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Genre Trouble und kein Ende? – Ein Workshop zu neueren und neuesten Theorien literarischer Gattungen

Plakat_Genre Trouble

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Workshop-Genre Trouble und kein Ende

Workshop-Genre Trouble und kein Ende

Workshop-Genre Trouble und kein Ende

Workshop-Genre Trouble und kein Ende

Datum: 10.–11.05.2019
Ort: Am Freitag, den 10.05.2019 in KL 29/237 und am Samstag, den 11.05.2019 in JK 33/121
Organisation: Vivien Bruns und Bettina Bohle
Anmeldungen: bis zum 12.04.2019 an Vivien Bruns, bruns1993@zedat.fu-berlin.de

Der Workshop „Genre Trouble und kein Ende?!“, der in Kooperation mit dem an der Ruhr-Universität Bochum angesiedelten DFG-Projekt „Der Christus patiens und die Poiesis der griechischen Cento-Dichtungen" stattfand, schloss an die Summer School 2018 der FSGS zum Thema „Genre Trouble – Poetik und Politik der Gattungen“ an. Vivien Bruns (FSGS), schon bei der Summer School als Organisatorin beteiligt, und Bettina Bohle (Ruhr-Universität Bochum), Impulsgeberin der Summer School, wollten noch offenen Fragen insbesondere in Bezug auf den Begriff Gattung nachgehen, weswegen der Workshop „Genre Trouble und kein Ende?!“ organisiert wurde.

Den Workshop-Auftakt machte Prof. Dr. Klaus Hempfer, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Forschung zu literarischen Gattungen. Hempfers Vortrag schloss an sein einflussreiches Buch „Gattungstheorie“ von 1973 und die Wiederaufnahme und Modifizierung seiner Positionen in seinem Buch „ Literaturwissenschaft – Grundlagen einer systematischen Theorie“ aus dem Jahre 2018 an. Hempfer ordnete Fragen der Gattungszuordnung und –bestimmung zunächst als Sprachprobleme ein. Er unterschied dann verschiedene Weisen der Einordnung, „erzählen“ sei bspw. etwas anderes als ein Roman, die Unterscheidung zwischen Schreibweise und Gattung sei also weiterhin von Bedeutung. Die Suche nach einem Archetyp, ein weiterer wichtiger Begriff für Hempfer, solle insofern erweitert werden, als es immer über die Zeit hinweg mehrere Archetypen für die verschiedenen Gattungen gebe. Generell komme immer wieder die Frage nach der Reinform einer Gattung auf, eher solle man jedoch auf die Generizität von Regeln und die Regelgeleitetheit von Gattungsbestimmungen abheben. Hempfer empfahl Gattungen nicht als Institutionen, die verbindliche Normen implizierten, sondern als diskursive oder transphrastische Konventionen zu fassen, wobei er an einen Foucault’schen Diskursbegriff, jedoch ohne Diskurs als Praxis zu verstehen, anknüpfte und auch auf die Bestimmung von Diskursen durch Titzmann verwies.

Den zweiten Impulsvortrag hielt Dr. Johanna-Charlotte Horst von der LMU München, die bereits bei der Summer School 2018 als Teilnehmerin eingeladen war. Horst stieg in ihren Vortrag ein mit einem Gedankenspiel zu Judith Butler, bei dem „Gender Trouble“ zu einem Nachdenken über „Genre Trouble“ wurde. Im Hauptteil ihres Vortrags beschäftigte sich Horst mit der Auerbachschen Deutung von Flauberts „Madame Bovary“ und beleuchtete, auch mithilfe von Überlegungen von Friedrich Balke, die Auerbachsche Deutung der Darstellung des Alltäglichen als ernste Tragik. Die Referentin bezog sich dabei mehrfach auf ihren Austausch mit Martin von Koppenfels zu diesem Thema. Alltägliches komme in traditionellen Gattungskategorien nicht vor, es gebe zwar hohe und niedrige Stilebenen, aber das niedere Genre sei eigentlich immer gleichzeitig mit Komik verbunden, eine ernste Nachahmung des Alltäglichen gebe es vor dem 19. Jh. nicht. Für die Beschreibung solcher Veränderungen sei die Auerbachsche Ablehnung von Gattungshierarchien und eine Annäherung über genaue Beschreibung des literarischen Geschehens hilfreich, wie sie eben in dem berühmten „Mimesis“-Buch von Auerbach vorgemacht und in seinem Aufsatz ebenfalls vollzogen werde. Bei einem der Auerbachschen Einbrüche in der mimesis gehe es um Demokratisierung und diese könne man eben auch an Flaubert und der Darstellung des Alltäglichen wiederfinden. In der anschließenden Plenumsdiskussion waren es v.a. der auerbachsche figura-Begriff und seine Deutung, die zu lebhaftem Austausch führten.

