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Circular-Rescript 1837

Circular-Rescript v. 24. Oktober 1837, die für den Unterricht und die Zucht auf den Gymnasien getroffenen allgemeinen Anordnungen betreffend.

 

(Aus: Ludwig Wiese’s Sammlung der Verordnungen und Gesetze für die höheren Schulen in Preußen. Dritte Ausgabe, bearbeitet und bis zum Anfang des Jahres 1886 fortgeführt von Otto Kübler. Erste Abteilung: Die Schule. Berlin: Wiegandt & Grieben 1886, S. 53-65.)

 

 

Circular-Rescript v. 24. Oktober 1837,

die für den Unterricht und die Zucht auf den Gymnasien getroffenen allgemeinen Anordnungen betreffend.

 

            Aus den gutachtlichen Berichten sämtlicher K. Prov.-Schulcollegien über den im ersten Stücke der hiesigen medicinischen Zeitung v. J. enthaltenen Aufsatz des Regierungs-Medicinalraths Dr. Lorinser: „Zum Schutz der Gesundheit in den Schulen“ hat das Ministerium die erfreuliche Überzeugung gewonnen, daß in den diesseitigen Gymnasien der Gesundheitszustand der Jugend im Allgemeinen recht befriedigend und in der bisherigen Einrichtung dieser Lehranstalten kein hinreichender Grund zu der beunruhigenden Anklage vorhanden ist, welche der pp. Lorinser gegen die deutschen Gymnasien überhaupt erhoben hat. Wenn die krankhaften Erscheinungen des Geistes und Körpers, welche der pp. Lorinser im Widerspruche mit andern Aerzten bei dem jüngeren Geschlechte bemerkt zu haben behauptet, wirklich vorhanden sind, so ist es wenigstens durch die bisherige Erfahrung in keiner Art erwiesen, daß durch die Gymnasien und ihre Verfassung jene krankhaften Anlagen hervorgerufen und gesteigert werden. Das Ministerium kann sich daher auch nicht veranlaßt sehen, auf den Grund jener Anklage die bisherige Verfassung der Gymnasien im Wesentlichen abzuändern, zumal da die Sorge wegen Beschützung der Gesundheit in den Gymnasien fortwährend die Aufmerksamkeit der K. Prov.-Schulcollegien in Anspruch genommen, die Lehrer-Collegien in ihren vorschriftsmäßigem Conferenzen und die Gymnasial-Directoren in ihren außerordentlichen Zusammenkünften immer von neuem aufs Ernstlichste beschäftigt und in den einzelnen Provinzen der Königl. Staaten zweckdienliche Anordnungen hervorgerufen hat, damit die körperliche und geistige Gesundheit und Kräftigkeit der Jugend, so weit die Gymnasien auf dieselben einwirken können, nicht nur nicht gefährdet, sondern vielmehr auf jede thunliche Weise erhalten und gefördert werde.

            In mehreren Verfügungen und namentlich in der ausführlichen Circular-Verfügung vom 29. März 1829 hat das Ministerium diesen hochwichtigen Gegenstand den Königl. Prov.-Schulcollegien zur sorgfältigsten Berücksichtigung von neuem dringend empfohlen, vor jeder Übertreibung nachdrücklichst gewarnt und sich aufs Entschiedenste dahin ausgesprochen, daß zwar den Schülern in den Gymnasien die Beschwerden, Mühseligkeiten und Aufopferungen, welche die unvermeidliche Bedingung eines der Wissenschaft und dem Dienste des Staats und der Kirche gewidmetem Lebens sind, mittels einer stätig und naturgemäß sich entwickelnden Bildung vergegenwärtigt, sie früh an den Ernst ihres Berufs gewöhnt und zum muthigen Vollbringen der mit demselben verbundenen Arbeiten gestählt, aber alle überspannte und dem jedesmaligen Standpunkte ihrer Kraft nicht gehörig angepaßte Forderungen durchaus vermieden werden sollen.

            Wenn auch hiernach mit Grund anzunehmen ist, daß bei einer umsichtigen und gewissenhaften Ausführung der in Bezug auf die Gymnasien bereits erlassenen gesetzlichen Vorschriften die geistige und körperliche Gesundheit der Jugend nicht gefährdet, vielmehr durch den Ernst des Unterrichts und die Strenge der Zucht, wie sie in den Gymnasien herrschen, selbst gegen die verderblichen Einflüsse der oft verkehrten häuslichen Erziehung und der materiellen Richtungen der Zeit erfolgreich geschützt wird: so glaubt das Ministerium dennoch die erfreuliche Aufmerksamkeit und lebendige Teilnahme, welche der oben gedachte Aufsatz des pp. Lorinser in den verschiedensten Kreisen der Gesellschaft gefunden hat, nicht unzweideutiger ehren zu können, als indem dasselbe wesentliche in den Gymnasien | [54] wahrgenommene Gebrechen und Mängel, welche der gedeihlichen Wirksamkeit dieser Anstalten hemmend entgegentreten, so viel als möglich abzustellen sucht und zugleich über mehrere den Unterricht und die Zucht in den Gymnasien betreffende Punkte, die noch einer näheren Bestimmung zu bedürfen scheinen, im Folgenden das Erforderliche festsetzt.

            1) Nach der bisherigen Erfahrung wird den Gymnasien ihre Aufgabe, die ihnen anvertraute Jugend formell und materiell zu einem gründlichen und gedeihlichen Studium der Wissenschaften vorzubereiten und zu befähigen, ungemein dadurch erschwert, daß ihnen zur Aufnahme in die unterste Klassefortwährend Knaben zugeführt werden, welche nicht die erforderlichen Elementarkenntnisse oder wegen ihres noch zu zarten Alters nicht das gehörige Maß von körperlicher und geistiger Energie besitzen. Auf diese Weise werden die Gymnasien genöthigt, Gegenstände, welche offenbar noch der Elementarschule angehören, in den Kreis ihres Unterrichts zu ziehen, und während andere Knaben mit den erforderlichen Elementarkenntnissen gleichfalls in die unterste Klasse eintreten, wird schon hier der Grund zu der großen, das Gedeihen des Unterrichts vielfach hemmenden Ungleichartigkeit der Schüler gelegt, mit welcher die Gymnasien immer noch kämpfen. Wenn früher bei dem ungenügenden Zustande des städtischen Elementarschulwesens der Maßstab für die Kenntnisse der in die unterste Gymnasialklasse aufzunehmenden Knaben auf mechanisches Lesen, nothdürftiges Schreiben und die ersten Elemente des Rechnens selbst mit Genehmigung des Ministeriums beschränkt worden: so ist jetzt, nachdem fast überall in den Städten die Elementarschulen geregelt und verbessert sind, zur ferneren Beibehaltung dieses zu beschränkten Maßstabes kein dringender Grund vorhanden. Im Interesse der Elementarschulen wie der Gymnasien will das Ministerium daher anordnen, daß von jetzt an die Aufnahme der Knaben in die unterste Gymnasialklasse nicht vor ihrem zehnten Lebensjahr erfolgen und von ihnen gefordert werden soll:

a. Geläufigkeit nicht allein im mechanischen, sondern auch im logisch-richtigen Lesen

    in deutscher und lateinischer Druckschrift; Kenntnis der Redeteile und des einfachen

    Satzes praktisch eingeübt; Fertigkeit im orthographischen Schreiben;

          b. Einige Fertigkeit, etwas Dictirtes leserlich und reinlich nachzuschreiben;

c. Praktische Geläufigkeit in den vier Species mit unbenannten Zahlen und in den

    Elementen der Brüche;

d. Elementare Kenntnis der Geographie namentlich Europas;

e. Bekanntschaft mit den Geschichten des alten Testaments und mit dem Leben Jesu;

          f. Erste Elemente des Zeichnens, verbunden mit der geometrischen Formenlehre.

