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Monika Kopyczinski

Monika Kopyczinski: Freie Lektorin

Arbeitsalltag der Lektorin

Die Lektorin ist die erste Leserin eines Manuskriptes, das veröffentlicht werden soll. Im Verlag wirbt die Lektorin (Redakteurin) interessante Titel ein oder gewinnt Autorinnen und Autoren, betreut die Übersetzung von Lizenztiteln und koordiniert Herstellung und Werbung. Sie ist die Projektmanagerin eines Verlages. Die ursprüngliche Arbeit einer Lektorin, das Lesen, Prüfen, Redigieren und Korrigieren eines Textes, stellt in diesem Fall nur einen Teilbereich dar.

Seitdem die Verlage das Outsourcing entdeckt haben, werden immer mehr Verlagsarbeiten an freiberufliche Mitarbeiterinnen ausgelagert, zum Beispiel an freie Lektorinnen. In der Regel handelt es sich hierbei um Kolleginnen, die über jahrelange Verlagserfahrungen verfügen, nun aber selbstständig arbeiten. Je nach Berufserfahrung oder Kundenkreis haben sie sich auf bestimmte Schwerpunkte spezialisiert: entweder auf bestimmte Genres (Belletristik, Sach-, Fachbuch) oder Medien (Buchdruck, Hörbuch, CD-ROM); die inhaltlichen Schwerpunkte ergeben sich meist aus dem Studium (für Romanistinnen z. B. französische oder italienische Schulbücher oder Literatur) oder der Neigung (Reiseführer, Lifestyle etc.).

Unabhängig von ihren Spezialisierungen haben jedoch alle Lektorinnen das gleiche Ziel: einen gut lesbaren, verständlichen, korrekten Text zu publizieren – entsprechend den inhaltlichen und finanziellen Vorstellungen ihrer Auftraggeberinnen und Auftraggeber bzw. den Marketing-Interessen des Verlages.

Notwendige Qualifikationen

Wer die Rechtschreibung und die Grammatik eines Textes korrigieren will, muss sicher in der deutschen Schriftsprache sein und sich regelmäßig über ihre Veränderungen informieren. Wer einen literarischen Text beurteilen will, muss wissen, was einen belletristischen Text auszeichnet. Wer Schulbücher für Spanisch oder Italienisch schreiben oder lektorieren will, sollte diese Sprachen beherrschen. Wer die Arbeit einer Setzerei oder Druckerei beurteilen will, muss über entsprechendes Know-How verfügen; wer im Layoutprogramm Texte redigiert, benötigt DTP-Kenntnisse und die geeignete Hard- bzw. Software. Ein Studium im eigenen Spezialgebiet ist sinnvoll zur inhaltlichen Vertiefung, ein philologisches Studium schult den Umgang mit Texten. Aber die fachliche Qualifikation ist nicht alles. Wer zwischen den Interessen seiner Autoren und denen des Verlages vermitteln oder die Produktion in stressigen Phasen koordinieren will, benötigt eine Persönlichkeitsstruktur, die mit solchen Aufgaben in Einklang zu bringen ist. Das Bild des Traumberufs entlarvt sich in der Praxis nicht selten als romantische Verzerrung, die mit den eigenen Wünschen und Fähigkeiten nicht zu vereinbaren ist. Der Beruf der Lektorin ist vielseitig und aufregend, je nach Projekt kann er anstrengend oder auch langweilig sein. Eine Hauslektorin sieht sich den knallharten Kalkulationen und Sachzwängen eines Verlages ausgesetzt; eine freie Lektorin darf Auftragsakquisition und Honorarverhandlungen nicht scheuen.

Persönlicher Werdegang

Nach dem Abitur habe ich zunächst eine Ausbildung als Werbekauffrau in einer Full-Service-Agentur in Frankfurt (Main) abgeschlossen. Hier habe ich meine ersten Schreib- und Korrekturerfahrungen gesammelt und erhielt Einblick in den Druck von Broschüren.

Das Bedürfnis nach intellektueller Auseinandersetzung ließ mich von einem Werbestudium absehen und einer Leidenschaft nachgehen: Ich immatrikulierte mich in Berlin für Philosophie und Romanische Philologie (Französisch). Da ich meinen Lebensunterhalt und mein Studium selbst finanzieren musste, arbeitete ich nebenbei und dies in unterschiedlichen Bereichen. Den roten Faden bilden organisatorische Tätigkeiten und Büroarbeit, das heißt, schreiben, korrigieren, das Arbeiten am und mit dem Computer.

In dem Jahr, in dem ich in Paris lebte, war ich für eine Produktionsfirma als Redakteurin für Reisefilme tätig. Ich konzipierte Reisefilme für verschiedene touristische Regionen in Frankreich und Italien und begleitete die Drehaufnahmen. Hierbei lernte ich, mich schnell und umfassend in ein komplexes Thema einzuarbeiten und es für ein entsprechendes Medium geeignet aufzubereiten.

Schließlich erhielt ich an der Universität eine Hilfskraft-Stelle an einem Romanistik-Lehrstuhl. Hier waren sowohl mein wissenschaftlicher Schwerpunkt – die historische Frauenforschung – als auch meine Computerkenntnisse gefragt und ich konnte auf diese Weise erstmals Studien-Interesse und berufliche Tätigkeit vereinen. Ich begann, wissenschaftliche Texte zu bearbeiten und auch selbst zu schreiben: Ich lernte die wissenschaftliche Darstellungs- und Zitierweise, die Vereinheitlichung der Fußnotenapparate und Bibliografien, führte Bibliotheksrecherchen durch, bereitete digitale Manuskripte nach den Richtlinien der Verlage für den Druck vor und vieles anderes mehr.

