Springe direkt zu Inhalt

Gender

Im Mittelalter wurde Geschlecht rhetorisch konstruiert und in einem Spektrum von Zuschreibungen verhandelt. Die Sieben Weisen verdeutlichen solche Aushandlungen von Geschlecht in besonders auffälliger Weise. In den meisten Versionen diskutiert die Handlung Aspekte wie das Verkleiden, die Fluidität von Geschlechterrollen und nicht konformistische Geschlechtskörper; die notorische Verwendung immer gleicher Stereotype und nicht zuletzt die Anwendung von Gewalt bestätigen, dass eine hierarchische Geschlechterbinarität iterativ zu konstruieren und nicht selbstverständlich aufrechtzuerhalten ist.
Die Seven Sages werden aufgrund ihres explizit geäußerten Misstrauens gegenüber allen Frauen und der Darstellung der weiblichen Protagonistin als rachsüchtiger, verlogener und lüsterner Femme fatale sehr oft als misogyn etikettiert. Wir schlagen einen neuen Ansatz vor: Ohne die misogyne Tendenz zu leugnen, sehen wir Möglichkeiten dekonstruktiver Gegenlektüren. Wir untersuchen, wie die Texte die Protagonistin in einem geschlechtlich codierten Macht- und Herrschaftsraum verorten und ihre Schwierigkeiten damit zum Ausdruck bringen: Zum Beispiel ist ihre Position als Frau von hohem Adelsstand ohne eigene Kinder oder die Ehe mit einem deutlich älteren Mann unter genealogischen und erb- und eherechtlichen Gesichtspunkten ungesichert, ja prekär. Unser intersektionaler Ansatz zum Verhältnis von Geschlecht, sozialem Status, Sexualität, Ethnizität und Religion kann ferner dazu beitragen zu verstehen, wie transkulturelle Transfers der Erzählung ihre Inhalte rekonfiguriert.