Körperlich schwachen Knaben und Jünglingen ist zwar, wenn sie die erforderlichen Vorkenntisse besitzen, die Aufnahme in die Gymnasien auch fernerhin nicht zu versagen. Da aber die Gymnasial-Verfassung nicht auf sieche und kranke, sondern auf gesunde Knaben und Jünglinge berechnet ist, so sind die Eltern, welche für solche körperlich oder auch geistig untüchtigen Söhne die Aufnahme nachsuchen, vor den Gefahren, welchen sie dieselben aussetzen, um so ernstlicher zu warnen, je häufiger noch immer junge Leute, die für ein Handwerk und Gewerbe zu schwach sind oder scheinen, sich ohne allen innern Beruf zu den wissenschaftlichen Studien drängen und der großen in dieser Laufbahn unvermeidlichen Anstrengung erliegen. Auch ist den Eltern in angemessener Art zu empfehlen, ihre Söhne weder in einem zu sehr vorgerückten Alter, noch ohne die nöthigen Subsistenzmittel den Gymnasialcursus beginnen zu lassen, damit sie nicht ohne alle Schuld der Gymnasien sich gezwungen sehen, auf Kosten ihrer Gesundheit durch unnatürliche Anstrengung das früher Versäumte wieder einzubringen, oder sich am Tage durch Privatstunden den ihnen fehlenden Unterhalt zu verdienen und der nothwendigen Nachtruhe die zur Anfertigung der Arbeiten für die Schule erforderliche Zeit zu entziehen.

            2) Die Lehrgegenstände in den Gymnasien, namentlich die deutsche, lateinische und griechische Sprache, die Religionslehre, die philosophische Propädeutik, die Mathematik nebst Physik und Naturbeschreibung, die Geschichte und Geographie, sowie die technischen Fertigkeiten des Schreibens, Zeichnens und Singens, und zwar in der ordnungsmäßigen, dem jugendlichen Alter angemessenen | [55] Stufenfolge und in dem Verhältnisse, worin sie in den verschiedenen Klassen gelehrt werden, machen die Grundlage jeder höheren Bildung aus und stehen zu dem Zwecke der Gymnasien in einem eben so natürlichen als nothwendigen Zusammenhange. Die Erfahrung von Jahrhunderten und das Urteil der Sachverständigen, auf deren Stimme ein vorzügliches Gewicht gelegt werden muß, spricht dafür, daß gerade diese Lehrgegenstände vorzüglich geeignet sind, um durch sie und an ihnen alle geistigen Kräfte zu wecken, zu entwickeln, zu stärken und der Jugend, wie es der Zweck der Gymnasien mit sich bringt, zu einem gründlichen und gedeihlichen Studium der Wissenschaften die erforderliche,  nicht blos formelle, sondern auch materielle Vorbereitung und Befähigung zu geben. Ein Gleiches lässt sich nicht von dem Unterrichte in der hebräischen Sprache, welche vorzugsweise nur für die künftigen Theologen bestimmt und als Vorbereitung zu einem speciellen Facultätsstudium dem allgemeinen Zwecke der Gymnasien fremd ist, und von der französischen Sprache behaupten, welche ihre Erhebung zu einem Gegenstande des öffentlichen Unterrichts nicht sowohl ihrer innern Vortrefflichkeit und der bildenden Kraft ihres Baues, als der Rücksicht auf ihre Nützlichkeit für das weitere praktische Leben verdankt. Wenn indessen äußere Gründe rathen, den Unterricht in der hebräischen und französischen Sprache auch noch ferner in den Gymnasien beizubehalten, so gehen dagegen jene oben gedachten Lehrgegenstände aus dem inneren Wesen der Gymnasien nothwendig hervor. Sie sind nicht willkürlich zusammengehäuft; vielmehr haben sie sich im Laufe von Jahrhunderten als Glieder eines lebendigen Organismus entfaltet, indem sie, mehr oder minder entwickelt, in den Gymnasien immer vorhanden waren. Es kann daher von diesen Lehrgegenständen auch keiner aus dem in sich abgeschlossenen Kreise des Gymnasialunterrichts ohne wesentliche Gefährdung der Jugendbildung entfernt werden, und alle dahin zielenden Vorschläge sind nach näherer Prüfung unzweckmäßig und unausführbar erschienen. Indem folglich diese Lehrgegenstände, mit Einschluß der hebräischen und französischen Sprache, ihre bisherige Stelle im System des Gymnasialunterrichts auch ferner behaupten sollen, besorgt das Ministerium aus dieser Maßregel in keinerlei Art nachteilige Folgen für die körperliche und geistige Entwickelung der Jugend, vorausgesetzt, daß das wahre Verhältnis dieser Lehrgegenstände zu der den Gymnasien gestellten Aufgabe von allen Lehrern und auf jeder Stufe des Unterrichts richtig gewürdigt wird. Kein Lehrgegenstand in den Gymnasien ist als Zweck für sich, sondern jeder nur als dienendes untergeordnetes Mittel zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks zu betrachten und zu behandeln. Aber das lebendige Band, welches alle Lehrfächer umfassen und zur Einheit verbinden soll, wird gelöst, das unerläßliche Zusammenwirken aller Lehrer wird gestört und die Erreichung ihres gemeinsamen Ziels wird erschwert, selbst in vielen Fällen unmöglich gemacht, wenn ein Gymnasiallehrer einzelne ihm übertragene Lehrfächer auf Kosten der übrigen betreibt, ihr gegenseitiges Verhältnis wie das Bedürfnis der Klasse, die ihm angewiesen ist, unbeachtet läßt und sowohl in dem, was er seinen Schülern mitteilt, als in dem, was er von ihnen fordert, masslos über die Schranken hinausgeht, welche dem Gymnasialunterricht für jedes Lehrfach und für jede Klasse gezogen sind. Das Ministerium muß auf den Grund der vorliegenden Berichte befürchten, daß auch in den diesseitigen Gymnasien manche jüngere und weniger erfahrene Lehrer, bald bei der Auswahl des mitzuteilenden Lehrstoffes, bald bei der Art der Mitteilung und Behandlung desselben, die Grenzen des Gymnasialunterrichts überschritten und, anstatt jedes ihnen übertragene Lehrfach zur harmonischen Uebung der geistigen Kraft ihrer Schüler zu benutzen, sie mit einer zerstreuenden Masse materieller Kenntnisse überhäuft und durch solche und ähnliche Uebertreibungen der irrigen Meinung, als ob die Mannigfaltigkeit der Lehrgegenstände in den Gymnasien den Geist der Jugend verwirre und abstumpfe, selbst Vorschub geleistet haben. Die Directoren der Gymnasien waren und sind eben so verpflichtet als berechtigt, solchen Mißgriffen einzelner Lehrer mit aller Entschiedenheit entgegen zu treten, gegen deren einseitige Richtung den gemeinsamen Zweck der Gymnasialbildung geltend zu machen und rücksichtslos darauf zu halten, dass jeder Lehrer die für seine Klasse und sein Fach vorgeschriebenen Lehr-Pensen genau beachte. Die K. Prov.Schulcollegien haben die Gymnasialdirectoren für die umsichtige Erfüllung dieser ihnen obliegenden Pflicht aufs neue verantwortlich zu machen, aber auch zugleich denen | [56] unter ihnen, welche mit Lehrstunden, Correcturen und anderen Arbeiten zu sehr überhäuft sind, die erforderliche Erleichterung zu verschaffen, damit sie dem Unterrichte der andern, besonders jüngeren Lehrer desto öfter beiwohnen können.

