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De/localizing literature: A Workshop

De/localizing Literature Workshop

De/localizing Literature Workshop

De/localizing Workshop

De/localizing Workshop

Bernardo Carvalho- De/localizing Literature

Bernardo Carvalho- De/localizing Literature

Datum: 24.–26.01.2017
Ort: FU Berlin, Raum JK 33/121
Planung und Organisation: Laura Gagliardi, Caio Yurgel
Poster 
Flyer

Fünf internationale Wissenschaftler*Innen (Kathy Ann-Tan, Natasha Gordinsky, Leonardo Tonus, Susanne Zepp und Zairong Xiang) und zwei Künstler (Bernardo Carvalho und Karim Aïnouz) wurden von Laura Gagliardi und Caio Yurgel zu einem dreitägigen Workshop, vom 24. bis 26. Januar 2017 an der Freien Universität Berlin eingeladen. Gemeinsam mit einem interessiertem Publikum haben diese Teilnehmer*Innen aus einer neuen „de/lokalisierten“ Perspektive über zeitgenössische Literatur, Film und Kunst diskutiert. Im Workshop de/localizing literature wurde der Begriff der „De/lokalisierung“ im Sinne der Kulturwissenschaften, als ein kritischer Ansatz betrachtet, der über die territoriale Entschlossenheit und über die binäre Opposition zwischen dem Lokalen und dem Universellen hinausgeht. “De/lokalisierung” galt somit als Ausgangspunkt und als methodisches Instrument, um die Interpretationskonventionen von seiner Achse aus zu verschieben und so erweiterte Sichten auf literarische und künstlerische Objekte, die außerhalb des Mainstream gedeihen, zu schaffen. Dazu wird eine kritische Neubewertung institutionalisierter Räume und Identitäten unternommen, um alternative Wege zu der etablierten Ordnung von Raum, Zeit, Genre, Geschlecht und Ethnizität in ihren vielfältigen Besonderheiten zu verstehen, ohne selbstverständlich ihr Verhältnis zu anderen Aspekten des sozialen und künstlerischen Lebens zu missachten.

Der Workshop wurde am 24.01. mit dem Film Viajo porque preciso, volto porque te amo (I Travel Because I Have to, I Come Back Because I Love You) des brasilianischen, in Berlin lebenden Regisseurs Karim Aïnouz eröffnet. Der Film bewegt sich an der Grenze zwischen Spiel- und Dokumentarfilm, Literatur und Film, Wort und Bild. Der Geologe José Renato, in der Hauptrolle als Ich-Erzähler, taucht nie vor der Kamera auf und die Handlung entwickelt sich eher in einer Mischung aus Tagebuch, Liebesbrief und Forschungsbericht. Nach der Trennung von seiner Freundin beginnt José Renato eine Dienstreise in die dürren Landschaften des Nordostens Brasiliens. Die Trauer über den Liebesverlust und die innerlichen Wege zur Selbsterkennung mischen sich mit denen, die José Renato tatsächlich geht.

