Gastfeindschaft? Aporien des Umgangs mit dem Anderen in Literatur und Literaturwissenschaft
Zweitägige Konferenz der Graduiertenschule in Kooperation mit dem ICI Berlin
Datum: 10.–11.11.2015Ort: ICI Berlin Institute for Cultural Inquiry, Christinenstraße 18–19, Haus 8,10119 Berlin
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Pressemitteilung der FU
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Podiumsdiskussion
„Besteht Gastfreundschaft darin, dem Ankömmling Fragen zu stellen? Oder beginnt die Gastfreundschaft damit, dass man empfängt ohne zu fragen?“ Jacques Derridas Überlegungen sind brisanter denn je. Wer gastfreundlich ist, öffnet einem Fremden die Tür – unter der Maßgabe, dass der Gast bestimmten Gesetzen oder Sitten nicht zuwider handle. Gleichzeitig bedeutet unbedingte Gastfreundschaft Derrida zufolge aber auch: Nicht zu wissen, wer der Gast ist, nicht, ob er „Gast ist und nicht Mörder“ – sich auf das absolut Andere einzulassen. Muss man Gastfreundschaft (hospitalité) und Feindschaft (hostilité) zusammen denken? Derrida schlägt dafür den Terminus hostipitalité vor – Gastfeindschaft.
Hält Literatur Möglichkeiten bereit, Aporien, die sich aus der Begegnung von Eigenem und Fremdem ergeben, zu überwinden? Etwa durch die Vorstellung anderer Formen von Gemeinschaft, durch die Dekonstruktion scheinbar klarer Grenzziehungen, durch Subversion der Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremdem? Können in der Literatur Strategien des Zusammenlebens außerhalb eines juristischen Paradigmas verhandelt werden? Oder besteht das Potential von Literatur gerade darin, diese Aporien nicht auflösen zu wollen, sondern zuzuspitzen?
„Er tut uns nichts, aber er ist uns lästig, das ist genug getan“, heißt es in einem kurzen, postum mit Gemeinschaft betitelten Text Kafkas. Indem wir vorschlagen, im Blick auf die Literatur dezidiert ästhetische Strategien von Exklusion, vorgetäuschter Legitimation und von selbstentlarvender Scheinargumentation zu untersuchen und zu diskutieren, wollen wir nach alternativen Formen des Umgangs mit Anderen fragen.
10. November 2015
9.00–9.15 Uhr: Tagungseröffnung
Panel 1 (9.15–13.00 Uhr)
Reiseliteratur als Konstruktions- und Erfahrungsraum von Hospitalität und Hostilität
9.15 Einführung
9.30 Hans-Jürgen Lüsebrink (Saarbrücken): Interkulturelle Dialogizität und koloniale Gewalt. Zur Dynamik interkultureller Begegnungssituationen in französischen und spanischen Reiseberichten des 16.-18. Jahrhunderts (Bernal Diaz Del Castillo, La Hontan, Bougainville)
10.20 Gabriele Jancke (Berlin): Gastlichkeit in der Frühen Neuzeit zwischen Freundschaft, Feindschaft und Fremdheit. Reisen, Gruppenkulturen und eine Ökonomie sozialer Beziehungen.
11.10 Pause
11.40 Alexander Honold (Basel): Undankbare Gäste. Szenarien der Fremdheit zwischen Migrationserfahrung und Assimilationserwartung
12.30 Abschlussdiskussion
13.00 Mittagspause
Panel 2 (14.30–18.30 Uhr)
Literatur und Gemeinschaft
14.30 Einführung
14.45 Vivian Liska (Antwerpen): Kafkas Gemeinschaften
15.30 Anselm Haverkamp (München): Allotria: “elle dit une chose terrifiante, Antigone.”
16.15 Pause
16:45 Esther von der Osten (Berlin): Filmvortrag: Theater der Gastfreundschaft. Le dernier caravansérail des Théâtre du Soleil
18:15 Pause
Podiumsdiskussion (19.00–20.30 Uhr):
Literatur und Engagement
mit Irena Brezna, Julya Rabinowich und Kathrin Röggla
Die Aufzeichnung der Podiumsdiskussion finden Sie hier.
11. November 2015
Panel 3 (9.00–13.00 Uhr)
Gäste in der Fremde? Perspektiven der Exilliteratur auf eine Gegenwart der Migration
9:00 Einführung
9:10 Nadja Eckes (Berlin): „Das plötzliche Land / duftet nach Zeder und Zimt“. Zu einer Poetologie der U-topie bei Rose Ausländer und Nelly Sachs
9:40 Oksana Stoychuk (Berlin): Transkulturelle Verfahren bei Emine Sevgi Özdamar, Terézia Mora und Nellja Veremej
10:10 Response: Irmela von der Lühe (Berlin)
10:40 Pause
11:10 Johannes Stobbe (Berlin): “Steinerner Gast”. Migrationsliterarische Perspektiven auf Hermann Brochs Roman Die Schuldlosen
11:40 Wiebke Sievers (Wien): Zur Bedeutung des Exils bei Vladimir Vertlib
12:10 Response: Andree Michaelis (Frankfurt/Oder)
13.00 Mittagspause
Panel 4 (14.30–18.30 Uhr)
Flüchtlinge in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur
14.30 Einführung
14.40 Doerte Bischoff (Hamburg): Flüchtlinge der NS-Zeit in der Gegenwartsliteratur
15.30 Hansjörg Bay (Köln): Migration, postheroisch. Zu Sherko Fatahs Das dunkle Schiff
16.00 Pause
16.30 Sarah Steidl (Hamburg): 8x Flucht. Wie viele Flüchtlinge ist ein Flüchtling? Versuch der Definition eines vielschichtigen Begriffes anlässlich der Lektüre von Abbas Khiders Der falsche Inder
17.00 Ivo Theele (Flensburg): Der “Schlepper”, das unbekannte Wesen
17.30 Kyung-Ho Cha (Bayreuth):Die literarische Darstellung der Flüchtlinge und die Kritik der Menschenrechtspolitik in Elfriede Jelineks Die Schutzbefohlenen
18.00 Uhr: Gemeinsame Abschlussdiskussion
Die Panelbeschreibungen finden Sie hier.