Maximilian Mengeringhaus

Das deutschsprachige Langgedicht 1945 - 1979
14195 Berlin
Maximilian Mengeringhaus, geboren 1988 in Solingen, studierte Deutsche Sprache u. Literatur und Philosophie in Köln. Im Anschluss an das Studium zweijährige Tätigkeit zunächst als Volontär, dann als Pressereferent im Suhrkamp Verlag.
Das deutschsprachige Langgedicht 1945 - 1979
Walter Höllerers Thesen zum langen Gedicht (1965) kommt das Verdienst zu, die Bandbreite der lyrischen Formen für die deutschsprachige Literatur öffentlichkeitswirksam und nachhaltig um das Langgedicht erweitert zu haben.
Für die Lyriktheorie, deren Parameter sich mit der idealistischen Ästhetik auf einen Prototyp des 'kurzen', momentgebundenen, subjektiven Gedichts festgelegt haben, verkörpert das lange Gedicht grundlegend den Stresstest des eigenen Legitimationsanspruchs, eine verbindliche, die varietas carminum einende Definition dessen zu präsentieren, was Lyrik sei und ausschließlich sein könne.
In Theorie und Praxis überschreitet das Langgedicht die gattungstheoretischen Grenzen der Lyriktheorie. Anstelle emphatischer Momentbezogenheit setzt es die Re-/Konstruktion von Geschichte und Traditionslinien; der subjektiven Aussprache wird nicht selten eine Pluralität der Stimmen entgegensetzt.
Die Erprobung von Modellen (idealer) sozialer Ordnung – die nicht selten der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung der Zeit diametral gegenübersteht – stellt ein Aliegen einer Poetologie des Langgedichts dar, wie sie das Dissertationsprojekt nachzuzeichnen gedenkt. Die Funktionsweisen, mit denen das Langgedicht in den lyriktheoretischen Debatten der Nachkriegszeit vonseiten seiner Fürsprecher aufgeladen wird, erstrecken sich jedoch bis in die Ordnung des Textes hinein. Verstheoretische Fragestellungen werden ebenso verhandelt wie das traditionelle Druckbild der Textseite.
Für die deutschsprachige Lyrik nach 1945 versinnbildlicht das Langgedicht die Möglichkeit, die Bedingungen des durch die NS-Herrschaft kompromittierten lyrischen – und auch epischen – Sprechens zu hinterfragen und den restaurativen Tendenzen der Nachkriegszeit ein Wertesystem entgegenzusetzen, das eine Neuordnung des sozialen Raums erlaubt, ohne unmittelbar geschichtsvergessen in kosmologische Zusammenhänge abzudriften. Walter Höllerers Engagement solch einer progressiv gedachten Theorie der Lyrik (ebenfalls 1965) geht dabei die nur in Ansätzen ausgeführte Pionierarbeit Rainer Maria Gerhardts voran. Der für die junge BRD so maßgeblichen Rezeption T. S. Eliots gilt es entsprechend die Bedeutung der eher verdeckt vermittelten Poetologie Ezra Pounds an die Seite zu stellen, um schließlich die dichtungstheoretischen Konzeptionen Charles Olsons als Auftakt zu einer "nachpoundischen ära" (R. M. Gerhardt) zu begreifen. Hinzu kommen die – auch für die Lyrik in der DDR – bedeutsamen Anschlüsse an das Werk Pablo Nerudas und das sozialistische Poem. Grundlegend darf die Bedeutung der Rezeption von Übersetzungen fremdsprachiger Texte für die Lyrik/-theorie des 20. und 21. Jahrhunderts keineswegs unterschätzt werden.
Im Literaturbetrieb wie auch in der Literaturwissenschaft kann das Langgedicht mittlerweile als begrifflich etabliert angesehen werden; freilich als Terminus, der keineswegs einer trennscharfen Definition folgt. Eine solche definitorische Begriffsexplikation strebt das Dissertationsprojekt denn auch nicht an. Vielmehr sollen anhand lyriktheoretischer Debatten und ausgewählter Werke Stationen einer vielgestaltigen und -stimmigen Poetologie des Langgedichts aufgezeichnet werden, die das Langgedicht als Vehikel im Zuge einer Überschreitung der Lyriktheorie selbst begreift.
Das Textkorpus bilden u.a. Werke von: Erich Arendt, H. C. Artmann, Jürgen Becker, Gerald Bisinger, Nicolas Born, Volker Braun, Rolf Dieter Brinkmann, T. S. Eliot, Hans Magnus Enzensberger, Rainer Maria Gerhardt, Walter Höllerer, Ernst Jandl, Friederike Mayröcker, Pablo Neruda, Charles Olson, Ezra Pound, Helmut Salzinger.
Aufsätze und Essays Die These vom langen Gedicht. Walter Höllerer und das deutschsprachige Langgedicht. - In: Zeitschrift für Germanistik. Neue Folge XXX, H. 3 (2020), S. 594-608. Nebulisten und Pedanten. Hermeneutik und Kritik der Gegenwartslyrik. - In: Transitor. Zeitschrift für zeitgenössische Dichtung. 1 (2019), S. 82-87. Was dichten heißt. Die Haltung des Schriftstellers zur Sprache. - In: TEXT+KRITIK. Zeitschrift für Literatur. MARCEL BEYER. Heft 218/219 (2018), S. 61-70. Geisterstädte. Landschaftslyrik auf dem Weg ins Anthropozän. - In: schliff. Literaturzeitschrift. No. 8 - Landschaft (2018), S. 137-146. Über den Berg. Thomas Klings Gesang von der Bronchoskopie. – In: die horen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik. Bd. 266 (2017), S. 221-225.
