Springe direkt zu Inhalt

Ekphrasis und Literarizität in der englischen Literatur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit

Das Projekt untersucht Wissenswandel und Traditionsbildung innerhalb der englischen Literatur am Beispiel der topischen Figur der Ekphrasis, hier im engeren Sinne als literarische Bildbeschreibung meist imaginärer Kunstwerke zu verstehen.

Dies wird unter der Vorgabe möglich, dass die Ekphrasis als Topos aufgefasst wird, der einerseits Wissen bindet und verfügbar macht, dieses Wissen aber gleichzeitig flexibel hält und in immer neuen literarischen Kontexten präsentiert.

In der besonderen Situation der englischen Literatur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit ereignet sich die Appropriation,  Dynamisierung und Fragmentierung des topischen Wissens auch als politischer Prozess, der das verlockende Versprechen der Topik, von den Zumutungen der Geschichte zu entlasten, in Frage stellt.

Indem nämlich über die Ekphrasis zentrale Fragen kultureller Tradition und Identität problematisiert werden, wird die Ekphrasis selbst zu einem Schauplatz der Auseinandersetzung mit der Geschichte auf vielfältigen Ebenen, bis hin zur Frage der Geschichtlichkeit des Wissens selbst.

Durch diese Grundannahme rückt die Figur der Ekphrasis in der englischen und mittelschottischen Literatur des 15. und frühen 16. Jahrhunderts sowie in der Literatur der Shakespeare-Zeit doppelt ins Blickfeld: erstens hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Inszenierung von Literarizität und zweitens hinsichtlich ihrer Tradition in der englischen Literatur seit Chaucer.

In ihrer vielseitigen Funktionalisierbarkeit dient die Ekphrasis der repräsentationstheoretischen Reflexion, als Waffe im Wettstreit der Künste und als narratologisches Strukturelement.

Zwischen der Theoretisierung der Ekphrasis in Antike, Mittelalter und Renaissance – sie wird in den Rhetoriken und Poetiken ausschließlich als descriptio im Dienste der enargeia konzeptualisiert – und den komplexen Formen ihrer metapoetischen und traditionskonstituierenden Verwendung klafft jedoch eine Lücke, deren Potenzial zu ergründen Ziel des vorliegenden Projektes ist.

Es gilt die Ekphrasis als  Schauplatz und Quelle impliziten repräsentationstheoretischen Wissens von Literatur zu untersuchen, das  sich nur in der Dynamisierung und Fragmentierung der Tradition selbst manifestiert.

Ekphrasis wird in den genannten Epochen, so eine der leitenden Thesen des Projekts, zum zentralen Ort, an dem Inhalte und Prinzipien der Memorialverwaltung ebenso wie das Konzept der Traditionalität selbst diskutierbar werden. In diesem spezifischen Zusammenhang löst die Topik ihr zwiespältiges Versprechen, Geschichte scheinbar still zu stellen, gerade nicht ein, sondern sie wird zu einem Schauplatz von Konflikten, in denen das Ästhetische politisch wird.

Deutsche Forschungsgemeinschaft