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Chen Jaqi

(deutsche Übersetzung Zhang Deng)

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Chen Jaqi

 


Jenseits des Intellektuellen - zum Sinn des lakonischen Stils bei Nietzsche

(aus: »Bücherhaus« 2001, Nr. 1)

 

Nietzsche ist unerschöpflich.

 

Als ich Liu Xiaofengs „Der Sinn des lakonischen Stils bei Nietzsche” (»Bücherhaus« 2000, Nr. 10) fertig gelesen hatte, war ich überrascht, von einer so offensichtlichen Tatsache zutiefst schockiert zu sein: „Philosophen ergehen sich im Intellektuellen und streben nach der Wahrheit. Für das „Volk” ist es nicht immer möglich ihnen darin zu folgen. Sie führen kein vorrangig kontemplatives Leben, Ringen nicht mit der und um die Wahrheit„ (die folgenden Zitate, für die keine Quelle angegeben werden, sind alle aus demselben Text zitiert: Xiaofeng Liu, Nietzsches Implikation. Aus: Bücherhaus. 2000, Nr. 10).

Was ist also die Aufgabe des Philosophen als Mittler zwischen politischer und kontemplativer Existenz? Zunächst gilt, dass: „die Beziehung der Philosophie zum Volk primär ist, die dem philosophischen Denken vorausgeht“ und dass es „die Hauptsache ist, zu wissen, mit wem man spricht und wie man sich jeweils entsprechend artikuliert (eine Frage, die heute zum Beispiel in der Diskursanalyse auf den Kopf gestellt wird als: Wer spricht?)“. Es ist ja nicht immer der gleiche Sprecher, der spricht. Und das Sprechen bedeutet nicht immer auch eine Klarstellung der Sache. So entsteht der Konflikt zwischen Lüge und Denken.

Was spricht gegen den klarstmöglichen Stil philosophischer Diskurse?

Außer darin, dass „das Volk kein kontemplatives Leben führt„, liegt das Problem eher in der „Philosophie als zunächst und im Wesentlichen politisch relevanter Tätigkeit„. Sie ist mit den Fragen nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Wohltätigkeit als Kriterien staatlichen Handelns, mit der „Magie“ des Herrschens eng verknüpft. Würde diese „Magie des Herrschens“ lediglich das individuelle Schicksal des Herrschers beeinflusst, bestünde darin kein großes Problem. Gravierend wird dieses Verhältnis erst, wenn „das Gesagte auch die praktische Welt als Geißel nehmen kann“ (Ich befürchte, dass dieses Urteil allgemeingültig ist, also nicht auf das Chinesische beschränkt werden kann). KANG Youwei hat gesagt: „Dem Volk darf nicht bewusst gemacht werden, weswegen der Weise, während er herrscht, zumeist nicht offen aussprechen darf, was verhüllt bleiben muss. Und indem er dies nicht tut, verhält er sich in guter Absicht.“

Ist dies ein unklares Argument? Eigentlich nicht. Es ist ja kein allzu gewagtes Urteil, dass „das Volk kein kontemplatives Leben im Sinne des Berufsphilosophen führt“; es ist auch bekannt, dass es in Bezug auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wohltätigkeit des Staats etwas gibt, das „unsagbar„ ist oder worüber sich „das Volk nicht bewusst werden darf“. Ansonsten „wird aus euren Bemerkungen eine gewaltigere Macht und eine neue Eroberung entstehen: Diese wird sowohl das Ei als auch die Schale zerbrechen.“

Infolgedessen ist die lebenslange Lüge der Philosophen wohl berechtigt: Sie lügen, um den anderen und auch sich selbst keinen Schaden zuzufügen. Ein Beispiel dafür ist Sokrates: Er bemühte sich um ein anständiges philosophisches Leben in einem demokratischen Land, hat jedoch Chaos im Volksglauben herbeigeführt und wurde schließlich in einem öffentlichen Prozess zum Tode verurteilt. „Somit ist der Tod Sokrates die Sache der Philosophen und bildet eigentlich ein Vorbild für sie. Dies hat Platon lebenslang beschäftigt.“

Wie Platon hat sich auch Nietzsche lebenslang mit dieser Konstellation auseinandergesetzt. Xiaofeng hat darauf hingewiesen. Natürlich ist der sogenannte „Hinweis“ auch von der Art des „Impliziert-Seins“, das nur von den „raren Gedanken“ erklärt werden kann. Keiner von uns könnte es wagen, die „raren Gedanken“ zu behaupten (dies allein zeigt schon den großen geistigen Abstand zwischen uns und Nietzsche), deswegen kann man nur mutmaßen. Da die Sache eine so große Relevanz hat, schadet das Mutmaßen nicht.

