Literatur X Wissenschaft: Realismus. Transplantationen der Literatur. Prof. Irmela Krüger-Fürhoff und Sabine Gruber im Gespräch. Abendveranstaltung
Ort: Lettrétage, Mehringdamm 61, 10961 Berlin
Organisation: Barbara Bausch, Jennifer Bode, Dr. Julia Weber
In der Gesprächsrunde zu „Transplantationen der Literatur“ setzten sich die Autorin Sabine Gruber und Prof. Dr. Irmela Marei Krüger-Fürhoff unter Moderation von Dr. Caroline Welsh mit verschiedenen Aspekten der Organtransplantation und deren adäquater literarischer Darstellungsformen auseinander. Sabine Gruber beschäftigt sich insbesondere in ihren Romanen Die Zumutung (2003) und Über Nacht (2007, beide C. H. Beck) mit den Themen der chronischen Nierenkrankheit und der Transplantation. Irmela Marei Krüger-Fürhoff und Caroline Welsh forschen beide an der Freien Universität Berlin an der Schnittstelle von Literatur und Medizin zu Krankheit in der Literatur; von Prof. Krüger-Fürhoff erschien 2012 bei Fink die Publikation Verpflanzungsgebiete. Wissenskulturen und Poetik der Transplantation.
Im Zentrum des Gesprächs stand der Roman Über Nacht, aus dem Sabine Gruber einige Auszüge las, und in dem eine Nierentransplantation nicht nur auf inhaltlicher Ebene eine Rolle spielt, sondern zugleich Verpflanzungen auf der Darstellungsebene inszeniert, also auch als Schreibverfahren wirksam werden. Es wurde stark gemacht, dass insbesondere bei einem so kontroversen Thema wie der Organtransplantation Fiktionen, ästhetische Darstellungsformen, kulturelle Bilder und Narrative eine zentrale Rolle spielen, um das Phänomen nicht nur aus medizinischer, sondern auch aus sowohl gesellschaftlicher als auch individueller Perspektive in den Blick rücken zu können. Nicht nur die Betroffenen selbst, so machte die Autorin Gruber, die selbst vor vielen Jahren eine Organtransplantation erhielt, seien mit Nicht-Wissen (etwa um den Spender) konfrontiert. Auch im gesellschaftlichen Bewusstsein gebe es noch großen Bedarf an Information zu den Themen Organspende und Organtransplantation, die sich im Spannungsfeld zwischen den Versprechen der Medizin auf der einen und dem Anerkennenmüssen der eigenen Sterblichkeit auf der anderen Seite bewegen.
Im Gespräch wurde hervorgehoben, dass gerade Imaginationsräume, Narrative und rhetorische Darstellungsformen zur Begreiflichmachung von Sachverhalten wie beispielsweise dem Hirntod – den Sabine Gruber als „innere Enthauptung“ beschreibt – zur kulturellen und sozialen Einbettung neuer Kulturtechniken wie der Transplantation einen wichtigen Beitrag leisten.
Sabine Gruber lebt in Wien und wurde für ihre literarischen Veröffentlichungen vielfach ausgezeichnet. Zu ihren bekanntesten Romanen zählen Über Nacht (C.H.Beck, 2007), Stillbach oder Die Sehnsucht (C.H.Beck, 2011) sowie Daldossi oder Das Leben des Augenblicks (C.H.Beck, 2016)
Prof. Dr. Irmela Marei Krüger-Fürhoff ist Professorin am Institut für deutsche und niederländische Philologie der Freien Universität. Seit 2016 leitet sie das Forschungsprojekt „Graphic Medicine and Literary Pathographies: The Aesthetics and Politics of Illness Narratives in Contemporary Comics and Literature“. Zuletzt erschien Verpflanzungsgebiete. Wissenskulturen und Poetik der Transplantation (Fink, 2012).
Moderation: PD Dr. Caroline Welsh lehrt neuere deutsche Literatur an der Freien Universität. 2003 erschien ihre Arbeit Hirnhöhlenpoetiken. Theorien zur Wahrnehmung in Wissenschaft, Ästhetik und Literatur um 1800 (Rombach). Zuletzt war sie unter anderem Mitherausgeberin des Bandes Autonomie und Menschenrechte am Lebensende. Theoretische Grundlagen und Reflexionen aus der Praxis (transcript, 2017).
Lesen Sie hier auch den Artikel über die Abendveranstaltung in campus.leben.