Sibirien vom Hörensagen. Ein literarischer Ausflug mit Michael Ebmeyer und Olaf Kühl
Wer an den asiatischen Teil Russlands denkt, der hat meistens Gefangenenlager, Schnee und Endlosigkeit im Kopf. „Hundert Rubel sind kein Geld, hundert Jahre kein Alter, hundert Meilen keine Entfernung”, lautet ein sibirisches Sprichwort. Doch Sibirien ist Sehnsucht, Freiheit und Projektionsfläche literarischer Inspiration und das nicht erst seit Dostojewskis Roman Onkelchens Traum von 1869.
Die Berliner Schriftsteller Michael Ebmeyer und Olaf Kühl berichteten am 6. November 2012 im Kaffee Burger (Torstraße 60, 10119 Berlin) über Sibirien vom Hörensagen.
90 Minuten lesen und diskutierten beide mit Studierenden des Masterstudiengangs Angewandte Literaturwissenschaft der FU Berlin über den Sehnsuchtsort Sibirien. Ebmeyer und Kühl haben sich auf Recherchereise in das Land jenseits des Urals begeben. Gefördert wurden sie durch das Stipendium des Grenzgänger-Programms der Robert Bosch Stiftung, unterstützt vom Literarischen Colloquium Berlin. Daraus entstanden zwei ungewöhnliche Reise- und Abenteuerromane: Ebmeyers Der Neuling (Kein & Aber 2009) und Kühls Tote Tiere (Rowohlt 2011).
Der Neuling berichtet von einem scheinbar ganz unsibirischen Protagonisten. Der 42jährige Matthias Bleuel, Logistiker eines schwäbischen Modeversands, wird von seinem russlandverliebten Vorgesetzten in den Oblast Kemerowo geschickt. Aus der lästigen „Dienstreise” wird ein Liebesabenteuer, aus dem Stuttgarter Büroangestellten ein Wahl-Sibirier.
Michael Ebmeyer, Jahrgang 1973 aus Bonn, hat sich mit Der Neuling in unbekanntes Terrain gewagt. Davor veröffentlichte der Übersetzer und Autor Erzählungen, Romane und das Reisebuch Gebrauchsanweisungen für Katalonien. Auf der Grundlage von Der Neuling schrieb er mit Minu Barati am Drehbuch der Komödie Ausgerechnet Sibirien, die im Mai 2012 in die deutschen Kinos kam.
In Olaf Kühls Debütroman Tote Tiere begeben sich der deutsche Ich-Erzähler Konrad und dessen polnischer Freund Andrzej Karymsiuk nach Südostsibirien, um den wichtigsten politischen Gefangenen Russlands, Michail Chodorkowskij, zu befreien. Der Roman basiert auf einer gemeinsamen Reise Kühls mit dem polnischen Autor Andrzej Stasiuk. Der 1955 in Sanderbusch/Friesland geborene Kühl zählt zu den renommiertesten Übersetzern aus dem Russischen und Polnischen und arbeitet seit 1996 als Russlandreferent des Regierenden Bürgermeisters von Berlin.
Mit freundlicher Unterstützung der FU Berlin, der Robert-Bosch-Stiftung sowie des Kaffee Burger Berlin.