Springe direkt zu Inhalt

Teilprojekt B01

Ästhetik des Performativen

Projektleitung: Prof. Dr. Dr. h.c. Erika Fischer-Lichte

Laufzeit: 01/1999-12/2010

Ziel des Projekts war es, auf der Basis eines in den ersten Jahren reformulierten Aufführungsbegriffs eine Ästhetik des Performativen zu entwickeln, die einerseits das komplexe Zusammenspiel von Planung und Emergenz in Aufführungen als spezifische Exponenten ästhetischer Prozesse genauer zu beschreiben und zu explizieren imstande ist und andererseits der spezifischen Temporalität von Aufführungen Rechnung trägt. In der letzten Förderphase wurde unter Berücksichtigung und Zusammenführung beider Aspekte Theater als ein Modell für die Entstehung von Zukünftigem untersucht. Zukunft wurde dabei nicht im Sinne prognostischer Aussagen, sondern im sinne spezi- fischer Potentialitäten verstanden, die jeder Aufführung inhärent sind.

In den beiden ersten Förderphasen wurde ein neuer Aufführungsbegriff erarbeitet, in dem die Relation zwischen Wahrnehmendem und Wahrgenommenem sowie zwischen Materialität und Referentialität genauer untersucht wurde. Auf dieser Basis wurden Modelle einer Ästhetik des Performativen entwickelt, für die das je besondere Wechselverhältnis von intendiertem Zur-Erscheinung-Bringen und zufälligem In-Erscheinung-Treten grundlegend ist. Entsprechend stand in der dritten Phase das Verhältnis von Planung und Emergenz im Mittelpunkt des Interesses.

In der letzen Phase der zwölfjährigen Projektarbeit richtete sich das Augenmerk auf die Frage, wie aus dem Zusammenspiel von Inszenierung und Aufführung, Intention und Kontingenz, Planung und Emergenz Neues entsteht. Der heuristischen Annahme folgend, dass das Theater eine Art Laboratorium sei, an dem man die Zukunftsforschung, die sich der Sonderforschungsbereich 447 „Kulturen des Performativen“ in seiner letzten Förderphase vorgenommen hatte, betreiben kann, hat das Teilprojekt am Beispiel von Theateraufführungen der Vergangenheit und Gegenwart gezeigt, dass die partikulare Realisierung performativer Prozesse immer eine – wenn auch oft nur sehr subtile und ephemere – Verschiebung von Normen, Konventionen und Sozialgefügen mit sich bringt, ganz gleich ob die Inszenierung dies zu verhindern oder herauszufordern sucht. Um die Ästhetik des Performativen weiterzuentwickeln, galt es deshalb zu klären, ob und wie die Aufführung auf Zukünftiges verweist, es antizipiert, ja herbeiführt.

  

Projektrelevante Publikationen der letzten Förderphase:

Adam Czirak: Partizipation der Blicke. Szenerien des Sehens und Gesehenwerdens, Bielefeld: transcript 2012.

Erika Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen, Frankfurt/M.: Suhrkamp 2004.

Erika Fischer-Lichte: The Transformative Power of Performance: A New Aesthetics, London/New York: Routledge 2008.

Erika Fischer-Lichte, Adam Czirak, Torsten Jost, Frank Richarz, Nina Tecklenburg (Hg.): Die Aufführung, München: Fink 2011.

Erika Fischer-Lichte, Barbara Gronau, Christel Weiler (Hg.): GLOBAL IBSEN. Performing Multiple Modernities, London/New York: Routledge 2011.

Barbara Gronau: Ökonomien der Zurückhaltung. Kulturelles Handeln zwischen Askese und Restriktion, hg. mit A. Lagaay, Bielefeld: transcript 2010.

Kristiane Hasselmann: „Entfesselung des Imaginären und Suche nach der perfekten Form. Zur Bedeutung freimaurerischer Referenzen in Matthew Barneys Cremaster 3 (2002)“, in: Helmar Schramm, Ludger Schwarte und Jan Lazardzig (Hgs.), Spuren der Avantgarde: Theatrum alchemicum. Frühe Neuzeit und Moderne im Kulturvergleich, Berlin/New York: de Gruyter 2017, S. 518-541.

Kristiane Hasselmann (Hg.): Hidden Dimensions – zur Latenz und Aktualität tabuartiger Normen. Wandlungen der historischen Dialektik von Tabu und Tabubruch in der performativen Kultur der Gegenwart, München: Fink (in Vorbereitung).

Nina Tecklenburg: Performing Stories. Erzählen in Theater und Performance, Bielefeld: transcript 2016, 2. Auflage (Erstveröffentlichung 2014).

Christel Weiler: Schauspielen heute: Die Bildung des Menschen in den performativen Künsten, hg. mit Jens Roselt, Bielefeld: transcript 2011.