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Narrative zwischen Fakt und Fiktion – Der Holocaust im Comic

Plakat - Narrative zwischen Fakt und Fiktion

Plakat - Narrative zwischen Fakt und Fiktion

Bildquelle: FSGS

Bildquelle: FSGS

Bildquelle: FSGS

Bildquelle: FSGS

Datum: 25.10.2018, 10.00-15.30 Uhr
Ort: FU Berlin, Friedrich Schlegel Graduiertenschule, Raum: JK 33/121
Organisation: Anna Beckmann

Workshop-Bericht „Den Bildern der Täter etwas entgegensetzen!“. Narrative zwischen Fakt und Fiktion – Der Holocaust im Comic

Wie erzählen Comics bzw. narrative Bildserien den Holocaust? Diese Frage wurde im Rahmen einer Abendveranstaltung in der Bibliothek am Luisenbad im Berliner Wedding und eines Workshops an der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien diskutiert.

Zu narrativen Bildserien, die von Inhaftierten in NS-Zwangslagern vor und nach dem Krieg angefertigt wurden, hatte Jörn Wendland erstmals eine größere wissenschaftliche Arbeit publiziert, die Anfang 2018 im Böhlau Verlag unter dem Titel Das Lager von Bild zu Bild. Narrative Bildserien von Häftlingen aus NS-Zwangslagern erschienen ist. Wie diese Bildserien den Terror der Nationalsozialisten aus nächster Nähe erzählen und welche Produktionsbedingungen ihnen zugrunde lagen, stellte Wendland am Abend in der Bibliothek am Luisenbad anhand ausgewählter Beispiele vor. So zeigte er die kontextuellen und stilistischen Unterschiede auf, die die einzelnen Werke prägen. Von SS-Auftragsarbeiten über Darstellungen von Deportation und Selektierung im Auschwitz-Skizzenbuch eines unbekannten Verfassers bis zu den Zeichnungen der erst 16 Jahre alten Helga Weissová reicht das Spektrum der Kunstwerke, die bisher zu wenig Aufmerksamkeit erhalten haben. Ole Frahm betonte in seinem anschließenden Vortrag, dass das Potenzial dieser Arbeiten darin begründet sei, den Täter-Fotografien, die sich tief in die kulturelle Erinnerung an den Holocaust gegraben haben, etwas Wichtiges und Unerlässliches entgegenzustellen: die Perspektive der Opfer. An dieser Stelle muss die Frage nach Fakt, Fiktion und Authentizität neu gestellt werden. So gelten doch gezeichnete Bilder gemeinhin als weniger authentisch, als weniger ‚wahrheitsgetreu‘ als die technisch produzierte Fotografie. Der Blick auf die Bildserien macht jedoch die Komplexität dieser Gegenüberstellung deutlich, da die Perspektive der Produzent*innen dieser Bilder in die Auseinandersetzung gerät und dem bildlichen Diskurs einer vermeintlich objektiven Erinnerungskultur die gezeichneten Bilder als Zeugnis des erlebten Leids hinzufügt.

Die Ambiguität der Grenzziehung zwischen Fakt und Fiktion stellte Frahm heraus, indem er anhand von Art Spiegelmans Maus – A Survivors Tale zeigte, wie die Zeichnungen aus den NS-Zwangslagern Eingang in Comics der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit gefunden haben und bestimmte Bildelemente wie die Schornsteine eines Krematoriums zu Symbolen für die Vernichtung der Jüdinnen und Juden geworden sind und als solche reflektiert werden können.

Die Workshopteilnehmer*innen konnten am nächsten Tag diesen Spuren im Bildgedächtnis weiter folgen und anhand der von Jörn Wendland mitgebrachten Beispiele einen tieferen Einblick in die Biografien der Künstler*innen gewinnen und erforschen, welches Wissen diese Bilder transportieren.

Der Golem als Reflexionsfigur für eine Auseinandersetzung mit dem Holocaust taucht schließlich in dem abschließend mit Ole Frahm intensiv diskutierten Comic The Scorpion. Night of the Golden Fuhrer! von 1975 auf. Das Potential von eher actiongeladenen Superhero Comics für die Beschäftigung mit den NS-Verbrechen wurde dabei gemeinsam ausgelotet. Es wurde deutlich, dass solche Comics nicht bloß als unseriöser Trash abzukanzeln sind, sondern als popkulturelle Formen der Erinnerung des Holocaust dazu beitragen können, die kulturelle Erinnerung zu ergänzen und zu kritisieren.

Im Hinblick auf die Bandbreite der besprochenen Beispiele zeigte sich, dass die binäre Opposition von Fakt und Fiktion ebenso zu hinterfragen ist, wie die Frage der Zuschreibungen von Authentizität und Glaubwürdigkeit. Die gezeichneten Bilder der Häftlinge aus NS-Zwangslagern setzen den Täterfotografien eine Perspektive der Opfer entgegen und erlösen die Zeichnung so vom Makel der Unglaubwürdigkeit. Der Golem manifestiert sich in den populären Bildern als jüdische Figur des ‚Monströsen‘ (Frahm), die ein Wiederaufleben des Nationalsozialismus verhindern und damit eine Reflexion über Geschichte und mythischer Fiktion anstoßen soll.

Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Berliner Comic-Kolloquium statt.

Lesen Sie hier noch den Beitrag über die Veranstaltung des Deutschlandfunk Kultur.

Programm

24.10.2018

19:00 Uhr Abendveranstaltung, Bibliothek am Luisenbad, Badstraße 39, 13357 Berlin.

25.10.2018

10:00 Uhr Kaffeepause

Sektion 1, 10:3012:30 Uhr

12:30 Uhr Mittagessen

Sektion 2, 13:3015:30 Uhr

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