Sabine Brinkmann: Französische Botschaft

Als Bürokraft in der Wirtschaftsabteilung der Französischen Botschaft: Nach dem Zweiten Staatsexamen in Französisch und Biologie eine neue Domäne, die Wirtschaft, erobern, den ganzen Tag von Franzosen und Französinnen umgeben sein und auf Französisch diskutieren, in einem geschmackvollen Büro arbeiten und dann auch noch ein echtes langes Wochenende genießen, einfach toll! Solche oder ähnliche Gedanken gehen mir durch den Kopf, als mir die Stellenanzeige der Französischen Botschaft ins Auge springt.

Zwei Wochen später beginne ich dann meinen neuen Job als – wie sich herausstellt – "Empfangsdame mit erweitertem Aufgabenbereich". Das Tätigkeitsfeld ist abwechslungsreich: Einfache Arbeiten wie die Verteilung der Post, die Erledigung leichter Korrespondenzen (Standardbriefe) und die Verwaltung von französischen Zivildienstleistenden gehören ebenso dazu wie die Beantwortung bzw. Weiterleitung telefonischer Anfragen aus dem Wirtschaftsbereich (gegebenenfalls nach Internetrecherche) und die Anfertigung von Übersetzungen ins Deutsche. Die Arbeitszeit ist auf 8.30 Uhr bis 17.30 Uhr (auch freitags!) festgesetzt, inklusive einer 90minütigen Mittagspause.

Im Arbeitsalltag stellt sich schnell heraus, dass die anspruchsvollen Aufgaben leider viel zu kurz kommen. Das liegt unter anderem an der Art des Arbeitsplatzes, denn die "Empfangsdame" hat kein eigenes Büro. Sie kann Tätigkeiten, die Konzentration und Ruhe erfordern wie z.B das Übersetzen, kaum ausüben, denn sie wird durch Telefonanrufe oder vorbeikommende Kollegen und Kolleginnen ständig unterbrochen. Also verbringt sie den größten Teil des Tages, einer Sekretärin vergleichbar, mit Zuarbeit. Dabei sollte sie ein lächelndes Gesicht auflegen und immer bereit sein für spontan anfallende Arbeiten wie das Absenden von Telegrammen oder das Binden eines Papierstapels. Es wird erwartet, dass sie die Anweisungen zügig und gerne ausführt, denn schließlich erntet sie ja auch Dank dafür! Erweiterte Handlungsspielräume und eigene Entscheidungsfreiheit kennt sie so gut wie gar nicht.

Die Personalstruktur der Französischen Botschaft ist konservativ und streng hierarchisch aufgebaut. Die höheren Positionen werden ausschließlich von Diplomaten besetzt, echte Aufstiegschancen gibt es für ortsansässige Deutsche nicht. Ärgerlich wird man beim Vergleich der stark auseinanderklaffenden Gehaltsstufen. Alsbald winkt mir dennoch ein höher dotierter und anspruchsvollerer Aufgabenbereich in der Unterabteilung 'Neue Bundesländer' (mit eigenem Büro!).

Und trotzdem: Zurück in die Schule! Verantwortung tragen, Entscheidungsspielräume besitzen, kreative Arbeiten ausführen ... einfach toll!