Nach der Mittagspause ging es mit einem Impulsreferat von Ramunė Markevičiūtė weiter, die auf Pierre Bourdieu und Bruno Latour Bezug nahm und die Bedeutung von Netzwerken, die nicht allein literarische Werke, sondern alle Gegenstände und Personen der Welt beinhalten, die sich gegenseitig in verschiedenster Weise beeinflussen. Auf dieser Basis unternahm Markevičiūtė eine Deutung der Gattung des Lehrgedichts, das sich weder durch formale noch durch inhaltliche Merkmale gut greifen lässt. Über eine Deutung der in Lehrgedichten beschriebenen Dinge als einer Art Agenten ließe sich eher eine Gruppe herstellen, so Markevičiūtė These, die mit ihrem Vortrag auch ihr Dissertationsprojekt vorstellte, das sie in der DFG-Forschungsgruppe FOR 2305 "Diskursivierungen von Neuem. Tradition und Novation in Texten und Bildern des Mittelalters und der Frühen Neuzeit" ausarbeitet. In der Diskussion erwies sich der Netzwerkgedanke als sehr fruchtbar für ein weiteres Nachdenken über Gattungen und die Gattung des Lehrgedichts mit all ihren Fragen als guter Prüfstein für Versuche, den Gattungsbegriff zu schärfen.

Das letzte Impulsreferat kam von einer der Workshop-Organisatorinnen, Bettina Bohle, die schon in verschiedenen Wortmeldungen über den Tag hinweg immer wieder dafür geworben hatte, den Gattungsbegriff möglichst offen und unkompliziert zu halten und vor allem auf die jeweilige Funktion zu schauen, die aber stark, so machte sie ihn ihrem Vortrag deutlich, von den jeweiligen Zugängen und Interessen derer abhinge, die mit Gattungsbegriffen umgehen, sowohl auf Produzenten- wie auf Rezipientenseite. So habe ein Verlag andere Interessen bei einer Gattungszuordnung als ein/e AutorIn, die sich durch Aufgreifen bestimmter Merkmale in eine bestimmte Tradition einschrieben. Mithilfe des evolutionären Begriffsmodells von Stephen Toulmin unternahm es Bohle, die Prozesse rund um Gattungsbildung und –entwicklung nachzuzeichnen, die auch von Dingen wie Autorität und (wissenschaftliche) Institutionen abhingen. Das Zuordnen zu Gruppen, das mit Gattungsbegriffen vorgenommen wird, könne insgesamt als ein Versuch verstanden werden, durch das Hervorheben von Gemeinsamkeiten Unterschiede in den Einzelwerken besser sichtbar zu machen.

Schon vor der Mittagspause hatten Bettina Bohle, Maurice Parussel und Manuel Baumbach kurz das Bochumer Projekt zu Griechischen Centones vorgestellt, das eine digitale Edition des längsten der griechischen Centones plant und durch seine starke Intertextualität ganz allgemeine Fragen danach aufwirft, was von welchem Rezipienten wie wahrgenommen werden kann und soll und wie sich Texte, auch (aber nicht nur) bezüglich ihrer Gattungszugehörigkeit eigentlich konstituieren. In der Abschlussdiskussion wurden die Debatten des Tages noch einmal auf wichtige Punkte und offene Fragen hin abgeklopft. Hierbei war ein Schwerpunkt der Theoretiker Wittgenstein und seine Ausführungen zu Familienähnlichkeit, die noch einmal auf ihren Gehalt und ihre Anschlussfähigkeit geprüft wurden, aber auch die Diskussion rund ums Lehrgedicht wurde noch einmal aufgenommen. Einen schönen Abschluss fand der Workshop bei einem gemeinsamen Abendessen der WorkshopteilnehmerInnen.


Programm

Freitag, 10.05.2019

08:45 Uhr                   Eintreffen der Gäste

09:15–09:30 Uhr        Begrüßung

09:30–10:15 Uhr        Impulsvortrag von Prof. Dr. Klaus W. Hempfer (FU Berlin)

10:15–11:00 Uhr        Impulsvortrag von Dr. Johanna-Charlotte Horst (LMU München)

11:00–11:15 Uhr        Kaffeepause

11:15–12:15 Uhr        Kleingruppenarbeit zu Impulsvorträgen/Readertexten

12:15–13:30 Uhr        Mittagessen

13:30–14:15 Uhr        Impulsvortrag von Ramunė Markevičiūtė (FU Berlin)

14:15–15:00 Uhr        Impulsvortrag von Bettina Bohle (RU Bochum)

15:00–15:15 Uhr        Kaffeepause

15:15–16:15 Uhr        Kleingruppenarbeit zu Impulsvorträgen/Readertexten

16:15–18:00 Uhr        Plenum – Zusammentragen/Diskussion

18:00 Uhr                   Abendessen

 

Samstag, 11.05.2019

09:00 Uhr                   Eintreffen der Gäste

09:15–09:30 Uhr        kurze Begrüßung

09:30–11:00 Uhr        Kleingruppenarbeit – Anwendung der Theorien auf eigene Arbeit

11:00–11:30 Uhr        Kaffeepause

11:30 Uhr                   Abschlussdiskussion

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