            3) Um ungeachtet der Mannigfaltigkeit der Lehrgegenstände in den Gymnasien die nöthige Einheit im Unterrichte und in der Methode zu bewirken, eine möglichst gleichmäßige Ausbildung der Schüler herbeizuführen und auch ihnen das lebendige Band, welches alle Lehrgegenstände vereint, fühlbar zu machen und zur geistigen Anschauung zu bringen, hat das Ministerium schon längst für alle Gymnasien das Klassensystem und das Klassen-Ordinariat angeordnet. Bei einer sachgemäßen Durchführung dieses Systems müssen in derselben Klasse die verwandten Lehrgegenstände nicht, wie bisher, getrennt neben einander in verschiedenen Stunden, sondern können in denselben Stunden mit und nach einander behandelt werden. Hiernach scheint es räthlich und thunlich, in den beiden unteren Klassen das Lateinische und Deutsche, sowie die Geschichte, Geographie und Naturbeschreibung, in den mittleren und oberen Klassen die Geschichte und Geographie, sowie die Mathematik und Physik zu einander auf die angedeutete Weise in ein näheres Verhältnis zu bringen. Ferner sind zur Vermeidung der wesentlichen Nachteile, welche für die Einheit des Unterrichts aus der Teilung der Lehrgegenstände in einer und derselben Klasse unter zu viele Lehrer erwachsen, nicht nur die Zweige eines und desselben Lehrgegenstandes und die verwandten Lehrfächer, sondern auch die einander nahe stehenden Lehrobjecte so viel als nur irgend möglich Einem Lehrer anzuvertrauen. Dieser Bestimmung gemäß sollen in den beiden unteren Klassen jedenfalls das Lateinische und Deutsche, in den beiden mittleren Klassen das Lateinische, Griechische und Französische, und in den beiden oberen Klassen das Lateinische, Griechische und Deutsche, oder auch das Griechische, Deutsche und Französische in der Regel nur Einem Lehrer übertragen, ferner in den unteren Klassen die Geschichte, Geographie und Naturbeschreibung, in den mittleren und oberen Klassen die Geschichte und Geographie, und in der obersten Klasse die Mathematik, Physik und philosophische Propädeutik so viel als möglich in Eine Hand gelegt werden. Auf diese Weise werden für die Sprachen und Wissenschaften in den unteren Klassen zwei, in den mittleren drei und in den oberen höchstens vier Lehrer überall ausreichen. Damit die Schüler mehr und mehr den wissenschaftlichen Zusammenhang ihrer Lectionen fassen und festhalten, und zum Bewußtsein von der Einheit des Unterrichts gelangen, scheint es dem Ministerium räthlich und thunlich, manche Lehrgegenstände, anstatt sie wie bisher gleichzeitig und auf die verschiedenen Wochentage verteilt, neben einander herlaufen zu lassen, von jetzt an nach einander in der Art zu behandeln, daß z. B. in demselben Semester und in derselben Klasse zwar Geographie und Geschichte, aber jene in den ersten Monaten ausschließlich, diese allein in den letzten Monaten gelehrt werde. Ein ähnliches Verfahren kann auch in Hinsicht der Arithmetik und Geometrie, sowie der lateinischen und griechischen Schriftsteller eintreten und namentlich in Bezug auf diese letzteren die Einrichtung stattfinden, daß, während es bei der Vorschrift, in Einem Semester und in Einer Klasse nur Einen lateinischen und griechischen Prosaiker und Dichter zu erklären, auch ferner verbleibt, die erste Hälfte des Semesters ausschließlich dem Prosaiker, und die übrige Zeit nur dem Dichter zugewandt werde. Diese und ähnliche Veranstaltungen werden jedoch nur in dem Maße ihrem Zwecke entsprechen, als es je länger je mehr gelingen wird, für das schwierige, aber einflußreiche Geschäft der Klassen-Ordinarien tüchtige Lehrer von allgemein wissenschaftlicher Bildung, von treuer Liebe und Hingebung für ihren Beruf und von gereifter Erfahrung zu gewinnen, welche die ihnen anvertrauten Lehrfächer wahrhaft durchdrungen haben und beherrschen, in klarer und stets wacher Einsicht von dem Zusammenhange derselben mit den übrigen Lehrobjecten und mit dem gemeinsamen Zweck des Gymnasialunterrichts in allen Fächern das zur allgemeinen Entwickelung und zur intensiven Bildung ihrer Schüler dienende Material auszuwählen, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu sondern wissen, und endlich durch die Reinheit und Würde ihres Charakters, wie durch den milden Ernst ihrer ganzen Haltung eine unauslösliche Ehrfurcht vor der sittlichen Macht, welche das Leben der Menschen regiert, in der ihrer väterlichen Obhut und Pflege übergebenen Klasse zu erwecken vermögen. Im Ganzen erfreuen sich die diesseitigen Gymnasien eines Lehrstandes, welchem das ehrenvolle Zeugnis | [57] gebührt, daß er sich eben so sehr durch gründliche wissenschaftliche Bildung als durch regen pflichtmäßigen Eifer für seinen Beruf und durch willfähriges Eingehen in die wohlverstandenen Anordnungen der vorgesetzten Behörden auszeichnet. Somit giebt das Ministerium gern der Hoffnung Raum, daß sich in diesem Lehrstande auch eine hinreichende Anzahl von Männern finden werde, welche zur Führung eines Klassen-Ordinriats tüchtig und geneigt, und insbesondere im Stande sind, die Hauptfächer und die Mehrzahl der wöchentlichen Lectionen, wie es im Wesen der Klassen-Ordinarien liegt, in der ihnen anzuvertrauenden Klasse mit glücklichem Erfolge zu übernehmen. Den K. Prov.Schulcollegien liegt es ob, mit umsichtiger Sorgfalt unter den Lehrern nicht bloß eines Gymnasiums, sondern sämmtlicher Gymnasien der Provinz die fähigsten und tüchtigsten zum Klassen-Ordinariate auszuwählen, ihre Versetzung von einem Gymnasium zum andern nach dem jedesmaligen Bedürfnisse der betreffenden Anstalt in angemessener Art herbeizuführen, und auf ihre Beförderung sowie auf die Verbesserung ihrer äußeren Lage bei jeder schicklichen Gelegenheit Bedacht zu nehmen.

            Wie es dem Ministerium eine angelegentliche Pflicht sein wird, zu den erledigten Stellen der Gymnasial-Directoren und der Schulräthe vorzugsweise solche Lehrer, welche sich als Klassen-Ordinarien während längerer Zeit in jeder Beziehung bewährt und ausgezeichnet haben, Allerhöchsten Orts in Vorschlag zu bringen, so hat dasselbe zur Aufmunterung der Klassen-Ordinarien beschlossen, ihnen von jetzt an das Prädikat: „Oberlehrer“ ausschließlich beizulegen, dagegen den bisherigen Unterschied zwischen Ober- und Unterlehrer hiermit um so mehr aufzuheben, als es nöthig scheint, der irrigen Vorstellung entgegen zu treten, daß die Fähigkeit, den Unterricht in den oberen Klassen erteilen, wie achtungswerth übrigens auch das hierzu erforderliche Maß von Gelehrsamkeit und wissenschaftlicher Bildung ist und bleibt, schon an sich eine höhere Würde verleihe und dem betreffenden Lehrer ohne Weiteres einen so bedeutenden Vorzug gebe vor denen, die zu Folge des ihnen erteilten Prüfungszeugnisses nur zu dem Unterricht in den unteren oder mittleren Klassen befugt sind.

            4) Die gesetzliche und herkömmliche Zahl wöchentlicher Lehrstunden ist, wie die ganze Gymnasialeinrichtung, eben so wenig auf schwache, als auf vorzüglich begabte, vielmehr auf Schüler von gewöhnlichen körperlichen und geistigen Kräften berechnet. Für diese sind nach vieljähriger Erfahrung und nach dem Urteile von Aerzten täglich vier Lehrstunden des Vormittags und an vier Tagen der Woche zwei Stunden des Nachmittags nicht zu viel, zumal da in allen Gymnasien nach der zweiten Stunde des Vormittags und nach der ersten Stunde des Nachmittags den Schülern eine viertelstündige Erholung im Freien gegönnt wird, zwischen jeder der übrigen Lehrstunden eine Pause von wenigstens fünf Minuten erlaubt ist und zwischen dem vor- und nachmittäglichen Unterricht eine größere Pause von zwei Stunden eintritt, welche in der Regel nicht zu Geistesarbeiten verwandt wird. Ferner gewähren die zwei freien Nachmittage, die Sonntage und die verschiedenen Hauptferien, welche etwa den sechsten Teil des Jahres einnehmen, kleinere und größere Ruhepunkte und lassen den Schülern zur Abspannung des Geistes und zur Uebung des Körpers Zeit genug übrig. Bei solchen regelmäßigen Unterbrechungen der Lehrstunden, wie bei der ganzen mehr oder weniger erotematischen Art und Weise des Schulunterrichts, ist ein vier- oder sechsstündiger Aufenthalt in hellen, luftigen, geräumigen und mit zweckmäßigen Tischen und Subsellien versehenen Schulzimmern der naturgemäßen Entwickelung des Körpers nicht hinderlich und wird überhaupt für die Gesundheit der Jugend keine andere Gefahr haben, als die, welche von jeder sitzenden Lebensart unzertrennlich ist. Das Ministerium kann daher eine Verminderung der gesetzlichen Zahl von 32 wöchentlichen Lehrstunden nicht für begründet erachten, macht aber den K. Prov. Schulcollegien nochmals aufs Dringendste zur Pflicht, eine Ueberschreitung dieser Zahl in keinem Falle und unter keinerlei Vorwande weiter zu dulden.