Der zweite Tag begann mit einer Einführung von Caio Yurgel zur Idee der „De/lokalisierung“, bzw. der Schaffung neuer Räume für einen kritischen literaturwissenschaftlichen Ansatz, der nicht nur interdisziplinär arbeitet, sondern auch ständig die eigenen Vorstellungen und Vorurteile über literarische und künstlerische Phänomene in Frage stellt. Der erste Vortrag von Prof. Dr. Susanne Zepp (Freie Universität Berlin), mit dem Titel Topological Transitions: Lorca in World Literature, analysierte die Rezeption der Werke Lorcas und dessen tragisches Schicksal in verschiedenen historischen und literarischen Zusammenhängen der romanischen Literaturgeschichte am Beispiel von Gedichten von Pablo Neruda, Antonio Machado, Carlos Drummond de Andrade, Mario de Andrade, Sophia de Mello Breyner Andresen und Jean Sénac. Im zweiten Vortrag Rupture/Rejection, Temporality and the Black Radical Tradition in Literature and Art, ging Kathy Ann-Tan (Bard College Berlin/ Universität Tübingen) davon aus, dass die Spannung hinter den Begriffen wie Black Futurism und Black Pessimism sehr hilfreich sei, um Begriffe wie Geschlechtsidentität, Geschlechterrollen und sexuelle Orientierung infrage zu stellen. Ann-Tan zeigte in den Werken der Künstlerin Wangechi Mutu und des Schriftstellers James Baldwin bestimmte Strategien auf, die die heteronormative und lineare, von der europäische Moderne postulierte Weltsicht hinterfragen. Im dritten Vortrag “Lo primero para hacer la revolución es ir bien vestida” or What can drag teach us about literature? erläuterte Zairong Xiang (RTG-“Minor Cosmopolitanisms”/ Universität Potsdam), inwiefern das Bild der Feder in der literarischen Produktion des kubanischen Schriftstellers Severo Sarduy einen wichtigen Bezugspunkt zur Reflexion über das Vermächtnis von Lorca und Wilde sowohl in der Queer-Bewegung und -Theorie als auch in der Drag Culture darstellt. Anhand von poststrukturalistischen Begriffen und den Decolonial Studies formulierte Xiang eine kritische Vorgehensweise, die sich stetig den Mechanismen von Stabilisierung widersetzt. Xiang folgerte, dass die Wirkung der Literatur gleichzeitig delokalisiert und delokalisierend sei. In diesem Sinne müssen die Literaturwissenschaftler*Innen die Literatur nie sedimentiert und hegemonisch betrachten. Den Abschluss des ersten Tages bildete das Gespräch mit dem Regisseur Karim Aïnouz, Die Verbindungen zwischen Wort und Bild am Beispiel der besonderen Drehverfahren des Films Viajo porque preciso, volto porque te amo beleuchtet wurden. Nach einer langen Reise in den Nordosten Brasiliens haben sich die Regisseure Aïnouz und Marcelo Gomes gemeinsam entschieden, aus dem entstandenen Material eine Geschichte zu erzählen. Den Übergang zwischen filmischen Gattungen kommentierte Aïnouz in Bezug auf seine früheren und folgenden Projekte.

Laura Gagliardi moderierte die Debatte am dritten Tag, diese fing mit dem Vortrag Spatialités du narrateur et le récit bref dans la littérature brésilienne contemporaine von Prof. Leonardo Tonus (Université Sorbonne Paris IV) an. Mithilfe des Begriffes von „lisualité“ führte Tonus aus, dass sich die poetologische Verbindung zwischen den visuellen und textuellen Elementen eines Textes besonders gut anhand der brasilianischen zeitgenössischen Micro-Erzählungen von Elvira Vigna und João Anzanello Carrascoza veranschaulichen ließe. Im zweiten Vortrag Deferred Homecomings: Spatial Uncertainty in Judith Hermann’s and Alex Epstein’s Fiction setzte sich Prof. Natasha Gordinsky (Haifa University) mit der Idee von De/lokalisierung in den Werken der beiden Autoren auseinander. Nach Gordinsky schaffe Judith Hermann in ihren Erzählungen eine gewisse „räumliche Unsicherheit“ als Ergebnis des permanenten örtlichen Wechsels. Das führe letztendlich dazu, dass die Leser*Innen dazu gezwungen seien, die Lücken der räumlichen Verhältnisse in den Texten selbst auszufüllen. Im Vergleich dazu analysierte Gordinsky die kurzen Geschichten von Epstein insbesondere mit Hinweis auf dem Vortrag von Tonus und dem Begriff von „lisualité“ als auch der bisherigen Diskussion über Bild und Text, die sich zu einem wichtigen Leitmotiv des Workshops geworden war. Den Abschluss des Workshops bildete der Vortrag Lost with a map of labels des brasilianischen Schriftstellers Bernardo Carvalho. Seine Perspektiven auf das Leben und die Literatur in der heutigen Zeit berührte deren wichtigsten Aspekte, so die Idee von kultureller Aneignung und von subjektiver und objektiver Drängung des Marktes auf die literarische Produktion, die Beziehung zwischen peripherischen Ländern zueinander, den Mangel von Verfremdungsstrategien in der Literatur, die Bedeutung von Realismus in der zeitgenössischen Literatur, die Instrumentalisierung der Multikulturalität, die Beschränkungen einer Lektüre, die sich mit dem Allgemeinplatz befriedigt und die Kritik nicht möge.

Schließlich waren die Rückmeldungen der Gäste und des Publikums auf die Vorträge sehr positiv und die Ziele des Workshops wurden erreicht: Durch die zahlreichen Wortmeldungen und dem Austausch zwischen Vortragenden und Publikum, konnten in angenehmer Stimmung neue literaturwissenschaftliche Perspektiven erörtert werden.


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