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Spot the Stereotype!

George Orwell would love it

George Orwell would love it
Bildquelle: Wendelin Jacober | Flickr.com | Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0

Datum: 06.06.–07.06.2019
Ort: TOPOI-Haus Dahlem, Hittorfstr. 18, 14195 Berlin
Organisation: Forschungsverbundübergreifende Tagung mit Beteiligung der FSGS
Anmeldung für die Podiumsdiskussion
Programm: Das vollständige Programm finden Sie hier.
Weitere Informationen zur Tagung "Spot the Stereotype" finden Sie unter https://blogs.fu-berlin.de/stereotypes/
Mailinglistehttps://lists.fu-berlin.de/listinfo/spot-the-stereotype
Kontakt: stereotypes@fu-berlin.de
Lesen Sie hier auch die Pressemitteilung in campus.leben.


Stereotyp (griech. στερεός stereós = fest und haltbar und τύπος týpos = Form oder Muster)

                      
Wie mühsam wäre es, einen Stuhl nicht immer rasch als Stuhl erkennen zu können, sondern Beschaffenheit, Form und Verwendungszweck stets von Neuem ergründen zu müssen, bevor wir uns getrost niederlassen können? Kategorien und Stereotype helfen uns, Situationen schnell zu erfassen sowie Sinnesreize, Objektwahrnehmungen und Informationen einzuordnen und zu prozessieren, sodass wir in einem „angemessenen“ Zeitraum reaktions- und interaktionsfähig sind. Stereotype sind erkenntnistheoretisch und entsprechend ihren etymologischen Wurzeln als feste Formen oder Muster verstandene Konventionalisierungen, spezifische Kategorien der Urteilsfindung und der Wissensakkumulation, die als Orientierungshilfen fungieren und helfen, auf vorhandenes Wissen zurückzugreifen und so den lebensweltlichen Alltag zu bewältigen.

Stereotype sind als Formen der Mustererkennung also äußerst hilfreich, sie sind jedoch keineswegs unschuldig. Nicht nur unser Alltag ist dominiert von unterschwellig mitgeführten Stereotypen in Form von sozialen Rollenvorstellungen, auch die wissenschaftlichen Diskurse sind geprägt von vermeintlich gemeingültigen Grundannahmen, Kanonbildungen und Interpretationsmustern. Stereotype sind – wie der Journalist und Medienkritiker Walter Lippmann schon im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts konstatierte – nicht „reine“ Syntheseleistung oder objektives Erkennungsmuster für den Charakter oder das Wesen eines Objektes oder gar einer Person. Vielmehr sind sie modelliert, in hohem Maße beeinflussbar und stets in ein Wertungsverhalten eingebunden. Sie spiegeln kollektive und individuelle Erfahrungen, soziale Prägungen, politische Positionen, transportieren Erwartungen – kurz, Stereotype sind weit davon entfernt, als objektive kognitive Formeln Anspruch auf Verbindlichkeit und Korrektheit erheben zu dürfen. Als Wissenskategorien und Erwartungshaltungen wirken sie latent, d.h. sie werden meist unreflektiert „mitgeführt“, was sie als unhinterfragte Kategorien umso wirksamer macht. Sie ziehen systemisch und systematisch Unterscheidungen ein – zwischen Geschlechtern, Alters- und Berufsgruppen, Nationalitäten, kulturellen Verfasstheiten, Traditionen und Verhaltensweisen, Kommunikations- und Vermittlungsweisen und vielem mehr.