            Um bei Verteilung dieser wöchentlichen Stundenzahl auf die einzelnen Lehrgegenstände nicht sowohl eine durchgängige Einförmigkeit, als vielmehr nur im Wesentlichen der Gymnasialeinrichtung die nöthige Gleichheit zu erzielen, wird in der Anlage (a.) eine allgemeine Uebersicht der für die Gymnasien angeordneten Lehrgegenstände, in welcher einem jedem derselben nach seiner Bedeutung für den allgemeinen Bildungszweck der Gymnasien eine passende Stundenzahl und nach | [58] seinem Verhältnisse zu den verschiedenen Bildungsstufen und Klassen eine angemessene Stellung gegeben ist, zur leitenden Norm mitgeteilt. Dieser allgemeinen Uebersicht gemäß, ist für jedes Gymnasium, unter Berücksichtigung seiner eigenthümlichen Verhältnisse und des wechselnden Bedürfnisses seiner einzelnen Klassen alljährlich ein Lectionsplan festzustellen und demselben eine genaue Abgrenzung der Zielleistungen für jede Kladde und jedes Fach beizufügen. Wenn hiernach in Hinsicht des Lectionsplanes der einzelnen Gymnasien eine freie Bewegung innerhalb der allgemeinen Vorschrift ausdrücklich gestattet wird, so darf andererseits für die Religionslehre, für die Sprachen und die Werke des classischen Altertums und für die Mathematik, welche in ihrer lebendigen Gemeinschaft vorzüglich geeignet sind, den wesentlichen Zweck des Gymnasialunterrichts zu verwirklichen, die ihnen bestimmte wöchentliche Stundenzahl nicht vermindert und die Stelle, welche ihnen als den Hauptgliedern des Organismus gebührt, nicht verrückt werden. Den Unterricht in der französischen Sprache wegen ihrer Nützlichkeit für das praktische Leben schon in der vierten Klasse beginnen zu lassen, scheint dem Ministerium nicht angemessen, weil in dieser Klasse ohnehin schon ein neuer Lehrgegenstand, die griechische Sprache, hinzutritt, auch der untergeordnete Zweck des französischen Sprachunterrichts während des sechsjährigen Cursus in den drei oberen Klassen durch zwei wöchentliche Lehrstunden ganz füglich zu erreichen ist. An die Stelle der Physik in der zweiten Klasse kann der naturgeschichtliche Unterricht und zwar um so mehr treten, als in dieser und der folgenden Klasse für die Physik die unentbehrliche Grundlage mittelst des mathematischen Unterrichts noch fortwährend gewonnen wird, in dem zweijährigen Cursus der ersten Klasse in zwei wöchentlichen Stunden Zeit genug für den Unterricht in der Physik, wie ihn der wissenschaftliche Zweck der Gymnasien erfordert, gegeben ist, und es endlich räthlich scheint, das Naturleben, das in den vier unteren Klassen von Stufe zu Stufe entwickelt worden, nochmals in seinen wichtigsten Gestaltungen den Schülern der zweiten Klasse vorüber zu führen und ihnen die Idee desselben zum Bewußtsein zu bringen.

            Der Zeichen- und Gesang-Unterricht ist in allen Gymnasien so zu legen, daß an demselben auch die Schüler der oberen Klassen, welche ihn aus Talent und besonderer Neigung fortzusetzen wünschen, nach freier Wahl Teil nehmen können. Um dem Uebelstande zu begegnen, daß durch Anhäufung zu vieler verschiedener Lehrobjecte in Einem Tage die Kraft der Schüler zersplittert, ihr Geist durch die Verschiedenheit des Vorgetragenen verwirrt und ungebührlich angestrengt wird, scheint es zweckdienlich und ausführbar, bei Anordnung des Lectionsplanes für Einen Gegenstand zwei Stunden hinter einander zu bestimmen. Auf diese Weise wird sich bewirken lassen, daß die Schüler täglich nur für drei, höchstens vier verschiedenartige Lehrobjecte in Anspruch genommen, und die ersten Morgenstunden solchen Lehrgegenständen zugewandt werden, für deren Auffassung vorzugsweise eine gespannte Aufmerksamkeit von Seiten der Schüler erforderlich ist. Ob die schon in einigen Gymnasien bestehende Einrichtung, daß während des Sommer-Semesters die Lehrstunden des Vormittags in die Zeit von 7 bis 11 Uhr fallen, überall anwendbar sein möchte, wird den K. Prov. Schulcollegien zur näheren Beurteilung und endlichen Entscheidung anheimgestellt.

            5) Die häuslichen Arbeiten bilden ein nothwendiges Glied in dem Organismus des Gymnasialunterrichts. Es reicht nicht aus, daß der Schüler in der Lehrstunde den ihm dargebotenen Stoff in sich aufnehme, sich aneigne, und dem Lehrer gegenüber in der Schule auf geeignete Weise Zeugnis ablege, ob und in wie weit ihm dieses gelungen. Vielmehr muß er die in der Schule begonnene Uebung und Thätigkeit auch außerhalb derselben fortsetzen und in zweckmäßiger Art veranlaßt werden, das in sich Aufgenommene auch wieder darzustellen und seine an den einzelnen Lehrgegenständen gewonnene Bildung durch freie häusliche Arbeiten zu bethätigen. Von Seiten der Gymnasien ist daher eine umsichtige Sorgfalt von Nöthen, daß in Hinsicht der Aufgaben zu diesen Arbeiten überall das richtige Maß beobachtet, und von den Schülern nichts verlangt werde, was ihrem Bildungsstande unangemessen und mit der pflichtmäßigen Rücksicht auf die Erhaltung ihrer körperlichen Gesundheit unverträglich ist. Um möglichen Mißgriffen in dieser Hinsicht vorzubeugen, ist von jetzt an in allen Gymnasien, wie in mehreren bereits seit längerer Zeit geschieht, zu Anfange jedes Semesters | [59] in einer Conferenz für alle Lehrfächer und Klassen Alles, was Gegenstand des häuslichen Fleißes sein soll, nach Reihefolge und Verteilung der Aufgaben auf die Tage, Wochen und Monate in möglichster Bestimmtheit zu verabreden und durch Conferenzbeschluß anzuordnen. Hierbei ist als Regel festzuhalten, daß keine schriftliche Arbeit von den Schülern gefordert werden darf, die der Lehrer nicht selbst nachsieht. Von den Aufgaben der Lehrer für die öffentlichen Lehrstunden darf nicht die ganze häusliche Arbeitszeit in Anspruch genommen werden, sondern ein angemessener Teil derselben muß der Erholung und der freien Selbstbeschäftigung der Schüler verbleiben, und auch hierin eine Abstufung nach der Verschiedenheit der Klassen stattfinden. Die für die Schüler der oberen Klassen empfohlene Privatlectüre der griechischen, lateinischen und deutschen Classiker darf in keinerlei Art erzwungen, sondern muß mit der sorgfältigsten Berücksichtigung der Persönlichkeit, Anlagen und Verhältnisse der Schüler geleitet werden. Ferner ist bei allen Gymnasien für jede Klasse ein Aufgabebuch einzuführen, in welches jeder Lehrer sogleich beim Unterrichte seine Aufgabe einträgt oder durch den Primus der Klasse eintragen läßt, damit jeder Lehrer derselben Klasse ersehen könne, wie weit der häusliche Fleiß der Schüler für eine bestimmte Zeit schon von den übrigen Lehrern in Anspruch genommen ist, und damit dem Director bei der Revision der Klassen die Uebersicht der häuslichen, besonders schriftlichen Arbeiten erleichtert, und er in den Stand gesetzt werde, zu beurteilen, ob, wie weit und von wem etwa gegen den Conferenzbeschluß gefehlt ist. Der Klassen-Ordinarius muß außer den schriftlichen Arbeiten, deren Correctur ihm nach dem Lectionsplane obliegt, sämtliche Hefte seiner Schüler monatlich wenigstens einmal revidiren. Eben so muß der Director monatlich wenigstens in Einer Klasse die Schulhefte seiner besonderen Durchsicht unterwerfen, um dadurch sich nicht bloß von dem Fleiße und den Fortschritten der Schüler, sondern auch von der Zweckmäßigkeit und der Zahl der Aufgaben Kenntnis zu verschaffen. Eine vorzügliche Aufmerksamkeit ist den Directoren in Hinsicht der Aufgaben zu den freien deutschen und lateinischen Aufsätzen um so mehr zu empfehlen, je größere Mißgriffe bei ihrer Wahl noch immer gemacht werden. Themata, bei welchen der Schüler über ganz abstracte oder ihm unbekannte Gegenstände sogenannte Gedanken produciren soll, überschreiten die Grenzen des Gymnasialunterrichts, sind folglich unzweckmäßig und gereichen dem Lehrer, der sie stellt, mit Recht zum Vorwurfe und dem Schüler, der sie bearbeiten soll, zur Qual. Vielmehr müssen diese Aufgaben stets so gewählt sein, daß die Schüler den Stoff, den sie in ihren Aufsätzen zu bearbeiten haben, bereits kennen und einigermaßen beherrschen; überdies muß ihnen der Lehrer bei jeder nach der Verschiedenheit der Klassen zu stellenden Aufgabe den Gesichtspunkt, unter und nach welchem sie den bekannten ihnen gegebenen Stoff behandeln sollen, aufs Bestimmteste bezeichnen und entwickeln. Wenn obige Bemerkungen gehörig beachtet, wenn in allen Klassen und in allen Disciplinen der Vorschrift gemäß zweckmäßige Lehrbücher zum Grunde gelegt und dadurch die häuslichen Arbeiten vermindert werden, wenn endlich eine ernste häusliche Zucht die Schüler anhält, stets zur rechten Zeit zu arbeiten, und sie eben so sehr vor unnöthigem Privatunterrichte, als vor zerstreuender Gesellschaft und unzeitigen Vergnügungen bewahrt, so ist von den häuslichen Arbeiten, welche das Gymnasium von seinen Schülern verlangen muß, kein Nachteil für ihre körperliche Entwickelung zu besorgen, und die Schüler werden überall zu ihrer Erholung, wie zu ihrer freien Privatbeschäftigung hinreichende Muße übrig behalten.

