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Sadomasochistische Aufführungen gesellschaftlicher Widersprüche in Kunst, Subkultur und Internet – Das Theater der Macht und die Realität der Phantasmen

Unterprojekt des Teilprojektes B 4 Grenzen von Geschlecht – Praktiken, Räume, symbolische Formen im Sfb »Kulturen des Performativen« von Volker Woltersdorff.

Das UP 3 möchte sich von einigen selbst formulierten Hypothesen provozieren lassen. Sie lassen sich etwa so formulieren: Das Feld der Macht in den modernen Gesellschaften wird durchgängig von sadomasochistischen Dynamiken durchzogen. Demnach gibt es ein Kontinuum zwischen der sadomasochistischen Subkultur und der Performativität von Macht im Alltag. Begegnen sie dort eher als tabuisierter Subtext, so werden sie in der sadomasochistischen Subkultur und den von ihr inspirierten künstlerischen Arbeiten ins Zentrum gerückt. Dabei ergibt sich eine signifikante Verschiebung. Libidinöse Inhalte und Mechanismen im Wirken der Macht werden nicht einfach decouvriert, sondern ihr Gehalt wird durch eine besondere Rahmung so weit bearbeitet, dass sie allen Beteiligten Lust - und sei es auch eine Schmerz- oder Angstlust - bereiten soll. Während Widersprüche und Ambivalenzen sonst stören und ausgeblendet werden, stellen sie in sadomasochistischen Settings gerade einen besonderen Reiz dar und sollen intensiv durchlebt werden.

Mit der Möglichkeit zu einem spielerischen bzw. fingierendem Umgang mit Widersprüchen und Grenzen stehen subkulturelle sadomasochis­tische Praktiken in einem engen Verhältnis zu ästhetischen Praktiken. Das UP3 möchte diese besondere Qualität der Aufführung von Macht in der sadomasochistischen Subkultur, in ihrer virtuellen Ausformung im Internet und in ihren künstlerischen Bearbeitungen betrachten. Daran interessiert vor allem der Mehrwert für das Verständnis und die Kritik der Performativität von Macht, Gewalt, Subjekt, Geschlecht und Gemeinschaft. Deshalb unternimmt das UP den Versuch, »SM« als spielerischen Ausnahmezustand zu beschreiben, in dem Subjektpositionen prekär und vielfältige Grenzen überschritten, suspendiert und reaktualisiert werden. Eine abschließende Fragestellung besteht darin, ob »SM« als besondere Er­kenntnisweise betrachtet werden kann, mit der Einsichten über die Begehrensökonomie gewonnen werden können, mit der alle Beteiligten in die Repro­duktion von Herrschaftspositionen eingebunden sind. Darunter fallen die Faszination von Gewalt und Autorität, die Lust an der Transgression und am politisch Unkorrekten, die keine Eigenart der sadomasochistischen Subkultur sind, sondern das kollektive Imaginäre einer Gesellschaft bestimmen.