Die notwendige Lektüre. Zur Sprache und Politik der Literatur im Werk Marcel Beyers. – In: translit 2015. Marcel Beyer. Hg. von Torsten Hahn und Christof Hamann. Köln: Verlag der Buchhandlung Klaus Bittner 2016, S. 137-155.
Der große Erinnerer. – In: Dem Meister des langen Atems. Paulus Böhmer zu Ehren. Hg. von Jan Röhnert und Romina Nikolić. Frankfurt a/M: Edition Faust 2016, S. 115-120. "Die Form des DFB ist das Barockgedicht.“ Deutschsprachige Lyrik über Fußball. – In: Susanne Catrein / Christof Hamann (Hg.): Was Fußball macht: zur Kultur unseres Lieblingsspiels. Göttingen: Steidl 2014, S. 75-90. Die Menschen – Die Götter. Kate Tempests Brandneue Klassiker. (URL: http://www.logbuch-suhrkamp.de/maximilian-mengeringhaus/die-menschen-die-goetter/) Leben ist zu viel. Zum 90. Geburtstags des Dichters Paul Blackburn. (URL: http://www.logbuch-suhrkamp.de/maximilian-mengeringhaus/leben-ist-zu-viel/) „Zur Hölle mit den kurzen Gedichten, zu Höllerer mit den langen.“ Die Erfindung des deutschsprachigen Langgedichts. (URL: http://www.logbuch-suhrkamp.de/maximilian-mengeringhaus/zur-hoelle-mit-den-kurzen-gedichten/)
Rezensionen Warum in der Ferne leiden. Urlaub vom Urlaub: Valentin Groebner sinnt darüber nach, warum touristisches Reisen unglücklich macht. Tagesspiegel vom 15.7.2020 (URL: https://www.tagesspiegel.de/kultur/reisen-als-zwang-warum-in-der-ferne-leiden/26003598.html) Narben des Jahrhunderts. Deutsches Panorama des 20. Jahrhunderts: Der Goethe-Forscher Albrecht Schöne schreibt über sein Germanistenleben. Tagesspiegel vom 8.7.2020 (URL: https://www.tagesspiegel.de/kultur/albrecht-schoenes-erinnerungen-narben-des-jahrhunderts/25983524.html) Von den Rändern her? Mit gleich drei neuen Übersetzungen nimmt der Theorieimport des französischen Philosophen Jacques Rancière ungebremst seinen Lauf. (URL: https://literaturkritik.de/ranciere-an-raendern-politischen-ranciere-raender-fiktion-ranciere-verfahren-szene-raendern-her,26541.html) Wir sind viele. In zwei reden reflektiert Monika Rinck über die soziale Bindungskraft von Dichtung. (URL: https://literaturkritik.de/rinck-heida-heida-he-rinck-wirksame-fiktionen-wir-sind-viele-zwei-reden-reflektiert-monika-rinck-ueber-soziale-bindungskraft-dichtung,26442.html)
Come gather ‘round friends and I‘ll tell you a Tael. Daniel Falb hat als Schriftsteller zwei Berufe – Lyriker und Philosoph – und ein Thema: das Anthropozän. (URL: https://www.lyrikkritik.de/blatt/gastbeitrag-von-max-mengeringhaus/) Die Ohren auf den Schienen der Lyrikgeschichte. „The Poets’ Collection“ bietet Highlights englischsprachiger Dichtung der vergangenen 130 Jahre. (URL: https://literaturkritik.de/die-ohren-auf-schienen-lyrikgeschichte-the-poets-collection-bietet-highlights-englischsprachiger-dichtung-vergangenen-130-jahre,25551.html) Gründungsakt der Ezuversity. "Der Geist der Romantik" zeigt den jungen Ezra Pound bei der Ausarbeitung seiner Dichtungstheorie für die Hochmoderne. (URL: https://literaturkritik.de/pound-der-geist-der-romantik-gruendungsakt-der-ezuversity,25365.html) Kritische Theorie als Stille Post. Wolfgang Johann beleuchtet Das Diktum Adornos: Über die wechselhafte Rezeptionsgeschichte der vielleicht bedeutendsten Streitformel der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur. (URL: https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=25046) Auf die Sprache kommt es an. Das Jahrbuch der Lyrik 2018 stellt sich dem Zeitgeist entgegen. (URL: https://literaturkritik.de/buchwald-bleutge-jahrbuch-lyrik-2018-auf-sprache-kommt-es-an-jahrbuch-lyrik-2018-stellt-sich-zeitgeist-entgegen,24923.html)
It’s politics, stupid! Über das Jahrbuch der Lyrik 2017. (URL: http://stellwerk-magazin.de/magazin/artikel/2017-10-10-its-politics-stupid) Vorträge Pecha Kuchas im Rahmen der Akademie zur Lyrikkritik (Haus für Poesie) (URL: https://www.lyrikkritik.de/pechakucha/max-mengeringhaus-v/) |