            6) Bei Feststellung des von den Gymnasien zu erreichenden Ziels sind sechs gesonderte, einander untergeordnete Klassen und einjährige Lehrcurse für die drei untern, zweijährige für die drei oberen Klassen in Aussicht genommen. Wie jede Klasse zu dem Gesamtzwecke des Gymnasialunterrichts in einem bestimmten Verhältnisse steht, so ist auch jeder ein bestimmtes Ziel gesetzt, zu dessen Erreichung das erforderliche Zeitmaß gegönnt werden muß. Für die drei untern Klassen darf der Weg zu dem ihnen gestellten Ziele nicht zu lang sein, um die noch ungeübte Kraft der Schüler nicht zu ermüden, aber auch nicht zu kurz, um ihnen die Schwierigkeiten des Weges in seinem weiteren Verlaufe wenigstens fühlbar zu machen, und um das Bildungsgeschäft nicht zu übereilen. Aus diesem Grunde, und damit die Schüler gleich auf der untersten Stufe des Gymnasialunterrichts gewöhnt werden, mit Interesse und Sammlung bei den ihnen dargebotenen | [60] Lehrgegenständen zu verweilen und sie nicht blos flach und einseitig, sondern gründlich und von allen Seiten aufzufassen, zu behandeln und sich anzueignen, hat das Ministerium für jede der drei untern Klassen einen einjährigen Lehrcursus räthlich erachtet. Aus dieser Bestimmung folgt, daß in den eben gedachten Klassen auch die Versetzungnur alljährlich stattfinden darf, und das Ministerium will diese Maßregel, von welcher die Beseitigung wesentlicher, an dem Gymnasialunterricht gerügter Mängel mit Grund zu erwarten ist, für alle Gymnasien, die nur aus sechs einander untergeordneten Klassen bestehen, hierdurch anordnen. Der näheren Beurteilung der K. Prov.-Schulcollegien wird hierbei anheim gestellt, nach der Verschiedenheit der provinziellen Verhältnisse und dem Herkommen gemäß den jährlichen Lehrcursus von Ostern oder von Michaelis ab beginnen zu lassen. In den Gymnasien der größeren Städte, welche wegen ihrer Schülerzahl mehr als sechs einander untergeordnete Klassen haben, und wo in den drei untern Klassen die halbjährliche Aufnahme und Versetzung herkömmlich ist, mag dieses Verfahren noch einstweilen fortbestehen, wenn die Lehrercollegien sich für dessen Beibehaltung nach reiflicher Berathung erklären, und wenn sie in sich die Kraft und die Mittel besitzen, den Uebelständen und Nachteilen, welche in den drei untern Klassen aus der halbjährlichen Versetzung und aus der mit ihr zusammenhängenden zu großen Verschiedenartigkeit der Schüler in einer und derselben Klasse fast unvermeidlich erwachsen, wirksam und mit Erfolg begegnen zu können. Auf die dritte und zweite Klasse, für welche ein zweijähriger Lehrcursus vorschriftsmäßig besteht, ist die Bestimmung, daß aus ihnen die Schüler jedesmal erst nach zwei Jahren versetzt werden dürfen, nicht anwendbar, einerseits, weil diesen Klassen in Folge der Versetzung aus der nächst vorhergehenden untern alljährlich neue Schüler zugeführt werden, welche ohnehin eine Teilung des zweijährigen Cursus nothwendig machen, andererseits, weil in diesen Klassen die körperliche und geistige Entwickelung der Schüler schon so weit gediehen ist, daß ihnen ohne Gefahr die Möglichkeit eröffnet werden kann, durch erhöhten Fleiß auch in einem kürzerem Zeitraum das Bildungsziel ihrer Klasse zu erreichen.

            Dem angeordneten Klassensystem gemäß, darf die Versetzung aus einer Klasse in die andere nicht nach einzelnen, sondern muss nach allenLehrgegenständen erfolgen, es muß folglich jeder, welcher auf Versetzung Ansprüche macht, wenn auch nicht in allen Lehrobjecten durchaus gleichmäßig fortgeschritten, doch in den Hauptlehrgegenständen, an welchen sich seine Gesamtbildung am füglichsten prüfen lässt, zu dem für die zunächst höhere Klasse unentbehrlichen Grade der Reife gelangt sein.

            7) Ob und in wie weit die Schüler der ersten Klasse die Gesamtbildung, welche der Zweck des ganzen Gymnasialunterrichts und das nothwendige Erfordernis zu einem gedeihlichen wissenschaftlichen Studium ist, wirklich erlangt haben, wird durch die Prüfung der zu Universität Abgehendenermittelt.