Die Frage kann wie folgt gestellt werden: Welche Schlussfolgerung kann man aus der Behauptung - „das Volk führt kein kontemplatives Leben“ - ableiten?

1. Der Satz besagt: „Das philosophische Leben ist auf das Lügen angewiesen, das seinerseits als eine vornehme Sache zu betrachten ist.“ Man darf hier „Lügen“ keineswegs in einem allgemeinen Sinne auffassen. Nietzsche hat gesagt, dass die Welt im Wesentlichen das ultimative Chaos (das fundamentale Nichts) ist; er hat auch gesagt, dass neue Werte geschaffen werden müssen. Wenn die Welt im Wesentlichen das ultimative Chaos ist, dann muss die Schaffung neuer Werte eine Lüge sein. Wie ist es aber möglich, in einer ultimativ chaotischen Welt die Schaffung neuer Werte zu erwägen? „Wenn Nietzsche beabsichtigt, den Leuten mitzuteilen, dass er sozusagen ins Nichts hinein grübelt, dann ist dies nicht als eine Täuschung des kreativen Lebens zu propagieren.“ Wenn aber die Welt im Wesentlichen gar kein ultimatives Chaos ist, sondern eher eine Ordnung, dann ist es ebenfalls Lüge zu behaupten, dass sie chaotisch ist. Nietzsche macht hier einen Unterschied: jene (die ultimative Natur der Welt sei Chaos zugunsten der Schaffung neuer Werte) sei eine aktive Lüge, oder man sagt: der edle Nihilismus; diese aber eine negative, die sich als dekadenter Nihilismus bezeichnen lässt. Nietzsche zieht die positive Lüge vor. Hierin bilden die „ewige Wiederkehr„ (der edle Nihilismus) und die „Übermensch“-Lehre (Schaffung neuer Werte) einen Widerspruch, den der „Willen zur Macht“ ausbalancieren soll.

2. Der so genannte „Wille zur Macht“ ist schließlich nichts Anderes als der Konflikt zwischen der kontemplativen Natur des Philosophen (eine besondere Art des Willens zur Macht) und der instinktiven Natur des Volkes (der allgemeine Wille zur Macht). Hierin liegt das kritische Moment, bei dem es sich um die Art und Weise handelt, wie man das Verhältnis der Philosophie / des Philosophen zum Volk bewältigt, sowie darum, inwiefern die Philosophie als ein praktisch-ontologisches Konzept verstanden werden darf. Der aus der kontemplativen Natur des Philosophen hervorgehende Wille zur Macht zeigt sich als der Wille zur Wahrheit, was dem Volk aber nicht klargestellt werden darf. Umso mehr darf man nicht klarstellen, dass das Wesen der Welt nichtig sei. Wieso das? Man mag sagen, dass der Staat dadurch zum Aufruhr gebracht werden könnte. Dies ist aber nur eine Oberflächlichkeit. Das grundlegende Problem liegt darin, dass die Menschen in Intelligenz und Begabung verschieden sind.

3. Dem Satz „das Volk kann man dazu bringen, (dem Rechten) zu folgen, aber man kann es nicht dazu bringen, ihn zu verstehen.“ (»Die Gespräche«, Buch VIII) entspricht die Aussage, dass „nur die höchststehenden Weisen und die tiefststehenden Narren unveränderlich sind“ (»Die Gespräche«, Buch XVII). In Platons Worten, Sokrates in den Mund gelegt, heißt es, dass der Mensch aus verschiedenen Elementen wie Gold, Silber, Kupfer und Eisen besteht, was sich auf die unterschiedliche Begabung des Menschen bezieht. „Daß dann das Gemeinwesen verloren sei, wenn Eisen oder Erz es bewache.“ Ob es Hayeks Absicht ist oder nicht, seine Lehre von der „spontanen Naturordnung“ kann nur auf einer aristokratischen Hierarchievorstellung beruhen, ansonsten wäre es widersinnig, wie überhaupt eine vernunftmäßige „Naturordnung“ aus der menschlichen Gesellschaft „spontaner Weise“ entstehen können. Würde man jedoch diese Wahrheit verkünden, würden alle Leute wütend sein und sich dagegen widersetzen.

