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Masterclass with Martin Puchner. The ‘isms’ of the 20th century Avant-Gardes

Alfred H. Barr, Diagramm zur Stilentwicklung von 1890 bis 1935, Fragment des Schutzumschlags des Ausstellungskatalogs Cubism and Abstract Art, New York, 1936 (The Museum of Modern Art).

Alfred H. Barr, Diagramm zur Stilentwicklung von 1890 bis 1935, Fragment des Schutzumschlags des Ausstellungskatalogs Cubism and Abstract Art, New York, 1936 (The Museum of Modern Art).

Datum: 02.–04.07.2018
Ort: FU Berlin, JK 33/121
Konzept: Alexandra Ksenofontova, Anna Luhn

Das wissenschaftliche Interesse an literarischen Schulen und Bewegungen des frühen 20. Jahrhunderts hat sich längst von den Problemen der exakten Klassifikation oder Periodisierung hin zu epistemologischen Modellen und Überkreuzungen zwischen Literatur und bildender Kunst, Ästhetik und Politik verschoben. „Ismen“ und andere ähnliche Labels, die für die Avantgarde-Bewegungen üblich sind, sind daher noch unschärfer geworden, da ihre Definitionen in den verschiedenen Disziplinen variieren. Studien, die „Ismen“-Begriffe in Bezug auf Manifeste, theoretische und kritische Werke, aber auch Literatur, Theater, Film, Malerei, Bildhauerei oder Design verwenden, können mit Problemen konfrontiert werden, für diese Labels über verschiedene Medien und Genres hinweg eine gemeinsame Basis zu finden.

In der methodisch ausgerichteten Masterclass soll der Umgang mit den Selbst- und Fremdbezeichnungen der literarischen, künstlerischen, politischen Strömungen des 20. Jahrhunderts wie Symbolismus, Surrealismus, Kubismus, Dadaismus, Futurismus, Expressionismus etc. in der (eigenen) Forschung kritisch reflektiert werden. Im Zentrum steht dabei weniger die definitorische Schärfung einzelner Ismen, sondern die Bewegungen und Formen der Übertragung (und Übertragbarkeit) von politischen Agenden, Manifesten und kritischen Texten auf künstlerische Werke. Wie greifen künstlerische und politische Aspekte hier ineinander? Wo stehen sie konträr zueinander oder entwickeln sich aufeinander zu? Welche ästhetischen und theoretischen Implikationen ergeben sich hieraus? Und schließlich: Haben diese Begriffe auch heute noch einen großen Mehrwert, oder sind sie längst zu Gespenstern der Vergangenheit geworden und sollten durch mögliche Alternativen ersetzt werden?

Ein kurzer thematischer Reader wird allen Teilnehmer_Innen vorab zur Verfügung gestellt. Im Rahmen des Programms wird zudem die (zahlenmäßig begrenzte) Möglichkeit bestehen, eigene Forschungsfragen in kurzen Präsentationen vorzustellen und zu diskutieren.

Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Anmeldungen bitte bis zum 13.05. unter a.ksenofontova@fu-berlin.de oder anna.luhn@fu-berlin.de.

Zum Auftakt der Veranstaltung findet ein öffentlicher Abendvortrag von Prof. Puchner zu „Unabhängigkeit und Revolution: Zwei Episoden in der Geschichte der Weltliteratur“ am Montag, den 02.07. um 18 Uhr im Seminarzentrum L116 der „Silberlaube“, Freie Universität Berlin, Habelschwerdter Allee 45, statt. Eine Anmeldung hierzu ist nicht erforderlich. Mehr Informationen hier.

Prof. Dr. Martin Puchner ist Byron and Anita Wien Professor of Drama and of English and Comparative Literature, Lehrstuhlinhaber des Programms Theater, Dance and Media und Leiter der Mellon School of Theater and Performance Research an der Harvard University und beschäftigt sich in seiner Forschung intensiv mit Literatur und Theater der Moderne. Martin Puchner setzt sich unter anderem in der Monographie Poetry of the Revolution. Marx, Manifestos and the Avant-Gardes (Princeton University Press 2005) mit der Gattung des Manifests als Genre par excellence der europäischen und außereuropäischen Ismen auseinander. Auch seine neue Publikation The Written World: The Power of Stories to Shape People, History, Civilization (Random House 2017) ist u.a. den historischen künstlerischen und politischen Avantgarden, ihren Wechselwirkungen und gegenseitigen Einflussnahmen gewidmet.

