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Um-Schreibungen bei Franz Kafka

Teilprojekt von Elisabeth Lack im Graduiertenkolleg Körper-Inszenierungen

»Man kann ein Leben nicht so einrichten wie ein Turner den Handstand.«
(Franz Kafka, Tagebücher)

»Die Erkenntnis, dass die erste Materie, an der sich das mimetische Vermögen versucht, der menschliche Körper ist, wäre mit größerem Nachdruck, als es bisher geschehen ist, für die Urgeschichte der Künste fruchtbar zu machen.«
(Walter Benjamin)

Im Einflussfeld von Stummfilm, Reformbewegung und jüdischem Theater entwickelt Franz Kafka in seinen literarischen und persönlichen Texten eine Poetik des bewegten Körpers. Diese Methode Kafkas, nach der Sprachbilder mimetisch zum menschlichen Körper und zu Körperbewegungen konstruiert werden, möchte ich darlegen.

Kafka projiziert physische Erfahrung auf das Repertoire und die Struktur seiner Metaphern, Vergleiche und Allegorien und orientiert sich so in der literarischen Darstellung der Welt an den Gesetzmäßigkeiten des Körpers. Der Körper und seine Funktionsabläufe dienen als Anschauungsobjekt, an dessen Vorlage abstrakte Begrifflichkeiten – in das Bilderrepertoire des Körpers übersetzt –, prozessiert werden.

Bei Kafka wird das Lesen eines Textes als Vorwärtsgehen in einem Sumpf, das Vergehen von Zeit als Körperdrehung nach links und der Klang eines Wortes als das Aufreißen einer Faust beschrieben. Wie im stummen Film der Körper zur bedeutungsgenerierenden Oberfläche gerät, der Schauspieler im jüdischen Theater trotz der ihm zur Verfügung stehenden Verbalsprache die Körpersprache als primäre Ausdrucksform wählt, so geht auch Kafka im Gebiet der Literatur vom Körper als einem Ausgangsmedium von Sinnkonstitution aus.

Mein Beitrag gibt neben der erstmaligen Herausarbeitung dieses poetologischen Prinzips auch kulturhistorische Erklärungsmuster für ihr Entstehen. Die physiognomische Sprache Kafkas wird auf die Formensprache des Stummfilms und die zeitgenössische Debatte um Körperpräsenz und die »Faszination des Organischen« bezogen. Auf diese Weise wird das Einflussvermögen des Paradigmas Körper im Spiegel seiner vielfältigen Um-Schreibungen in anderen Medien offenbar.

E-Mail: elisabethlack@yahoo.de.