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Interuniversitäres Kolloquium der Neogräzisten (13.9.-20.9.2009)

News vom 13.09.2009

FU-Berlin / LMU München / Universität Hamburg

Abstracts

  • Boryana Pouvkova (M.A. Byzantinische und Neugriechische Philologie, Hamburg)
    Die Rezeption zeitgenössischer griechischer Texte im Osmanischen Reich: die Synathroisis“ des Damaskenos Studites in Handschriften des 16. und 17. Jh.s

 

  • Marco Hillemann (M.A. Germanistik, Leipzig)
    Werner von Haxthausens Sammlung neugriechischer Volkslieder im Kontext romantischer Diskussionen

Die 1814/15 in Wien durch Werner von Haxthausen (1780-1843) begonnene Sammlung neugriechischer Volkslieder veranlasst in den literarischen Kreisen Deutschlands eine erste intensive Auseinandersetzung mit der griechischen Volkspoesie. Ziel des Vortrages ist es, die Entstehung und Rezeption der Sammlung im Lichte der zeitgleich verlaufenden Volkslieddiskussion darzustellen und zu erläutern. Es wird sich hierbei herausstellen, dass der Zuschreibung von Volksliedhaftigkeit eine primär wertende Funktion zukommt. Ob etwa Haxthausens Lieder als „das köstlichste, in dem Sinne der lyrisch, dramatisch, Epischen Poesie was wir kennen (und doch also Volckslieder)“ (Johann Wolfgang Goethe) oder als patriotische „Stimme des Volkes“ (Wilhelm Müller) verstanden werden, scheint vorwiegend davon abzuhängen, welche ästhetischen, kulturhistorischen, philologischen und anderen ‚Wahrheiten’ über sie verbreitet werden sollen. Anhand von Textbeispielen wird sich zeigen, dass auch die Übersetzung der Lieder nicht unabhängig von den umlaufenden Volksliedtheorien geschieht. Dabei beruhen die Übersetzungsprobleme Haxthausens offenbar nicht allein auf dessen unzureichenden Sprachkenntnissen. Vielmehr scheinen sie auf den Versuch zurückzugehen, seine Sammlung unter Verwendung widersprüchlicher Volksliedkonzepte als möglichst ‚authentische’ Volkspoesie zu übertragen.

 

  • Michail Leivadiotis (Promotionsstudium Neogräzistik, Berlin)
    Solomos, Lountzis und der deutsche Idealismus

 

  • Nafsika Mylona (Promotionsstudium Komparatistik/Neogräzistik, München)
    Akropolis als Projektionsfläche des ästhetischen Diskurses

