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Feridun Zaimoglu

Feridun Zaimoglu

Feridun Zaimoglu
Bildquelle: Hans Peter Schaefer

Samuel Fischer-Gastprofessor im Sommersemester 2004

Eine kurze Erzählung von Feridun Zaimoglu trägt den Titel "Militanzskribent" – in gewissem Sinne eine präzise Selbstcharakterisierung, der vermutlich sowohl seine zahlreichen Leser als auch seine nicht wenigen Kritiker einhellig zustimmen würden.
Denn der literarische Anspruch des 1964 im anatolischen Bolu geborenen Journalisten, Drehbuchautors und Schriftstellers, der seit fast 35 Jahren in Deutschland lebt und in Kiel Kunst und Medizin studierte, ist die engagierte "Öffentlichkeitsarbeit" für eine heimatlos gewordene Generation, deren Mitglieder in Deutschland als 'Kanaken' und in der Türkei als 'Deutschländer' ausgegrenzt werden. Doch gerade als Reaktion auf diese Nichtakzeptanz fordert er ein selbstbewußtes Auftreten, spricht sich gegen eine strikte Festlegung auf eine der beiden Identitäten aus und hält nichts von einer den Einzelnen einschränkenden Integrationspolitik. Daß er damit zuweilen heftige Diskussionen auslöst, ist dann schon als Erfolg seiner Bemühungen anzusehen und hat ihm die Bezeichnung "Malcolm X der deutschen Türken" eingebracht.
Sichtbarster Ausdruck dieser offensiven Position ist die mit seinen Büchern Kanak Sprak, Abschaum und Koppstoff sowie dem Film Kanak Attack ins gesamtdeutsche Bewußtsein gerückte Sprache junger Türken. Aus der Mischung von antiquiertem Türkisch der Eltern und deutsch-englischer Umgangssprache, die meist exzessiven Gebrauch von obszönen Redewendungen mit einem hohen Anteil an Fäkalausdrücken macht, entwickelte Feridun Zaimoglu eine literarische Ausdrucksweise, die fernab von political correctness nicht beschönigen, sondern vor allem dokumentieren und provozieren will.
Thematisch ist Feridun Zaimoglu in seinen Zeitungskolumnen, Reportagen und Büchern seinem streitbaren Anspruch treu geblieben, wenngleich er sich immer häufiger in verschiedenen Genres bewegt. Neben dem Briefroman Liebesmale, scharlachrot, der Kriminalkomödie Leinwand und dem jüngst erschienenen Erzählband Zwölf Gramm Glück, der unter anderem die mit dem Jury-Preis der Klagenfurter Literaturtage 2003 ausgezeichnete Erzählung „Häute“ enthält, entrümpelte er die deutsche Übersetzung von Shakespeares Othello von allem beschönigenden Sprachschmuck und nagelte das Stück ungeschminkt auf die Bühnenbretter.