Barbara Bausch
Poetik der Störung. Realitätsverhältnis experimentellen Schreibens: Ror Wolfs lange Prosa im Kontext der 1950er-1980er Jahre
Raum JK 33/103
14195 Berlin
Sprechstunde
Nach Vereinbarung per Mail.
Barbara Bausch studierte Germanistik und Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der FU Berlin, gefördert wurde sie dabei von der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Von 2013 bis 2014 lehrte sie als Lektorin der Robert Bosch Stiftung in der Ukraine Literaturwissenschaft an der Universität Sumy und führte in der Ukraine wie in Belarus internationale Kulturprojekte durch. Von 2014 bis 2017 war sie als freie Lektorin im Bereich Sachbuch und Belletristik sowie als Programmkoordinatorin für die Robert Bosch Stiftung tätig. 2017 erhielt sie ein Einstein-Projektstipendium der Friedrich Schlegel Graduiertenschule und promoviert seit 2018 unter Betreuung von Prof. Jutta Müller-Tamm und Prof. Michael Gamper an der Graduiertenschule zur Poetik der Störung in der Prosa Ror Wolfs. Im autumn term 2019 war sie visiting scholar am Department of Germanic Studies der University of Chicago.
Gemeinsam mit Dr. Julia Weber veranstaltet sie seit 2018 die Reihe Literatur x Wissenschaft, die dem verstärkten Austausch zwischen Literaturwissenschaftler·innen und Autor·innen gewidmet ist.
Ehebruchnarrative im langen 19. Jahrhundert. BA-Seminar, FU Berlin: Institut für Deutsche und Niederländische Philologie, Sommersemester 2022.
Standortbestimmungen. Strategien der (Selbst-)Positionierung in der Gegenwartsliteratur. MA-Seminar mit Dr. Julia Weber, FU Berlin: Peter Szondi-Institut, Wintersemester 2021.
Die Störung des Ganzen. Poetik der Felder, Ränder und gaps in der deutschsprachigen Neoavantgarde. Gastvortrag im MA-Seminar The limits of the Text. Experimental Writing in the 1970s von Dr. André Otto und Dr. Julia Weber, HU Berlin: Department of English and American Studies und FU Berlin: Peter Szondi-Institut, Sommersemester 2021 (20. Mai 2021).
Wirklichkeit erzählen. Spielarten des Realismus vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. BA-Seminar mit Dr. Julia Weber, FU Berlin: Peter Szondi-Institut, Sommersemester 2020.
Oben/Unten. Gastvortrag zur Figur des Akrobaten im Rahmen der Gestaltungsklasse von Malin Gewinner und Marion Kliesch, Universität der Künste Berlin, Sommersemester 2019 (16. Mai 2019). Gemeinsam mit Anna Luhn.
Dissertationsprojekt
Der im Forschungskontext bislang wenig rezipierte Autor Ror Wolf wurde in Rezensionen aufgrund seiner experimentellen Verfahren oft als ‚Sprachspieler‘ rubriziert, er selbst hingegen nennt sich, wenn auch augenzwinkernd, einen ‚radikalen Realisten‘. Mit diesen Positionen ist grob das Spannungsfeld abgesteckt, das meine Dissertation auszuloten sucht: Im Zentrum der Analysen steht ein tradierte Erzählverfahren weit hinter sich lassendes Prosaschreiben, das aufgrund der Vielfalt und Omnipräsenz der verfolgten Störstrategien als ‚Poetik der Störung‘ konturiert wird. Mit dieser Poetik rückt auch der spezifische ‚Realismus‘ der wolfschen Prosa in den Blick. Die langen Prosaarbeiten modellieren, so die Leitthese, ihren Zugriff auf Wirklichkeit gerade durch Praktiken des Störens, welche unter anderem die Störung der Darstellungsfunktion der Sprache, des flüssigen Fortgangs der Prosa oder der Idee des Textes als ‚Ganzem‘ umfassen. Fernab realistischer Verfahrensweisen reicht Wolfs Wirklichkeitszugriff von Formen der Offenlegung der eigenen (medialen) Realität als literarischer Text über die Reflexion von Möglichkeiten der Repräsentation und des Wirklichkeitsverhältnisses des modernen Subjekts hin zu kritischen referenziellen Bezugnahmen auf gesellschaftliche Realität. In Wolfs Poetik artikuliert sich einerseits ein Begehren nach der Sichtbarmachung eines sprachlich nicht-repräsentierbaren Realen; zugleich wird dieses Begehren als utopisches Streben markiert, das – wenn überhaupt – nur in der Lektüre zur Realisierung finden kann. Anhand von vergleichenden Bezugnahmen auf Prosaarbeiten und poetologische Reflexionen zeitgenössischer Autor·innen (z.B. Samuel Beckett, Franz Mon, Friederike Mayröcker, Peter Weiss, Claude Simon, Gisela Elsner, Arno Schmidt, Konrad Bayer oder Elfriede Jelinek) wird kenntlich, dass sich Ror Wolf, der zeitlebens eine Randposition im Literaturbetrieb innehatte, im Schnittpunkt verschiedenster literarischer und gesellschaftlicher Suchbewegungen seiner Zeit befindet. Wolfs experimentelle und engagierte Poetik der Störung ist hierbei insbesondere im Kontext der 1960er Jahre zu lesen, in denen sie sich herausbildet: Sie speist sich aus literarischen Strömungen der 1950er und frühen 1960er Jahre, atmet den provokativen Aufbruchsgeist von ‚1968‘ und bereitet Entwicklungen vor, die erst im weiteren historischen Verlauf zu voller Blüte gelangen.