Wenn man die Beschreibungen der Akropolis von den deutschen Reisenden des 19. und 20. Jahrhunderts liest, stößt man nicht auf eine einheitlich beschriebene Akropolis, sondern auf einen Ort, der über mehrere Gesichter zu verfügen scheint. Die verschiedenen Gesichter, d. i. die aus jeweils historisch bedingten ästhetischen Diskursen sich ergebenden Semantisierungen, sind Projektionen des kulturellen Gedächtnisses; sie sind nämlich Produkte eines Erinnerungsprozesses. So aktualisieren Reisende wie Hermann Hettner oder Rudolf Binding in ihren Beschreibungen der Akropolis die Werte des ästhetischen Programms Winckelmanns, das auch der Grundstein der neoklassizistischen Ästhetik sein sollte. Werte wie Harmonie, Maß, Stille, apollinisches Licht, Grazie, Verbindung von Kunst und Sitte u. a. werden im kulturellen Gedächtnis der Deutschen gespeichert und bei der Wahrnehmung auf der Akropolis wieder in Erinnerung gerufen.
Anders erhebt sich die Akropolis durch den Filter einer romantischen Optik, die vor allem bei Reisenden der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu erkennen ist. Der exotische Diskurs ist der wesentliche Bestandteil des romantischen Denkens und Kunstprogramms. Die Malerei der Romantik findet im Orient Themen, Motive und Farben, die für die Phantasie erfrischend wirken und zur «Poetisierung der Welt»1 beitragen. Von der Malerei der Romantik beeinflusst, werden die Ruinen auch in den Beschreibungen der Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts mit warmen Farbtönen beleuchtet. Die Beschreibungen des Gedenkortes und allem voran des Marmortempels erinnern an Gemälde der Romantik, wo die imaginative Kraft der Farbe den weißen Marmor atmosphärisch auflädt. Durch diese «malerische Beleuchtung» des Parthenon geschieht «ein Ausgleich zwischen Hellas und dem Orient»2 sowie eine Projektion und Anwendung der ästhetischen Reize der Romantik auf die klassischen Ruinen.
Durch die Brillen einer modernistischen Ästhetik wird bei Hugo von Hofmannsthal das Archaische der Akropolis favorisiert, und Julius Meier-Graefe erkennt eine «L’art pour-l’art-Gesinnung»3 sowie eine Unordnung und einen Verfremdungseffekt auf dem Plateau der Akropolis. Die Harmonie, der Maß und die Verbindung der Kunst mit der Ethik werden in diesen Texten der Moderne kritisch abgeschafft.
So erhebt sich Akropolis als eine Leinwand, auf die der jeweils aktuelle ästhetische Diskurs projiziert wird. Demnach kann man auf dieser Fläche die diachronische Entwicklung des ästhetischen Denkens lesen. Andererseits aber soll man Akropolis auch als einen Projektor betrachten, der eine klassizistische Ästhetik projiziert und dadurch neuere Kunstprogramme zu ihrer eigenen Aufhebung einlädt. So wird der Gedenkort zum Kampfplatz rivalisierender Kunstprogrammen.

1 Novalis: Heinrich von Ofterdingen, hrg. V. Wolfgang Frühwald, Stuttgart 1987, S. 205.
2 Sternberger, Dolf: „Die Ruinen von Athen. Deutsche Reisende des neunzehnten Jahrhunderts in Griechenland“, in: ders.: Über den Jugendstil und andere Essays, Hamburg 1956, S. 102.
3 Meier-Graefe, Julius: Pyramide und Tempel. Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul, Berlin 1927, 309.

 

  • Michalis Georgiou (Promotionsstudium Theaterwissenschaft, Berlin)
    Die Rezeption Theaterstücken des deutschsprachigen Raums in Griechenland des frühen 20. Jh. Die “Orestie” von Thomas Oikonomou.

Die “Orestie” von Aischylos, übersetzt von Georgios Sotiriades und in Regie von Thomas Oikonomou, wurde im Königlichem Theater im November 1903 aufgeführt und zählt zu den legendären Aufführungen  in der Geschichte des Neugriechischen Theaters des vorigen Jahrhunderts, aufgrund der sogenannten „Orestiaka“, den Ereignissen, die diese Aufführung ausgelöst hat. Mit diesem Referat  werden anhand der vorhandenen Beweisdokumente, der Nachbau der Aufführung der “Orestie” von Thomas Oikonomou und die Vergleichsanalyse mit der im Wiener Burgtheater im Jahr 1900 stattgefundenen Aufführung von Schlenther  bemüht. Dabei wird auf manchen bis jetzt offen gebliebenen Fragen bzgl. der Abhängigkeit der Aufführung der “Orestie” von Thomas Oikonomou von der “Orestie” Aufführung von Schlenther eingegangen. Die Rezeption Elementen der Aufführung von Schlenther bei der Aufführung von Thomas Oikonomou wirft  in Griechenland  die Frage der Theatralität, als Theaterkonzeption eines Regisseurs, bzw. dessen Wahrnehmung und Darstellung der Realität, mit der altgriechischen Tragödie auf,  wobei die griechische Aufführung ein Wiederbelebungsversuch  der altgriechischen Tragödie darstellt,  der sich diametral unterschiedlich von den vorherigen einheimischen Versuchen  stellt. Gleichzeitig wird mit dieser Aufführung die Einführung der europäischen Entwicklungen im Bereich der Regie durch den deutschsprachigen Raum verzeichnet, was “Orestie” zur ersten realistisch-ästhetischen Auseinandersetzung eines griechischen Regisseurs mit der griechischen Tragödie in Griechenland macht. Schließlich fängt bei dieser Aufführung die Rolle des Regisseurs als Element künstlerischer Modernisierung und europäischer Orientierung des griechischen Theaters langsam an, zum Vorschein zu kommen. Auf dieser Weise kommt  das griechische Theater durch die Rezeption der “Orestie” von Schlenther in Kontakt mit den europäischen künstlerischen Bewegungen, die eine Erneuerung der szenischen Deutungsmöglichkeiten einer Aufführung durchsetzen, sowie mit der europäischen Regiepraxis jener Zeit, die eine andere Art der Organisation und Vorbereitung einer Aufführung verlangen.