            Bei dem über diese Prüfung unter dem 4. Juni 1834 erlassenen Reglement waltete die Absicht vor, die Zielleistungen des Gymnasiums seinem Zwecke gemäß und zugleich genauer, als in der Instruction vom 25. Juni 1812 geschehen war, festzustellen, jedem Lehrgegenstande die ihm im Organismus des Gymnasialunterrichts gebührende Geltung zu verschaffen, in einem enger gezogenen Kreise des positiv zu Lernenden eine gleichmäßige und intensiv gründliche Durchbildung der Schüler herbeizuführen und die einzlen Anforderungen an die Abiturienten so zu ermäßigen, daß jeder Schüler von hinreichenden Anlagen und von gehörigem Fleiße der letzten Prüfung mit Ruhe und ohne ängstliche und in der nächsten Folge nach der Anstrengung erschlaffende Vorbereitungsarbeit entgegen sehen könnte. Dieser dem Reglement zum Grunde liegenden Absicht entsprechen auch die einzelnen Bestimmungen desselben. Die näheren Momente, welche aus dem Begriffe der von den Abiturienten zu fordernden Gesamtbildung hervorgehen, die Lehrgegenstände, an welchen sie sich in verschiedenen Abstufungen bethätigen, der Maßstab, nach welchem sie beurteilt werden, und die Gesichtspunkte, denen die Prüfungscommission bei ihrem ganzen Geschäfte folgen soll, sind so bestimmt angegeben, daß Voraussetzungen und Folgerungen, welche mit dem Reglement im grellsten Widerspruche stehen, nicht wohl erwartet werden konnten. Dennoch haben sich solche Mißverständnisse geltend zu machen gesucht. So ist behauptet worden, daß das Reglement, indem es allen Fächern eine entschiedene und normirte | [61] Geltung bei der Beurteilung der Reife einräume, die Schüler der obersten Klasse das letzte Jahr hindurch zu einem polyhistorischen Treiben und einem encyklopädischen Gedächtniswesen verurteile, von ihnen verlange, über alles in zehn Jahren historisch Erlernte in wenigen Stunden Rechenschaft abzulegen, und den Nutzen, den der Unterricht in den einzelnen Wissenszweigen gewähre, allein nach dem abmesse, was davon nachweislich behalten worden. Und dennoch wird in dem Reglement weder einzelnen noch vielen, noch allen Lehrobjecten, sondern nur der an ihnen gewonnen Gesamtbildung des Geprüften, der durch längere Beobachtung begründeten Kenntnis der Lehrer von seinem ganzen wissenschaftlichen Standpunkte, und dem Gesamteindrucke, den seine Prüfung gemacht hat, in Hinsicht auf die Beurteilung seiner Reife ein entscheidendes Gewicht beigelegt. Durch die weitere Bestimmung des Reglements, nach welcher die Zulassung zur Prüfung von einem zweijährigen Aufenthalte in der ersten Klasse abhängig gemacht ist, soll und kann bewirkt werden, daß der Unterricht in der ersten Klasse nicht in ein Abrichten für die Prüfung ausarte, daß die Schüler, um bei einem stätigen Fleiße ohne Uebereilung in ihrer wissenschaftlichen und sittlichen Ausbildung langsam reifen zu können, die erforderliche Zeit behalten, daß sie sich, statt durch ein hastig zusammengerafftes Wissen verwirrt und erdrückt zu werden, sicher und gründlich vorgebildet, mit frischer Kraft, mit freudigem Muthe und mit freier Umsicht zur letzten Prüfung stellen können. Während das Reglement, wie es sein Zweck erfordert, die aus dem Gymnasialunterricht sich ergebenden Gegenstände der schriftlichen und mündlichen Prüfung aufzählt und für jeden das mittelst dieses Unterrichts zu erreichende ideelle Ziel feststellt, unterscheidet dasselbe diese letzteren Bestimmungen, welche ausdrücklich den Prüfenden nur bei der Schlußberathung zur leitenden Richtschnur für die Erteilung des Zeugnisses der Reife dienen sollen, aufs unzweideutigste von dem Maßstabe, der für den Act der Prüfung selbst in Anwendung kommen und eben kein anderer sein soll, als der, welcher dem Unterrichte in der ersten Klasse und dem Urteile der Lehrer über die Leistungen der Schüler dieser Klasse zum Grunde liegt. So unmöglich es ist, daß ein verständiger Lehrer der ersten Klasse von seinen Schülern verlange, über alles, was ihnen in  dem zweijährigen Lehrcursus gelehrt und vorgetragen worden, binnen einigen Stunden Rechenschaft abzulegen, und so wenig es ihm einfallen wird, den Grad ihrer durch die einzelnen Lehrgegenstände errungenen geistigen Bildung nur nach dem, was sie auswendig gelernt und behalten haben, abzumessen, eben so entfernt ist auch das Reglement von solchen verkehrten Forderungen, und wenn sie nichts desto weniger gemacht werden sollten, so ist es Pflicht des Königl. Prüfungscommissarius, einem solchen Unfuge mit Nachdruck entgegen zu treten und den Geist und wesentlichen Inhalt des Reglements gegen jegliche Mißdeutung und falsche Anwendung seiner einzelnen Bestimmungen geltend zu machen. Dem Ministerium gereicht es in dieser wichtigen Angelegenheit zur Beruhigung, daß sämtliche K. Prov.-Schulcollegien, im Einverständnisse mit dem Urteile unbefangener und einsichtiger Schulmänner, die Forderungen des Reglements an den zur Universität zu entlassenden Schüler nicht für zu hoch gestellt, sondern für angemessen und eine Herabsetzung derselben für unräthlich und unthunlich erachten. Besonders erfreulich ist die aus mehreren Provinzen der Königl. Staaten erfolgte Anzeige, daß der Hauptzweck des Reglements, eine lebendige und regelmäßige Teilnahme an den Unterrichtsgegenständen zu wecken, der tumultuarischen Vorbereitung ein Ziel zu setzen und durch die consequente Richtung der Schüler auf das Wesentliche und Dauernde dem unruhigen und leidenschaftlichen Streben der Eitelkeit und des Ehrgeizes einen Zügel anzulegen, schon in mehreren Gymnasien glücklich erreicht wird. Wenn ungeachtet dieser wohlthätigen Wirkung, die das neue Reglement auf das Schulleben auszuüben beginnt, noch immer bemerkt wird, daß die Aussicht auf die Prüfung, weil von ihrem Ergebnisse eine für den weiteren Lebensgang und die Ehre der Schüler bedeutende Entscheidung abhängt, bei manchem unter ihnen Unruhe, Angst und ein erschlaffendes Uebermaß der Anstrengung veranlaßt, und wenn zur Beseitigung dieses Uebelstandes, der mehr oder weniger mit jeder Prüfung selbst in den reifern Lebensjahren verbunden ist, eine Vereinfachung besonders der mündlichen Prüfung gewünscht wird, so ist der Erfüllung dieses Wunsches schon durch das Reglement selbst vorgesehen, welches der pflichtmäßigen Beurteilung der Prüfungscommission anheimstellt, die mündliche | [62] Prüfung in gewissen Fällen zu beschränken. Das Ministerium darf erwarten, daß die Prüfungscommissionen von dieser Bestimmung des Reglements den angemessensten Gebrauch zu machen fortwährend bemüht sein werden. – Die Religionslehre, wie von mehreren Seiten in Vorschlag gebracht ist, ganz von der Prüfung auszuschließen, erscheint um so weniger thunlich, je unerläßlicher es ist, daß der abgehende Schüler gerade in dem wesentlichsten und wichtigsten Lehrgegenstande irgend ein Zeugnis ablege, in wie weit er die ewigen Wahrheiten des Christentums aufgefaßt und sich ihren lebendigen Zusammenhang zum Bewußtsein gebracht habe.