Bericht

Konzipiert und veranstaltet von Alexandra Ksenofontova und Anna Luhn beschäftigte sich die dreitägige Masterclass mit Fragen der Funktionalität von Ismen als literaturhistorische und -wissenschaftliche Beschreibungskategorien sowie den damit zusammenhängenden Herangehensweisen an Literaturgeschichte und Textanalyse. An der Masterclass nahmen sieben DoktorandInnen, GastdoktorandInnen und ProjekstipendiatInnen der FSGS sowie einige externe Gäste teil; Prof. Dr. Martin Puchner (Harvard Universität) begleitete die Masterclass als Experte. Eröffnet wurde die Masterclass am 02. Juli mit einem öffentlichen Abendvortrag von Prof. Puchner zu „Unabhängigkeit und Revolution: Zwei Episoden in der Geschichte der Weltliteratur“. Herr Puchner stellte seine Auffassung des Begriffs „Weltliteratur“ anhand von zwei Beispielen dar: der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten und dem Manifest der Kommunistischen Partei. Nach einer regen Diskussion bot das gemeinsame Abendessen den TeilnehmerInnen der Masterclass die Gelegenheit zum Kennenlernen. Die erste Sitzung am 03. Juli startete mit einer Vorstellungsrunde und einer kurzen Einführung von Alexandra Ksenofontova; anschließend folgte eine Kurzpräsentation von Anna Luhn zur methodischen Funktionalität von Ismen. Luhn thematisierte die Spannung zwischen der kulturhistorischen sowie ideengeschichtlichen Rolle der Ismen in ihrer Forschung und der Widersprüchlichkeit ihrer stilistischen und motivischen Zugehörigkeitsmerkmale am Beispiel von vier Gedichten von Walter Mehring, Jean Cocteau und Max Herrmann-Neiße. In der Diskussion kristallisierten sich vier Ebenen der möglichen Funktionalität von Ismen heraus: ideenbezogene, soziale, formale und verfahren-bezogene. Es wurde ebenfalls über den Ursprung der Ismen im Genre des Manifests und die Besonderheiten des Expressionismus als einer durch kein Manifest geprägten Strömung diskutiert. Nach der Mittagspause wurde die Diskussion fortgesetzt durch eine nähere Auseinandersetzung mit den Ismen nahestehenden bzw. quasi-synonymischen Begriffen wie etwa Strömung, Bewegung, Gruppe und Schule, sowie den Oberbegriffen Modernismus und Avantgarde. In der zweiten Sitzungshälfte stellte Sima Reinisch ihr Forschungsvorhaben vor und griff den Begriff „Weltliteratur“ im Zusammenhang mit Fragen der Kanonbildung und des literarischen Primitivismus wieder auf. Der dritte Tag der Masterclass, der 04. Juli, begann mit einer Kurzpräsentation von Andreas Rizzi zu den Prinzipien des Klassismus, dargestellt am zeitgenössischen Roman Nachhinein von Lisa Kränzler. Daraus entwickelte sich eine Diskussion über die Übertragungseffekte, die bei der Heranziehung von Manifesten zur Lektüre von literarischen Werken entstehen können. Dabei wurden textimmanente und kontextuell informierte Analysemethoden kontrastiert sowie die Herangehensweise an Manifeste als „Theorie“-Texte problematisiert. In der Sitzung am Nachmittag besprach Alexandra Ksenofontova in ihrer Kurzpräsentation drei mögliche Herangehensweisen an intermediale Ismen, indem sie Beispiele aus den literarischen und filmischen Surrealismus, Konstruktivismus und Expressionismus verglich. Abgeschlossen wurde der Tag mit einer kurzen Zusammenfassung der während der Masterclass angesprochenen Fragen und einem Resümee der erarbeiteten und diskutierten methodischen Herangehensweisen zum kritischen Einsatz der Ismen in der wissenschaftlichen Praxis der TeilnehmerInnen.


Programm

Montag, 02.07.2018

Ort: L116, Habelschwerdter Allee 45

18:15 Uhr MARTIN PUCHNER: Öffentlicher Abendvortrag. Unabhängigkeit und Revolution: Zwei Episoden in der Geschichte der Weltliteratur

Dienstag 03.07.2018

Erster Tag: METHODOLOGISCHER TEIL: ZU SYSTEMATISIERUNG. BESCHREIBUNGS- UND BENENNUNGSPRAKTIKEN DER AVANT-GARDEN IN DER LITERATURWISSENSCHAFT // Kurzpräsentationen zu Forschungsfragen/Case Studies

10:00 Uhr Einführung und Block 1

13:00 Uhr Block 2

Mittwoch 04.07.2018

Zweiter Tag: ZUR AVANTGARDISTISCHEN TEXTPRODUKTION, IHREN GENRES, ÜBERTRAGUNGEN UND DIFFERENZEN (GATTUNGSFRAGEN, INTERMEDIALITÄT, PRAKTIKEN DER ÜBERNAHME/UMSETZUNG) // Kurzpräsentationen zu Forschungsfragen/Case Studies

10:00 Uhr Block 3
13:00 Uhr Block 4
15:30 Uhr Block 5 und Abschlussdiskussion

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