Noch während des Studiums begann ich, als freie Mitarbeiterin für die Wörterbuch-Redaktion eines großen Schulbuchverlages zu arbeiten. Ich erhielt eine Einweisung in die Computersoftware für Wörterbücher und in die inhaltlichen Richtlinien. In den 90er Jahren setzte sich durch, die Lemmata nicht mehr syntaktisch, sondern semantisch nach der Häufigkeit ihrer Verwendung einzuordnen. Auch musste die neue Rechtschreibung eingearbeitet, der Wortschatz aktualisiert und das Datenmaterial für digitale Medien aufbereitet werden. Dies machte umfassende Neubearbeitungen notwendig. Seither arbeite ich als Autorin für Französisch-Wörterbücher für den Verlag, der in diesem Bereich marktführend in Deutschland ist.

Mein Studium war aus diversen Gründen recht unerfreulich, weshalb ich mich entschied, keine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Stattdessen machte ich mich als freie Lektorin selbstständig. Die hierfür erforderlichen praktischen und organisatorischen Fertigkeiten verdanke ich meiner Ausbildung und der vielfältigen Berufserfahrung. Das wissenschaftliche Arbeiten habe ich im Studium gelernt. Mein Philosophiestudium hat dabei insbesondere meinen Blick auf eine exakte Argumentationsführung geschult, mein Literaturwissenschaftsstudium mein philologisches Auge, dem sprachwissenschaftlichen Studium verdanke ich meine linguistischen Kenntnisse, die für die Wörterbucharbeit hilfreich sind. Mein editionswissenschaftliches Studium befähigt mich zur Erstellung von Textausgaben und die sogenannte „Französisch-Redaktion“ ist zu einem meiner Arbeitsschwerpunkte geworden:

Außer den Französisch-Wörterbüchern lektoriere ich französische Lehr- und Lernmaterialien, also zum Beispiel Unterrichtsmaterialien für Lehrkräfte, Vokabelkarteien und Lernaufgaben für Schüler, Bände zur Methodik oder den neuen Zentralabitur-Prüfungen. Derzeit betreue ich die Publikationen (Buch, CD-ROM, Internet) für das wissenschaftliche Institut, das – nach PISA – die neuen Bildungsstandards für den Französisch-Unterricht entwickelt.

Einen weiteren Schwerpunkt meiner Arbeit bildet das Lektorieren von Sach- und Fachbüchern, das heißt, ich erstelle Sammelbände, bereite Promotionsarbeiten für den Druck vor, betreue Monografien und dergleichen. Aufgrund meiner Ausbildung und Erfahrung kann ich ein breites Spektrum an Fächern und Themen abdecken, ggf. in Kooperation mit Kolleginnen oder Kollegen. Aber auch hier nehmen Fachlektorate in Romanistik und Philosophie einen inhaltlichen Schwerpunkt ein.

Neben der alltäglichen Arbeit gibt es weitere vielfältige Aufgaben für Lektorinnen. So wurde ich beispielsweise in meiner Eigenschaft als „Vertreterin der Berufspraxis“ angefragt, als Gutachterin für die neuen Romanistik-Bachelor- und Master-Studiengänge zu fungieren; oder ich werde gebeten, Seminare und Vorträge zu Fachthemen zu halten. In der Zeit, in der ich den Vorsitz meines Berufsverbandes für die Region Berlin innehatte, habe ich mich für die Nachwuchs-Förderung sowie für die bundesweite Vernetzung der Wissenschaftslektoren eingesetzt und den Bereich „Fortbildung“ ausgebaut.

Ausbildung zur Lektorin

Eine geschützte, anerkannte Ausbildung für Lektorinnen gibt es nicht. Viele Wege führen dorthin. Hinweise gibt der Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren. Ich erhielt das nötige Know-How durch meine Ausbildung, meine Universitätsstudien, meine umfangreiche Berufserfahrung und schließlich das Learning by doing. Eine große Rolle spielt auch der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Die Kooperation in Verbänden und Netzwerken ist unerlässlich zum Aufbau von Kontakten und bietet Unterstützung in fachlichen oder rechtlichen Fragen. Weitere Qualifizierungen habe ich mir über Fortbildungen angeeignet, die ich regelmäßig immer wieder besuche.

Wer sich für das Berufsbild der Lektorin interessiert, tritt am besten in Kontakt mit denjenigen, die in diesem Beruf arbeiten. Nur so lässt sich herausfinden, welche konkreten Anforderungen gestellt werden, welche Aufgaben zu erwarten sind und ob das Berufsziel vereinbar ist mit dem eigenen Lebensentwurf. Eine Kontaktaufnahme ist beispielsweise möglich über die Verbände und Netzwerke, in denen Lektorinnen und angrenzende Berufe organisiert sind und die sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch treffen. Der Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren ist ein bundesweiter Berufsverband, deren Mitglieder sich monatlich in ihrer jeweiligen Regionalgruppe treffen. Hervorgegangen ist der VFLL aus den Lektorinnen der Bücherfrauen, der deutschen Sektion der Women in Publishing, einer internationalen Vereinigung von Frauen aus Publishing-Berufen. Viele freie Lektorinnen arbeiten außerdem als Übersetzerinnen oder Texterinnen. Angrenzende Berufe sind Literaturagentinnen, Autorinnen, Journalistinnen sowie die Berufe in den neuen Medien.