 

  • Bart Soethaert (Promotionsstudium Neogräzistik, Berlin)
    Die Rezeption Spenglers im Werk von Pantelis Prevelakis

 

  • Despoina Skourti (Promotionsstudium Neogräzistik, München)
    Die Thematisierung der Militärdiktatur (1967-74) in der neugriechischen Prosa

 

  • Benedikt Wolf (M.A., Neogräzistik, München)
    Antiziganismus und Nation: Beobachtungen zu ZigeunerInnen-Bildern bei Kalfoglou und Palamas

Anliegen ist es, den Zusammenhang zwischen Antiziganismus und Konstruktion der griechischen Nation anhand von ZigeunerInnen-Bildern in der neugriechischen Literatur zu untersuchen. Nation wird dabei verstanden als Fetisch im Sinne des Marxschen Kapitals und mit Benedict Anderson als ‚immagined community‘, Antiziganismus als sich aus dem Fetischcharakter der Nation ergebendes Antisemitismus-Rassismus-Hybrid und als Ideologie mit spezifisch historischer Verortung. Zwei Texte werden exemplarisch auf ihre ZigeunerInnen-Referenzen untersucht: Alexandros Kalfoglous „Ηθική στιχουργία“ (1797) und Kostis Palamas’ „Δωδεκάλογος τού Γύφτου“ (1907). Dabei wird ZigeunerInnen in beiden Fällen eine Funktion spezifischer gesellschaftlicher Vermittlung zugeschrieben: bei Kalfoglou die Vermittlung der Aufklärung, Europäisierung und Karnevalisierung in der Walachei, bei Palamas die Vermittlung zwischen antik-paganer und byzantinisch-christlicher Tradition der GriechInnen und das Aussprechen der ‚Wahrheit‘ der griechischen Nation.

 

  • Katharina Winter (M.A., Dramaturgie, München)
    Bertolt Brechts Theorie vom Epischen Theater und ihre Umsetzung in den Filmen von Theo Angelopoulos

Der deutsche Dramatiker und Lyriker Bertolt Brecht revolutionierte mit seinen Theaterstücken und seiner Theorie des Epischen Theaters das deutsche Theater des 20.Jahrhunderts und ebnete den Weg für das postdramatische Theater der Moderne.
Im Gegensatz zu seiner Theatertheorie liegt für das Medium Film keine ästhetische Gesamtkonzeption Brechts vor, aber Erkenntnisse zur Frage der Umsetzung seiner künstlerischen Positionen im Film bietet das im Kollektiv entstandene Werk „Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt?“ aus dem Jahre 1932.
Zielsetzung des Vortrags ist es zum einen, die Methoden herauszuarbeiten, die Brecht einsetzt, um eine epische Wirkung auch im Film zu erzeugen, allerdings unter Berücksichtigung der Differenzen zwischen den Medien Theater und Film. Zum anderen stellt sich die Frage, inwieweit die von Bertolt Brecht entwickelten und in seinem obengenannten Film verwendeten Techniken andere internationale Regisseure in ihren Werken beeinflusst haben.
Als Beispiel für das griechische Kino des 20. Jahrhunderts wird die Arbeit des Regisseurs Theo Angelopoulos untersucht. Sein Film „Ο θίασος“ (Die Wanderschauspieler) aus dem Jahre 1975 wird exemplarisch im Hinblick auf epische Elemente und ihre Wirkung auf den Zuschauer analysiert.

