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2: Apokalypse und Philologie

Wilhelm Schmidt-Biggemann: Apokalypse und Philologie – Wissensgeschichten und Weltentwürfe der Frühen Neuzeit, hg. v. Anja Hallacker und Boris Bayer

Die hier versammelten Aufsätze haben den Anspruch, die Wissensgeschichte der Frühen Neuzeit exemplarisch vorzustellen. Sie behandeln die Wissenschaften der Frühen Neuzeit, die für die historische Orientierung zentral waren: die spekulativ interpretierte Philologie und die philologisch interpretierte Theologie. Hier wurden die Leitbegriffe der historischen Selbstinterpretation verhandelt: Die Stellung der eigenen Zeit in der Weltgeschichte, die philologischen Möglichkeiten, die Offenbarung der Heilsgeschichte verlässlich zu fassen, die Frage von Wahrheitsverwaltung und Prophetie. Die gesammelten Aufsätze beschäftigen sich zudem mit den formalen Organisationskriterien der historisch-philologischen Wissenschaften der Frühen Neuzeit, d. i. mit der Enzyklopädie. Die Methode der enzyklopädischen Wissensordnung ist in dieser Zeitspanne die Topik. Die topischen Enzyklopädien sind möglich in einem Rahmen, der durch die Theologie und ihre heilsgeschichtlichen Leitbegriffe vorgegeben ist: Es ist der Rahmen von Schöpfungstheologie, Sündenfall und vorläufiger Erlösung, schließlich von Gericht und von Vollendung der Welt. Das Maß und die Ordnung des Wissens, das in diesem Rahmen gefasst wird, begreift sich als das Wissen der Welt, sofern es durch den göttlichen Schöpfungsakt zugewiesen und mitgeteilt ist. Das menschliche Wissen hat Teil an der Weisheit Gottes, in der und durch die die Welt geschaffen wurde. Diese göttliche Weisheit ist das absolute Maß allen Wissens schlechthin. Es ist das Wissen, das vor dem Sündenfall dem Menschen zukam, es ist das Wissen, das im Prozess der Geschichte wiedergewonnen wird, es ist das Wissen, das sich am Ende der Geschichte in der Anschauung Gottes vollenden wird. Der wissenschaftliche Fortschritt besteht mithin in der allmählichen Annäherung an den Status der beseligenden Theorie. Wahres Wissen, das wissenschaftlich verwaltet wird, ist in diesem Sinne nie nur profan, sondern immer auch heilsgeschichtlich bestimmt.

388 Seiten mit zahlr. Abb., gebunden
49,90 € [D]
ISBN 978-3-89971-313-8
Göttingen: V&R unipress 2007 

Rezension: Gideon Stiening