Vorträge
„Vielleicht Polzer. Eventualität und Kontingenz in Ror Wolfs Abenteuerserie ›Pilzer und Pelzer‹”, Vielleicht. Formen literarischer Eventualität. Jahrestagung der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien, 9. und 10. November 2018.
„Ausbrüche, Einbrüche, Abbrüche”, Konferenz des Europäischen Netzwerks für Studien zu Avantgarde und Moderne (EAM) Realismen der Avantgarden, 5.−7. September 2018.
„Apparitions of the Real. Disruptions in the prose of Ror Wolf”, Konferenz Realisms, Universität Göttingen, 5. und 6. Juli 2018.
„Realismus in der Prosa Ror Wolfs”, Summerschool Rückkehr des Wirklichen. Neuer Realismus und Gegenwartsliteratur, Universität Tübingen, 9.−11. Mai 2018.
Veranstaltungskonzeption
Literatur x Wissenschaft: Realismus. Position beziehen (Colloquium). Moderiert von Julia Weber und Barbara Bausch. Lettrétage Berlin, 6. September 2019
Drahtseilakte. Lesung, Screening und Gespräch zum Akrobatischen mit Jule Böwe, Ann Cotten, Jana Korb und Benjamin Zuber, moderiert von Anna Luhn, Literarisches Colloquium Berlin, 9. Mai 2019
Literatur x Wissenschaft: Etablierte Konzepte und zeitgenössische Schreibstrategien des Realismus (Colloquium). Moderiert von Julia Weber und Barbara Bausch. Lettrétage Berlin, 26. November 2018
Literatur x Wissenschaft: Transplantationen der Literatur. Prof. Irmela Krüger-Fürhoff und Sabine Gruber im Gespräch. Lettrétage Berlin, 26. November 2018
Vielleicht. Formen literarischer Eventualität. Jahrestagung der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien, ICI Berlin, 9. und 10. November 2018
Herausgeberschaft
Vítezslav Nezval: Akrobat. Hrsg. von Barbara Bausch u. Anna Luhn, übers. von Barbara Bausch u. Eva Dymáková. Leipzig: Spector Books 2021.
Aufsätze
„‛should I call it horror’? Reflecting Realism by exploring Contingency: Ror Wolf’s Adventure Series Pilzer und Pelzer”, in: Jens Elze, Realism: Origins, Challenges, and Politics, London: Bloomsbury 2022 [im Erscheinen].
„Vollkommenheit oder Fall“ [Nachwort]. In: Vítězslav Nezval: Akrobat. Hrsg. von Barbara Bausch u. Anna Luhn, übers. von Barbara Bausch u. Eva Dymáková. Leipzig: Spector Books 2021. Mit Anna Luhn.
„Prosa – Zur Geschichte und Theorie einer vernachlässigten Kategorie der Literaturwissenschaften. Komparatistische Tagung.” In: Zeitschrift für Germanistik 1/2019. Mit Felix Reinstadler.
„Poetik des Erinnerns. Erinnern als Motiv und Methode in Poetikvorlesungen des letzten Jahrzehnts.” In: Delhey, Yvonne / Krauss, Hannes (Hrsg.): Sinn stiften: literarische Gedächtniskonstruktionen. Essener Schriften zur Sprach-, Kultur- und Literaturwissenschaft Bd. 9 (2016), S. 164–176.
„Literatur der Gegenwart. Zum Umgang mit Geschichte in Roman Ehrlichs Debütroman ›Das kalte Jahr‹.” In: Kritische Ausgabe – Zeitschrift für Germanistik & Literatur Nr. 25 (2013), S. 16–19.
Übersetzungen
Vítezslav Nezval: Akrobat. Hrsg. von Barbara Bausch u. Anna Luhn, übers. von Barbara Bausch u. Eva Dymáková. Leipzig: Spector Books 2021.