 

  • Olga Bezantakou (Promotionsstudium Neogräzistik, Berlin)
    Literatur und Musik in den Romanen von Stelios Xefloudas

 

  • Maria Peskelidou (M.A. Byzantinische und Neugriechische Philologie, Hamburg)
    Die Kompositionskriterien der Sammlung „Κύπρον ού μ΄ εθέσπισεν“ von Giorgos Seferis

 

  • Verena Zelger (M.A. Ethnologie, München)
    Liminalität und Hybridität bei Jugendlichen am Beispiel einer interkulturellen HipHop Gruppe in Innsbruck

 

  • Lilia Diamantopoulou-Hirner (Promotionsstudium Neogräzistik, München)
    Das Figurengedicht im 18. und 19. Jahrhundert. Zwei gedruckte Beispiele von Lambros Fotiadis

Lambros Fotiadis (1752-1805) ist vor allem im Zusammenhang mit der Sprachenfrage  und der damit verbundenen Debatte mit Katartzis als Vertreter der konservativen archaisierenden Seite, sowie in seiner Funktion als Lehrer späterer Freiheitskämpfer von 1821 bekannt.
Weniger bekannt ist allerdings seine komplett unedierte Dichtung und speziell eine Reihe visueller Gedichte die von besonderer Bedeutung für die Geschichte dieser Gattung im griechischsprachigen Raum sind.
Der Vortrag war auf zwei Figurengedichte fokussiert, die etwa 50 Jahre nach dem Tod von Fotiadis von Konstantinos Asopios herausgegeben wurden. Es wurde vor allem auf den Kontext der Edition, die Verifizierung der Gattungszugehörigkeit, die Datierungsproblematik der Gedichte, sowie auf die Frage nach ihrer Funktion eingegangen.
Die Untersuchung weiterer in handschriftlicher Form erhaltener visueller Gedichte von Fotiadis, die ebenso wie die im Vortrag vorgestellten an dem Muster der antiken Technopägnien ausgerichtet sind, wurde als Ausblick in Aussicht gestellt.

 

  • Stefano Saracino (Promotionsstudium Politikwissenschaft, München)
    Macht, Philosophie und Textualität bei Leo Strauss

Eine bedeutende Facette im konservativen und modernitätskritischen Denken von Leo Strauss (1899-1973) betrifft seine Beschäftigung mit dem Wesen philosophischer Texte und philosophischen Schreibens. Dem – laut Strauss auch in Demokratien bestehenden – Konformitätsdruck vonseiten politischer und religiöser Autoritäten aber auch der gesellschaftlichen Meinungshegemonie, verstärkt durch den Argwohn des Nichtphilosophen gegenüber dem antidogmatischen und heterodoxen Wissen des Philosophen, begegnet dieser mit einer filigranen Schreibkunst. Strauss fasst das Wesen von Texten als einer doppelten Kodierung bzw. esoterisch-exoterischen Funktionsweise unterliegend auf, was von ihm anhand des Kanons philosophischer Klassiker von der Antike bis zur Gegenwart untersucht wurde. Seine äußerst unkonventionelle und einfallsreiche, aber aufgrund ihrer mangelnden wissenschaftlichen Falsifizierbarkeit auch anfechtbare Leseweise der Klassiker wurde mit einem literaturwissenschaftlichen Fokus entwickelt und zur Debatte gestellt. Dass Strauss pauschal eine in philosophischen Texten praktizierte Ökonomie der Wahrheitsmittelung des Autors behauptet, dass stets von einem tieferen und nur mithilfe texthermeneutischer Indizienforschung ergründbaren esoterischen Textnukleus auszugehen sei, diese und andere Annahmen machen ihn einer methodischen Willkür verdächtig und weisen auf seinen simplifizierenden Textbegriff hin.

 

  • Angela Gioti (abgeschlossenes Promotionsstudium Komparatistik, Thessaloniki)
    Über das Erhabene in der neugriechischen Literatur

 

  • Philippos Pappas (Promotionsstudium Neogräzistik, Kreta)
    Die literarische Übersetzung in Griechenland des späten 19. Jh.s

 

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