            8) Mehrere sachverständige Stimmen äußern, dass die verkehrte Methode, in welcher die Lehrgegenstände nicht selten noch behandelt werden, die wunde Stelle der Gymnasien sei. Zwar wird in aufrichtiger Achtung gegen den gegenwärtigen Lehrstand anerkannt, daß die Lehrstellen an den Gymnasien dem größten Teile nach mit Männern besetzt sind, die sich durch gründliche gelehrte Bildung, durch reges wissenschaftliches Streben, durch echte Religiösität, Sittlichkeit und Unbescholtenheit des Wandels, durch edle würdige Haltung, sowie durch Fleiß, Gewissenhaftigkeit und Treue in ihrem Berufe auszuzeichnen. Aber zugleich erhebt sich gegen einen Teil dieser Männer die Anklage, daß, während das Elementarschulwesen in den letzten Jahrzehnten in Hinsicht auf Didaktik und Methodik ungemein verbessert und ein Stand von Lehrern gebildet worden, die wegen ihrer pädagogischen Gewandtheit und wegen ihres Geschicks, große Massen zu beleben, in ihrem Kreise sich als Meister zeigen, sehr viele und besonders die jüngern Gymnasiallehrer das Studium der Pädagogik nicht gehörig beachten, die schwere Kunst des Unterrichtens vernachlässigen, die erfreulichen Fortschritte, welche die Elementarschule in dieser Beziehung gemacht hat, entweder gar nicht kennen oder doch nicht benutzen und sich gerade den wichtigsten Teil ihres Berufs, die ihnen anvertrauten Lehrfächer und Klassen in der rechten Methode zu behandeln, nicht gebührend angelegen sein lassen. Eben diesen Lehrern wird zum Vorwurfe gemacht, daß sie in verkehrter Methode aus falscher Gründlichkeit ihre Schüler mit einer erdrückenden Masse materiellen Wissens überhäufen, daß sie in Ueberschätzung des ihnen angewiesenen Lehrfachs sein Verhältnis zu dem Gesamtzwecke, dem es als untergeordnetes Mittel dienen soll, aus den Augen setzen, daß ihnen endlich, indem sie die Lehrweise der Universitäts-Professoren nachahmen, in ihrem Vortrage die belebende Frische und Regsamkeit sowie das Geschick abgehe, sich dem jugendlichen Geiste anzuschließen, seine Bedürfnisse und Kräfte richtig zu würdigen und eine größere Masse von Schülern zu durchdringen und zu beseelen. Nicht weniger wird behauptet, daß der Erfolg ihres Unterrichts, wie es bei einer so verkehrten Methode nicht anders sein könne, wenig befriedigend sei und besonders in den alten Sprachen, in der deutschen Sprache und in der Geschichte zu den großen Anstrengungen, welche sie selbst machen und auch ihren Schülern zumuthen, in keinem Verhältnisse stehe, daß sie aber in großer Selbstverblendung den Grund hiervon ganz und gar nicht in sich selbst, in ihrer Unkenntnis der Methode, in ihrem zweckwidrigen Verfahren, sondern lediglich in der geistigen Stumpfheit, Gleichgültigkeit und Starrheit ihrer Schüler suchen und deshalb auch nicht müde werden, über die Schlaffheit, den Unfleiß und die Regungslosigkeit derselben Beschwerde zu führen. Solche und ähnliche Anklagen sind nicht blos gegen diesen oder jenen, sondern gegen eine Mehrzahl der Gymnasiallehrer erhoben. Das Ministerium kann sie nach der Natur der Sache aus einer durch unmittelbare Anschauung gewonnenen Erfahrung im Ganzen weder widerlegen noch bestätigen. Wenn gleich zur Beruhigung des Ministeriums durch einzelne von ihm selbst gemachte Wahrnehmungen und durch das Ergebnis der von den K. Prov. Schulcollegien angestellten Beobachtungen das Gewicht jener Anklage um ein Bedeutendes vermindert wird, so schien es doch nothwendig, die selbe in ihrer ganzen Strenge und Herbheit den Gymnasiallehrern vorzuhalten, damit jeder unter ihnen sich selbst prüfe, ob und in wie weit auch ihn der Vorwurf trifft, durch blinden Eifer und verkehrte Methode seine Schüler in ihrer geistigen Entwickelung gehemmt und ihnen die segensreiche Frucht eines zweckmässigen Gymnasialunterrichts verkümmert zu haben. Mit der Erkenntnis von der Natur und der Quelle des Uebels, an welcher nach obiger Anklage die Gymnasien kranken, wird auch schon der erste Schritt zu seiner Heilung, und zwar um so | [63] sicherer gethan sein als die Hülfe gegen die Krankheit von den Lehrern selbst ausgehen muß. Je weniger die Methode des Unterrichts und der Erziehung in den Gymnasien Gegenstand einer gesetzlichen Vorschrift sein kann, und je größere Schwierigkeiten und Hindernisse sich gegenwärtig den Gymnasien in der Mannigfaltigkeit und dem Umfange der Lehrobjecte, in der Ueberfüllung der Klassen, in der Verschiedenartigkeit der Schüler einer und derselben Klasse, in der oft verkehrten häuslichen Erziehung und in der materiellen Richtung der Zeit entgegen stellen, um desto unerläßlicher ist es, daß der Lehrer selbst aus freiem Entschlusse das Wesen der Methode und ihre der Verschiedenheit der Lehrobjecte und der Klassen entsprechende Gestaltung zu einem ernstlichen Studium mache, um desto dringender ist zu wünschen, daß er durch sorgfältiges Achten auf sich selbst und auf den größern oder geringern Erfolg seines Unterrichts, durch sinniges liebevolles Eingehen in die Lehrweise Anderer, die für Meister im Unterrichten gelten, durch rastlose Uebung und durch eine Strenge, die sich selbst nimmer genügt, seine Methode zu verbessern und dem Inhalte seines Unterrichts die angemessenste Form zu geben bestrebt sei. Eine weitere Hülfe gegen das fragliche Uebel ist von den Directoren zu erwarten, welche nicht nur sich selbst in ihrem Unterrichte einer zweckmäßigen Methode befleißigen und hierin als Muster vorleuchten, sondern auch durch häufigen Besuch der einzelnen Klassen sich von der in ihnen herrschenden Lehrweise in vertrauter Kenntnis erhalten, wahrgenommene Mißgriffe rügen und abstellen und jede schickliche Gelegenheit, namentlich die vorschriftsmäßigen Lehrerconferenzen benutzen müssen, um alles, was die Methode des Unterrichts, und dadurch seinen Erfolg fördern kann, zur Sprache und zur Berathung zu bringen. Einen wohlthätigen Einfluß wird in dieser Beziehung auch die folgerechte Durchführung des Klassensystems haben, teils indem dasselbe die Zahl der Lehrer und dadurch auch die bisherige zu große Verschiedenheit der Methoden in den unteren und mittleren Klassen vermindert, teils indem durch dasselbe die Lehrer veranlaßt werden, das jeder Klasse gestellte Ziel und die Individualität des einzelnen Schülers schärfer ins Auge zu fassen und durch Erforschung und Anwendung der zweckdienlichsten Mittel ihrem Unterrichte einen bessern Erfolg zu sichern. Nicht minder wirksam wird sich das zu diesem Zwecke angeordnete Probejahr bewähren, wenn die Directoren und Klassen-Ordinarien die Pflichten, welche ihnen in Bezug auf die zu einem gelehrten Schulamte sich ausbildenden Kandidaten durch die Circ.-Verfügung vom 24. Sept. 1826 auferlegt sind, mit Liebe, Treue und Hingebung erfüllen, und besonders die erstern eine Ehre darin suchen, das ihrer Leitung anvertraute Gymnasium zu einer Pflanzschule auch für Lehrer zu machen. Damit eine bessere Methode des Unterrichts je länger je mehr in den Gymnasien einheimisch werde, haben die K. Prov.-Schulcollegien bei ihren Vorschlägen zur Wiederbesetzung erledigter Lehrstellen die Candidaten, welche außer den übrigen erforderlichen Eigenschaften auch ein ausgebildetes Lehrtalent und Einsicht in das Wesen der Methode besitzen, vorzüglich zu berücksichtigen, die Abfassung und Einführung zweckmäßiger Lehrbücher und Sprachlehren auf alle Weise zu fördern, für die richtige Abgrenzung der Lehrpensa in jeder Klasse zu sorgen und bei der Revision der Gymnasien, bei der Prüfung der Abiturienten, wie bei jeder andern schicklichen Gelegenheit, Mißgriffe und Ungeschicklichkeiten einzelner Lehrer in der Methode nicht unbemerkt zu lassen. Zu gleichem Zwecke und damit allmählich in hinreichender Zahl für die Gymnasien Lehrer herangebildet werden, welche sich die Kunst des Unterrichtes theoretisch und praktisch angeeignet haben, wird das Ministerium Bedacht nehmen, den schon bestehenden pädagogischen Seminarien so bald wie möglich eine noch zweckmäßigere und dem allgemein anerkannten dringenden Bedürfnisse der Gymnasien immer mehr entsprechende Einrichtung zu geben.

