Stefanie Schlüter
KLEINE FORMEN – Zwischen Kino und Kunstraum
Der Begriff der „kleinen Form“ findet sich sowohl in Roland Barthes’ letzten Vorlesungen als auch in Texten des Film-Poeten Jonas Mekas. Beide „Theoriepraktiker“ umreißen das Verhältnis zwischen der Kunst und den Künsten sowie zwischen kurzen und langen Formen stets aufs Neue; beide widmen sich literarischen, filmischen, künstlerischen Werken, denen eine Tendenz der Ablösung von Gattungs- und Genrespezifika ebenso eingeschrieben ist wie eine Neigung zum Fragment. Mit dem nicht systematisch eingeführten Begriff der „kleinen Form“, der in der Dissertation auf filmische Formen bezogen wird, lässt sich kein neues filmisches Genre formulieren. Vielmehr sind, so die These, kleine filmische Formen als loser Verbund von Filmen zu denken, die in zweifacher Weise als Mischformen systematisierbar sind: Aus den spezifischen ästhetischen Formen der Filme lassen sich zum einen die Charakteristika der Verfransungs- und Entgrenzungstendenzen zwischen Film und den anderen Künsten herausdestillieren, zum anderen unauflösbare Verschränkungen zwischen Kunst und Leben, Ethik und Ästhetik, beschreibbar machen.
Mit Jonas Mekas, Marie Menken, Anita Thacher, Agnès Varda und Peter Weiss widmet sich die Dissertation Filmemacherinnen und Filmemachern, die in mehr als einer künstlerischen Disziplin arbeiten und mithin zwischen den Künsten, Gattungen und medialen Dispositiven oszillieren. Darüber hinaus geraten mit fragmentarisch zu Tage- und Notizbüchern montierten oder als (Selbst-) Portraits angelegten Filmen Formate in den Blick, in denen ethische und ästhetische Dimensionen direkt aufeinander bezogen sind. Die mit dem Begriff der „kleinen Form“ verbundene ästhetische Offenheit der film-künstlerischen Arbeiten wirkt sich auch auf die Erfahrungs- und Rezeptionsmodi des Zuschauers aus, denn eine ästhetische Erfahrung wird nicht allein dadurch modelliert, was der Zuschauer sieht, sondern auch wie ihm zu sehen gegeben wird. Daher richtet sich ein weiterer Fokus der Dissertation auf zuschauer- und dispositivtheoretische Fragestellungen.
Ziel ist es, mit kunst-komparatistischen Parametern, in vergleichenden Formen- und Dispositivanalysen, eine offene Ästhetik der kleinen Form zu formulieren. So werden Verbindungen zwischen film-künstlerischen Werken freigelegt, auf die historische, geografische, gattungs- oder genrebedingte Einordnungen den Blick verstellen.

Stefan Pethke und Stefanie Schlüter: Filmvermittlung im Medium Film. Zum Beispiel M - Eine Stadt sucht eine Mörder. In: Vom Kino lernen. Internationale Perspektiven der Filmvermittlung. Hrsg. von Bettina Henzler, Winfried Pauleit (u.a.). Berlin: Bertz + Fischer 2010. S. 137-148.