Eine forschungsverbundübergreifende Tagung nimmt nun diese Formen der Musterbildung in verschiedenen Lebensbereichen wie Politik, Gesellschaft, Kunst und Wissenschaft in den Blick. Das Ziel ist es, Stereotype gerade dort aufzuspüren, wo wir sie nicht vermuten würden. Wissenschaftler_innen aus Disziplinen wie den Literatur-, Sprach- und Altertumswissenschaften, Kunst-, Kultur-, Medien- und Geschichtswissenschaften oder auch der Linguistik und Soziologie sind eingeladen, ihre Gegenstände und Themen, Fragestellungen und Methoden auf stereotype Annahmen hin zu befragen und diese für einen selbst vielleicht zunächst überraschenden Funde und Erkenntnisse inter-/transdisziplinär zu diskutieren. Zu diesem spannenden Unterfangen möchten wir Nachwuchswissenschaftler_innen ebenso wie etablierte Kolleg_innen einladen, ihre vielleicht bereits langjährig beforschten Themen auf „Stereotype“ hin abzuklopfen und dadurch noch einmal eine völlig neue Perspektive zu gewinnen.

Um dem latenten Wirken von Stereotypen und ihren Darstellungs- und Verbreitungsformen in der Forschung auf die Spur zu kommen fokussiert die Tagung auf zwei eng verzahnte „Sondierungsbereiche“:

1) Wissen(schaft)shistorische Methoden: Wo „verstecken“ sich oft wissenschaftshistorisch gewachsene, wirkmächtige Stereotype in der eigenen wissenschaftlichen Arbeitsweise und dem eigenen Untersuchungsgegenstand? Wie kommt man ihnen auf die Schliche?

2) Stereotype (und) Darstellungsformen: Wie entstehen solche Muster und wie finden ihre Übertragungen in Hinblick auf spezifische Darstellungsformen statt? Was (oder wer) befördert diese Transfers, wie lassen sie sich kritisch beschreiben und auswerten? Wie kann man diesen Prozessen strukturell und inhaltlich entgegenwirken?

In allen Bereichen gilt es explizit, tradierte Denkmuster zu hinterfragen und auch dort nach Stereotypen zu suchen, wo man sie nicht vermuten würde – Spot the Stereotype!

Programm

Donnerstag, 06. Juni 2019 

15:00 Begrüßung und Einführung durch die Organisator*innen

Panel 1 Topik und Stereotyp 

15:15–15:45 Maria Hinzmann: Forschungstopoi versus Stereotype? Potentiale der Topik als Heuristik für die Vermittlung von Objekt- und Metasprache

15:45–16:15 Jule Thiemann: ›Ditch the label!‹ Von der ›Gastarbeiterliteratur‹ zur ›Postmigrantischen Literatur‹

16:15–16:45 Sanja Lazarević Radak: Deconstruction or Re-invention: Discourse Analysis and Blind Spots in the ‘Balkan Studies’

16:45–17:30 Diskussion

18:15 Podiumsdiskussion „Spot the Stereotype!“

—die Teilnahme an der Diskussion ist frei, wir bitten aber um Anmeldung

mit Mona El Omari, Hans Peter Hahn, Luce deLire, Dirk Naguschewski und Matthias Warstat

Die Tagung „Spot the Stereotype!“ untersucht Stereotype innerhalb wissenschaftlicher Forschungszusammenhänge, -objekte und -traditionen. Positionierung und Wirkmacht von Stereotypen werden gerade dort interessant, wo die akademische Welt in andere lebensweltliche Bereiche übergeht: Wie werden Stereotype hier aufgespürt, markiert, spielerisch-künstlerisch konterkariert oder zu Zwecken der Verdeutlichung oder humoristischen Entfremdung drastisch überhöht?

Wir wollen fünf Gäste, die sich in der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Kunst bewegen, zu „ihren“ Stereotypen befragen.

Moderation: Ninia Binias und Sabine Greiner

Freitag, 07. Juni 2019 

9:30–10:00 Vorstellung der studentischen Ausstellung „Von Schubladen und anderen Stereotypen“ unter Leitung von Prof. Dr. Eva Kimminich (Universität Potsdam)

Panel 2 Stereotype in wissenschaftlicher Kommunikation

10:00–10:30 Boris Wyssusek: Diagramme. Epistemische Effekte des Stereotypischen semi/formaler nicht-diskursiver Darstellungsformen

