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Lin Chen

Institut / Einrichtungen:

Fachgebiet / Arbeitsbereich:

Performative Transformations of the Ambiguous Body

Doktorandin

Adresse
Grunewaldstr. 34
12165 Berlin

Performative Transformations of the Ambiguous Body

Es wäre eine lange Geschichte, wollte ich von meinen Erfahrungen mit Kunqu (meist mit Kun Oper übersetzt) erzählen. Von der vereinzelten Begeisterung für eine bestimmte Kunqu-Aufführung zu einer Liebhaberin, von der eingeweihten Teilnehmerin nach und nach zu einer Kunqu-Sängerin, von der Amateurdarstellerin zu einer Verteidigerin – meine Kunqu-Erfahrung ähnelt dem Weg eines Pilgers.

Meine Dissertation über Kunqu beginnt mit einem kurzen historischen Abriss über die Entstehung und Entwicklung des Kunqu und dessen besonderer Beziehung zur Klasse der Gelehrten (Shi ), gefolgt von einem systematischen Überblick über die Charakteristika des Kunqu, die dieses von allen anderen traditionellen chinesischen Theaterformen unterscheiden.

Auf dieser Grundlage konzentriere ich mich auf drei Aspekte:

1. Kunqu als letzte Form einer musikalischen Ausbildung, die mit dem klassischen Gelehrtentum verbunden ist und damit Abkömmling der Verbindung von Hoch- und Volkskultur in der Ming Dynastie (1368-1644) ist, in welcher Kunqu die Funktion einer Bildungsinstitution im öffentlichen Raum inne hatte.

2. die Rolle des Rituals in Kunqu seit der Ming-Dynastie und der ritualisierte Status heutiger Kunqu-Aufführungen. U.a. untersuche ich die Gebräuche hinter den Kulissen als Verkörperung der Deutung des I Ging und des Daoismus, welcher im Vergleich zum Konfuzianismus immer als niedere Volkskultur galt.

3. die Geschichte von Kunqu als Spiegel der Geschichte einer sozialen Klasse von der Ming Dynastie bis heute, insbesondere seit 1949, und als performativer, diese Klasse verändernder Kraft von 1949 bis heute, d.h. Kunqu als dramatische Repräsentation von Identität und Politik und als eine diese transformierende Institution. 

Um diese drei Aspekte im Schnittpunkt zwischen Ästhetik, Religion, Pädagogik und Politik fassen zu können, schlägt meine Dissertation eine methodologische und terminologische Verschiebung vor: Sie verlagert den Schwerpunkt von der semiotischen Analyse, wie sie in der Regel zur Untersuchung von Kunqu verwendet wird, zu der Analyse von Aspekten der Performativität.