal on Location.
Das Arsenal und das Seminar für Filmwissenschaft der Freien Universität Berlin verbindet eine langjährige Zusammenarbeit, nicht zuletzt im Bereich filmwissenschaftlicher Lehre: Generationen von Studienanfänger*innen haben im Verlauf ihres Studiums der Filmgeschichte die Magical History Tour besucht. Im Rahmen von Arsenal on Location wird das Arsenal diesen Besuch nun erwidern und ist im Mai und Juni zu Gast im Hörsaal der FU. Das Filmprogramm „Under Construction“ greift nicht nur den Umzug und Umbau des Arsenals auf, sondern auch Siegfried Kracauers Vorstellung von Geschichte als einem noch längst nicht anerkannten Zwischenbereich und denkt sie in Rückbezug auf Architekturen, Institutionen und Relokationen filmisch weiter. In den Filmen des Programms verbinden sich Mikro- und Makrogeschichten: der Einzug ins neue Haus steht an, eine international bekannte Kulturinstitution erfindet sich neu, die Trümmer eines Filmstudios dienen als Ausgangspunkt für die Suche nach verlorener Filmgeschichte, eine Planstadt in der Wüste scheint eine ewige Baustelle zu bleiben und auch das Berlin der Nachkriegs-/DDR-/Nachwendezeit befindet sich ständig im (Um-)Bau.
In Montag kommen die Fenster (Ulrich Köhler, D 2006 | 13.5., Einführung: Dennis Göttel) ist das titelgebende Motto „Under Construction“ auf doppelte Weise greifbar: Das neue Haus der modernen Kleinfamilie um Medizinerin Nina, Hausmann Frieder und Tochter Charlotte befindet sich im Umbau und die Fahrt zum Baumarkt, Fließenlegen, Tapentenabreißen etc. strukturieren den Alltag. Dem materiell sichtbaren Umbau des neuen Hauses stellt der Film die Lebenskrise von Nina an die Seite, die erschöpft und genervt nach kurzer Zeit ohne Erklärung ihre Familie zurücklässt. Das Wochenendhaus der Eltern, die nahe gelegene Waldlandschaft oder ein riesiges Sporthotel (mit Gastauftritt des Tennisstars Ilie Năstase, der in den 1970er Jahren mehrmals die Weltrangliste anführte) sind Stationen des Übergangs, bis Nina nach und nach zu ihrer Familie zurückkehrt und die verzögerte Fensterlieferung erfolgt.
Mit Das große Museum (Johannes Holzhausen, Österreich 2014 | 20.5., Einführung: Jan Lazardzig) widmet sich ein Beitrag der Filmreihe den Abläufen hinter den Kulissen einer Kulturinstitution: dem Kunsthistorischen Museum in Wien. Der Film begleitet die Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten vor der Wiedereröffnung des Museums, zeigt Budget- und Marketingmeetings ebenso wie Reinigungskräfte und Kunsthistoriker*innen. Auf der Folie der Bauarbeiten stehen die herrschaftlichen Räume und die Museumsobjekte niemals allein für sich, sondern sie sind Teil von Handlungen oder eingebunden in Situationen.
Die leere Mitte (Hito Steyerl, D 1998 | 27.5., Einführung: Ariane Jeßulat) kehrt an den Potsdamer Platz zurück, bevor das Arsenal nach seinem ersten Umzug dort angesiedelt war. In dieser frühen Arbeit verknüpft die Medienkünstlerin und -theoretikerin Hito Steyerl die Neuschaffung dieses brachliegenden Ortes nach dem Mauerfall in den 1990er Jahren mit Spuren der deutschen (Kolonial- und Musik-)Geschichte, wie sie sich ebenfalls dort finden lassen und eröffnet Thematiken, die noch heute von Relevanz sind. Auch Die Aussicht (Kurt Krigar, BRD 1966 | 27.5.) zeigt deutsche Geschichte in Berlin, hier den Bau der Mauer aus der Perspektive einer westdeutschen Mieterin, die aus ihrem Fenster Grenzsoldaten ebenso wie Mauertouristen im Blick hat.
Das Studio Balbeeck war eines der größten und wichtigsten Filmproduktionsstudios in der Geschichte der arabischen Welt, doch seit dem libanesischen Bürgerkrieg sind nur noch Trümmer des Studios außerhalb von Beirut übrig. In The Ruins Of Baalbeck Studios (Siska, Libanon/D 2017 | 3.6., Einführung: Alena Strohmaier) befasst sich mit dessen Blütezeit in den 1960er und -70er Jahren, in denen es Filmemacher*innen von Syrien bis Ägypten anzog. Der Film verbindet Fragen von Archiv und Archäologie, indem er dem Verlust und der Zerstörung des Filmerbes und der Verbindung von Filmgeschichte, Orten und kulturellem Gedächtnis nachspürt.
Victoria (Sofie Benoot / Liesbeth De Ceulaer / Isabelle Tollenaere, Belgien 2020 | 10.6., Einführung: Felix Hasebrink) begleitet die Bewohner*innen einer amerikanischen Planstadt namens California City. Hier treffen das Versprechen eines Neuanfangs auf die enttäuschende Realität. Statt einer Metropole wie Los Angeles entstand eine dünn besiedelte, geradezu geisterhafte Stadt, in der der Wüstensand über die leeren Straßen weht und Google-Maps-Ansicht die wenigen Grundstücke mit Pools zwischen den unbewohnten Flächen zeigt. In Georgien hingegen kommen die Pläne für die Entstehung einer luxuriösen Smart City am Schwarzen Meer kaum voran, wie Scenes From Trial and Error (Tekla Aslanishvili, D/Georgien 2020 | 10.6.) zeigt.
Die DEFA-Produktion UNSER KURZES LEBEN (Lothar Warneke, DDR 1981 | 17.6., Einführung: Cornelia Ortlieb) setzt die Großbaustelle des industriellen Wohnungsbaus der DDR bildmächtig und teilweise dokumentarisch anhand von Rohbauten, Baugerüsten oder riesigen Kränen in Szene. Erzählt aus der Perspektive der jungen Architektin Franziska Linkerhand (der Protagonistin aus Brigitte Reimanns gleichnamiger Romanvorlage), die ihre Stellung im Team eines renommierten Dresdner Architekten aufgibt und in der Provinz als Architektin neu anfängt, verbindet der Film persönliche- und Zeitgeschichte mit Baugeschichte. Dort will sie ihre hohen Ansprüche an sozial orientierten Städtebau verwirklichen, gerät darüber allerdings mit dem Stadtarchitekten Schafheutlin aneinander. (aj/sn)
Die Länge der Einführungsvorträge beträgt ca. 25 Minuten. Moderation: Angela Jouini (FU Berlin).
Eintritt frei. Um Anmeldung wird gebeten: theater@zedat.fu-berlin.de.
Beginn: 16:15 Uhr / Einlass: 16:00 Uhr
Ort: Hörsaal des Instituts für Theaterwissenschaft, Grunewaldstr. 35, 12165 Berlin
Organisation: Angela Jouini & Sabine Nessel, in Kooperation mit Arsenal on Location
Weitere Informationen: https://www.arsenal-berlin.de/kino/filmreihe/under-construction-architekturen-institutionen-relokationen/