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„Bilder des Unräumlichen in Philosophie und Theologie“, Workshop in Zusammenarbeit mit der Katholischen Akademie Berlin

07.05.2010 - 08.05.2010

Workshop vom 07.-08.05.2010 im Rahmen des Topoi-Projektes „Philosophische Raumimaginationen“ in der Katholischen Akademie Berlin

 

Programm (PDF)


Begriffe haben keinen Raum und keinen Ort. Sie haben dies ebensowenig wie andere Eigenschaften, die sinnlichen Einzeldingen anhaften und sie in ihrer körperlich-materiellen Existenz konstituieren. Weil ihnen diese Merkmale fehlen, entziehen sie sich jeder bildlichen Vorstellung. Sie lassen sich selbst nicht als Bilder denken oder in Bildern darstellen. Trotzdem spielen Vorstellungsbilder nicht nur in vielen neuzeitlichen Traditionen, philosophischen Schulen und theologischen Spekulationen eine zentrale Rolle, sondern auch im antiken und mittelalterlichen Platonismus, Aristotelismus und in der christlichen Theologie.

Die Platoniker und Aristoteliker der Antike und des Mittelalters haben eine differenzierte Theorie dazu entwickelt, welche wichtige Funktion Vorstellungsbildern in all den sachlichen Zusammenhängen zukommt, die genuin nicht-bildlich sind, weil sie als Intelligibilia, als etwas, das rein begrifflich erkannt werden kann, keine vorstellbaren Eigenschaften besitzen.

Dieses scheinbare Paradox – daß Begriffe ihrem Wesen nach nicht-bildlich sind, aber doch notwendig der Bildlichkeit bedürfen – erklärt sich, wenn man den Skopos dieser Theorien und Entwürfe betrachtet: Dieser ist primär didaktisch und anagogisch, d. h. er geht von der Analyse des menschlichen Erkenntnisweges aus und zieht aus dieser den Schluß, daß unser menschliches Denken nicht ohne die Stütze der Vorstellung und ihrer anschaulichen Bildlichkeit dazu gelangen kann, genuin begriffliche Erkenntnisse zu erreichen. Auch das für die frühe Neuzeit so wichtige Aristotelische Diktum aus der Schrift De anima (oft zitiert als) „Denken ist niemals ohne Vorstellung“ wird in der spätantiken und mittelalterlichen philosophischen und christlichen theologischen Tradition in diesem anagogischen Sinn gedeutet.

Unter diesen Eigenschaften kommt der Räumlichkeit und dem Ort sowie der räumlichen Ausdehnung eine besondere Bedeutung zu. Denn die didaktisch fokussierende Auslegung findet besonders als Antwort auf die Frage nach der Bedeutung philosophischer und theologischer Mythen und mythischer Bilder eine breite Anwendung. Im Mythos aber werden (bei Platon) fast ausschließlich räumliche Bilder von der Seele, ihrem Wesen und ihrem Tun vor Augen geführt. Die Räumlichkeit ist dabei die notwendige Bedingung dafür, um etwas, das begrifflich ungeschieden ist, in ein Nacheinander von Bildern und Handlungen zu übertragen, das leichter zugänglich ist als die komplexe Begrifflichkeit.

Auch in einem ganz anderen Kontext, in der wissenschaftstheoretischen Bestimmung der Funktion und Eigenart der Mathematik spielt die Vorstellung und die mit ihr verbundene räumliche Ausdehnung eine wichtige Rolle. Der Neuplatoniker Proklos etwa beginnt seinen Kommentar zu den Euklidischen Elementen mit einer ausführlichen erkenntnistheoretisch begründeten Darstellung der Bedeutung des Vorstellungsvermögens in der rationalen Wissenschaft Mathematik.

In dem Workshop soll diese Dimension des Problemkontextes Vorstellung-Begriff primär an den beiden genannten Diskussionskontexten thematisiert werden: 1. zur Bedeutung der Vorstellungstätigkeit und räumlichen Bildlichkeit in der Mathematik; 2. zur Bedeutung des Mythos für die Vermittlung genuin begrifflicher Sachverhalte. Darüber hinaus sollen aber auch andere Formen der bildlichen Rede, der mythischen Veranschaulichung theologischer und philosophischer Sachverhalte sowie des Verhältnisses von Vorstellung und Begriff in wissenschaftstheoretischen Kontexten diskutiert werden.

Der Workshop findet im Rahmen des Projektes „Philosophische Raumimaginationen“ statt, das im Exzellenzcluster Topoi verortet ist und gefördert wird.