10:30–11:00 Armin Hempel: Was da draußen wohl gedacht wird? Bekämpfung, Verbreitung und Nutzbarmachung stereotyper Annahmen in der Wissenschaftskommunikation der Geisteswissenschaften

11:00–11:30 Diskussion und Kaffeepause

Panel 3 Stereotype und das Problem der Repräsentation

11:30–12:00 Michalis Valaouris: Ein mediterraner Planet. Wörter und Bilder für eine Welt ohne Zeichen

12:00–12:30 Hannah Eßler: „Object recogntion failed“: Ein Error-Report über gescheitertes Erkennen und unmögliche Figuration des Körpers in der Performance „Cape Sound Stories“

12:30-13:00 Alessandra Salvin: House and Household in Third Millennium Mesopotamian Society: archaeological perspectives

13:00–14:30 Diskussion und Mittagspause

 Panel 4 Gender und Stereotype

14:30–15:00 Marlene Dirschauer: Virginia Woolfs A Room of One’s Own und die Komfortzone des literarischen Kanons

15:00–15:30 Loreen Dalski: Kämpfer und Entdecker auf Zeit. Das kulturelle Narrativ des erfolgreich Gescheiterten

15:30–16:00 Diskussion und Kaffeepause

 Panel 5 Stereotype und Reshaping

16:00–16:30 Louis Mathias Berger und Jacob Veidt: Pluralisierung oder christliche Vereinnahmung? Aneignungsstrategien in Giovanni Pico della Mirandolas Conclusiones sive theses DCCCC

16:30–17:00 Hyosung Kim: The ‚Stereotyped‘ Bodies: Gong Okjin’s Dance of the Disabled and the Reinvention of Traditional Korean Choreography

17:00–17:30 María Dumas: The Role of the City in Medieval French Romance: Exposing Spatial Stereotypes in Hue de Rotelande’s Ipomedon 

17:30–17:45 Diskussion der Beiträge

17:45–18:30 Abschlussdiskussion und Verabschiedung

Organisation

Die Tagung Spot the Stereotype! ist eine gemeinsame Initiative von sieben institutionsübergreifenden Forschungsverbünden. Beteiligt sind das Berliner Antike-Kolleg mit der Berlin Graduate School of Ancient Studies und der Exzellenzcluster „Topoi. The Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations“, die Forschungsgruppe „Diskursivierungen von Neuem. Tradition und Novation in Texten und Bildern des Mittelalters und der Frühen Neuzeit", die Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien, der Sonderforschungsbereich „Episteme in Bewegung. Wissenstransfer von der Alten Welt bis in die Frühe Neuzeit“, die Kolleg-Forschungsgruppe „BildEvidenz. Geschichte und Ästhetik“ sowie der Exzellenzcluster „Temporal Communities. Doing Literature in a Global Perspective“.

Konzeption und Organisation: Regina Attula-Ruetz, Helen Dawson, Sabine Greiner, Kristiane Hasselmann, Christin Keller, Rebecca Mak, Henrike Simon, Hauke Ziemssen

Call for Papers

Hier finden Sie den offenen Call for Papers auf Deutsch und Englisch. Vorträge sind in beiden Sprachen möglich und willkommen. Der Call wendet sich explizit an alle Statusgruppen und soll die Chance bieten, sich explorativ mit dieser Fragestellung zu beschäftigen und ggf. auch die eigenen Arbeitsweisen und Perspektiven zu hinterfragen. 

Es können keine Proposals mehr angenommen werden!

Interessierte können sich gerne hier in die "Spot the Stereotype"-Mailingliste eintragen, um über Folgeveranstaltunegn auf dem Laufenden gehalten zu werden.  

Kontakt: stereotypes@fu-berlin.de

Hinweisen möchten wir Sie in diesem Zusammenhang auf die Konferenz „Wie kommt das Neue in die Welt?“, die anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Habilitation Emmy Noethers neues Wissen, alte Denkmustern und strukturelle Veränderungen untersucht und sich damit thematisch an die Stereotype-Tagung anknüpft.
Zur Website Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften
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