            9) Endlich will das Ministerium noch der körperlichen Übungen gedenken, deren allgemeine Einführung von der Mehrzahl der K. Prov. Schulcollegien und von fast allen Directoren und Lehrern der Gymnasien nicht nur lebhaft empfohlen, sondern auch als ein unabweisbares Bedürfnis der Gegenwart dargestellt wird. Gewiß verkennt das Ministerium den vielfachen Nutzen regelmäßiger, gehörig geordneter und mit Einsicht geleiteter Leibesübungen nicht und teilt die Ansicht aller unbefangenen und erfahrenen Freunde der Jugend, daß die körperliche Ausbildung der Schüler in den Gymnasien eben so wenig als die geistige | [64] dem Zufall zu überlassen ist, und daß, wo unvermeidlich die meiste Zeit geistigen Uebungen gewidmet werden muß, es desto nothwendiger wird, die für die Körperbildung erübrigten Stunden sorgfältig auszukaufen. Auch kann für die allgemeine Einführung der Leibesübungen bei den Gymnasien geltend gemacht werden, daß der Staat, während er einerseits durch seine gesteigerten Anforderungen bei der Prüfung seiner künftigen Beamten die Jugend schon in den Gymnasien zur Gewöhnung an eine erhöhte geistige Anstrengung nöthigt, andererseits von eben dieser Jugend, um den Beschwerden während des pflichtmäßigen Dienstes im Königl. Heere gewachsen zu sein, einen gesunden, rüstigen und wohl ausgebildeten Körper verlangt, und daß es folglich sehr rathsam ist, diese beiderseitigen Forderungen durch eine passende Maßregel, die allgemeine Einführung geregelter Leibesübungen zu vermitteln und auszugleichen. Aber nicht ohne Grund kann gefragt werden, ob die körperlichen Uebungen ihrer Natur nach in den Kreis der Gymnasialbildung gehören, ob nach der allgemeinen bis jetzt bestehenden gesetzlichen Verfassung des öffentlichen Unterrichts den Gymnasien, und nur ihnen die Verpflichtung obliegt, wie für die geistige, eben so für die körperliche Erziehung und Ausbildung ihrer Schüler zu sorgen, ob sie Vermögen und Mittel besitzen, die Schwierigkeiten ihrer ohnehin verwickelten Aufgabe noch durch diese neue Sorge zu steigern und zu vermehren, und endlich, ob die Behauptung sich als wahr bestätigt, daß die körperliche Ausbildung der Jugend in den Gymnasien dem Zufalle überlassen ist, wenn sie auch künftig wie bisher der pflichtmäßigen Sorge der Eltern anheimgestellt bleibt. Das Ministerium nimmt keinen Anstand, diese Frage im Allgemeinen zu verneinen und hiervon nur die Gymnasien auszunehmen, welche mit einem Alumnate verbunden und somit verpflichtet sind, sich statt der Eltern der Sorge auch für die körperliche Ausbildung ihrer Zöglinge zu unterziehen. Von den Gymnasien kann nur verlangt werden, daß sie die körperliche Gesundheit ihrer Schüler während der Lehrstunden möglichst vor jeglichem nachteiligen Einflusse schützen und bei den Aufgaben für die häuslichen Arbeiten ihnen die zur Erholung und zu körperlichen Uebungen erforderliche Muße übrig lassen. Dieser Ansicht ungeachtet ist das Ministerium weit entfernt, dem löblichen Eifer aller der Gymnasialdirectoren und Lehrer entgegen treten zu wollen, welche ihre treu gemeinte Sorge für das Heil der ihrem Unterrichte anvertrauten Jugend auch auf die körperliche Ausbildung derselben auszudehnen besonders deshalb für räthlich und nothwendig erachten, damit durch zweckmäßige Einrichtung körperlicher Uebungen dem verderblichen Einflusse einer verweichlichenden häuslichen Erziehung gesteuert, der rechte Sinn und die wahre Achtung auch für körperliche Ausbildung geweckt und gewonnen, und die Gymnasialjugend sowohl mit den Mitteln, dieselbe auf eine vernünftige Weise zu fördern, bekannt gemacht, als auch durch Warnung, Belehrung und Beispiel von alle dem, was auf die Gesundheit des Körpers schädlich einwirkt, abgezogen und für aufgegebene unzeitige Genüsse durch Freuden und Erholungen, die dem Jugendalter entsprechend und ersprießlich sind, entschädigt werde. Es ist hierbei nicht zu übersehen, daß auch ohne künstlich veranstaltete Leibesübungen schon durch angemessene Erholungen der Jugend in der freien Natur für die Entwickelung ihrers Körpers und selbst zur Erreichung noch anderer die ganze Bildung fördernder Zwecke sehr viel geschehen kann. Indessen bei dem sehr günstigen Ergebnisse, welches die schon seit längerer Zeit bei mehreren Gymnasien wieder eingeführten körperlichen Uebungen nach dem Urteile der K. Prov. Schulcollegien gehabt haben, trägt das Ministerium weiter kein Bedenken, auch bei den übrigen Gymnasien die Einführung geregelter körperlicher Uebungen unter Leitung und Aufsicht eines hierzu geeigneten Lehrers und unter Verantwortlichkeit des Gymnasialdirectors hierdurch ausdrücklich zu gestatten. Jeden Schüler, der seine Untauglichkeit zu solchen Uebungen nicht durch ein ärztliches Zeugnis nachweisen kann, zur Teilnahme an denselben zu verpflichten, scheint eben so wenig räthlich, als auf den Erfolg dieses Unterrichts selbst in dem Zeugnisse der zur Universität abgehenden Schüler Rücksicht zu nehmen. Vielmehr genügt es für den beabsichtigten Zweck, wenn den Schülern bei jedem Gymnasium Gelegenheit zu regelmäßigen körperlichen Uebungen unter Aufsicht und Leitung eines Lehrers gegeben und die Teilnahme von der freien Wahl der Schüler und von der Zustimmung der Eltern abhängig gemacht wird. Zur Bestreitung der Kosten, welche aus einer solchen Einrichtung erwachsen, sowie des den Lehrern billiger Weise gewährenden Honorars, ist entweder ein angemessener außerordentlicher Beitrag | [65] von den an diesen Uebungen teilnehmenden Schülern zu erheben oder nach Befinden der Umstände das vierteljährliche Schulgeld für alle Schüler etwas zu erhöhen, wenn sich nicht durch eine freie Uebereinkunft, besonders mit den städtischen Behörden, der Aufwand ganz oder größten Teils decken läßt, wie solches nach vorliegenden Beispielen bei gehöriger Einleitung und möglichster Beschränkung der Anforderung wohl zu erwarten ist. Ueber die Art und Form, in welcher diese körperlichen Uebungen zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks in den verschiedenen Gymnasien einzurichten sein werden, enthält sich das Ministerium für jetzt der nähern Vorschriften und überläßt den K. Prov.-Schulcollegien, nach dem noch zu erfordernden Gutachten der Directoren und Lehrer und unter Berücksichtigung der verschiedenen örtlichen Verhältnisse die weiter nöthigen Maßregeln zu ergreifen. Nur muß der Zweck dieser Leibesübungen, die Gesundheit der Jugend zu stärken und ihren körperlichen Anlagen den hinreichenden Grad der Entwickelung zu verschaffen, überall mit Strenge als wesentlichste und unerläßlichste Bedingung ins Auge gefaßt und den Directoren und Lehrern der Gymnasien, bei welchen die Einführung solcher körperlichen Uebungen nöthig und thunlich erscheint, mit der Berechtigung die Verpflichtung auferlegt werden, auch diesen Zweig des Unterrichts zu leiten und zu beaufsichtigen und von demselben alles Ungehörige und Zweckwidrige fern zu halten.

            Indem das K. Prov.-Schulcollegium beauftragt wird, von dem Inhalte dieser Verfügung die Directoren und Lehrer der Gymnasien seines Bereichs in Kenntnis zu setzen und alles weiter Erforderliche zu veranlassen, giebt das Ministerium zugleich der zuversichtlichen Hoffnung Raum, daß die umsichtige Durchführung der im Obigen gegebenen Bestimmungen nicht nur manche wesentliche Gebrechen in den Gymnasien beseitigen, sondern auch in Verbindung mit einem Religionsunterrichte, welcher, den Vorschriften des Ministeriums gemäß, den ganzen Inhalt des christlichen Glaubens im rechten Geiste und in angemessener Methode lehrt, neue heilsame Bewegung und frisches Leben in diese Anstalten bringen, und so wenigstens mittelbar der gegen sie aufgezeigte Kampf dennoch wohlthätige Früchte für die höhere Jugendbildung tragen werde.

            Berlin, den 24. October 1837.

Ministerium der Geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten.

v. Altenstein.

 

An

sämtliche Königl. Provinzial-Schulcollegien und

Abschrift an sämtliche Königl. wissenschaftliche

Prüfungscommissionen und Königl. Regierungen.

 

a. Allgemeine Übersicht

der für die Gymnasien angeordneten Lehrgegenstände und der jedem Lehrgegenstände in jeder Klasse zu widmenden wöchentlichen Stundenzahl.

 

 

 

 

                             Lehrgegenstände.

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Lateinisch      

Griechisch   

Deutsch      

Französisch

Religionslehre

Mathematik

Rechnen und geometrische Anschauungslehre

Physik

Philosophische Propädeutik

Geschichte und Geographie

Naturbeschreibung

Zeichnen

Schönschreiben

Gesang

Zahl der wöchentlichen Lehrstunden

Hebräisch für die künftigen Theologen

8.

6.

2.

2.

2.

4.

 

2.

2.

2.

 

 

 

 

30.

2.

10.

6.

2.

2.

2.

4.

 

1.

 

3.

 

 

 

 

30.

2.

10.

6.

2.

2.

2.

3.

 

 

 

3.

2.

 

 

2.

32.

10.

6.

2.

 

2.

3.

 

 

 

2.

2.

2.

1.

2.

32.

10.

 

4.

 

2.

 

4.

 

 

3.

2.

2.

3.

2.

32.

10.

 

4.

 

2.

 

4.

 

 

3.

2.

2.

3.

2.

32.