4. Um dem Willen zur Macht in der Natur des Volkes entgegenzukommen, fangen einige Philosophen an, für die Seite des Volks zu reden. Das ist die Aufklärung, die von der Nachwelt auf die Spitze getrieben wurde. Die Moderne findet auch hier ihren Ursprung. Der Philosoph endet als „Schädling der Gemeinschaft. Er zerstört das Glück, die Tugend, die Kultur, und schließlich sich selbst.“

5. Einem Nihilisten wie Nietzsche bleibt als einzige Wahl übrig, eine „unschuldige Lüge“ zu erfinden, d. h. für sein lügendes Verhalten sich eine Lüge auszudenken, die gerechtfertigt werden kann. Wenn man dem Volk so etwas direkt ankündigt wie z. B. „Aus Drache wird Drache, aus Phönix wird Phönix“, wird es dem Volk nicht gefallen; deswegen geht er auf den Umweg der „Rhetorik“ und der „esoterischen Technik“, und das ist genau das, was Nietzsches „lakonische Worte“ implizieren. Kenntlich wird diese Haltung durch Worte wie z. B. „vorsätzliche Zweideutigkeit, Ironie, Übertreibung, Zitate, Anspielung, gezierte Sprache, Verzögerung und Winkelzüge“, denn er braucht eine „Gedanken-Maske“, um sich dahinter zu verstecken. Die wahre Absicht zu verhüllen, eher als dem Volk vorsätzlich entgegenzukommen, das ist die so genannte „edle Lüge“. Wenn man statt dessen auf der Seite des Volks für die Gleichheit plädiert und das „Naturgesetz“ durch das „Naturrecht“ zu ersetzen versucht, so macht man die „edle Lüge“ zu einer „verabscheuungswürdigen“. Das Wesen der Welt ist das ultimative Chaos und das grundlegende Nichts; das Volk führt kein kontemplative Leben; da die Menschen in Intelligenz und Begabung verschieden sind, darf der Philosoph dem Volk die durch Meditation gewonnene Wahrheit nicht einfach verkünden - all dies zusammen zwang Nietzsche, sich ins Lügen zurückzuziehen.

6. Zur „Geschicklichkeit“ gehört, zwischen den unsagbaren „lakonischen Worten“ und dem sagbaren „großen Sinn“ zu unterscheiden und auf diesem Grund die Philosophie in Dichtung zu verwandeln, damit „Philosophie an sich nihilistisch wird“. Somit „wird der künftige Philosoph davon berauscht sein, dass er die Tatsache - dass es auf dieser Welt überhaupt keine Wahrheit gibt - vergessen können wird“; so wird sich das Volk ebenfalls mit der Ästhetik der Poesie zufrieden geben. Für diejenigen, die die Worte nicht vom Sinn unterscheiden, gibt es nur zwei Konsequenzen: Entweder lassen sie Philosophie und Dichtung ständig im Konflikt stehen, oder sie führen herbei, dass die Philosophie schließlich von den empirischen Wissenschaften aus dem wissenschaftlichen Prachtbau verbannt wird, und dass von der philosophischen Kontemplation nicht mehr die Rede sein wird. Indem Nietzsche dergleichen behauptet, hat er es eigentlich gut gemeint, und zwar zugunsten der Philosophen und des Volkes: Die Unterscheidung zwischen Wort und Sinn hat zumindest ein geheimes Territorium für die Philosophie behalten und zur Befriedigung des Volkes beigetragen. Jene Philosophen aber, die sich als Repräsentant des Volkes behaupten, haben die philosophische Kontemplation endgültig beseitigt. Diese sind charakterisiert als: "个人为了自己和自己的存在而牺牲了人类".

7. Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist: „Der Kontemplation des Philosophen geht es vor allem um das eigene individuelle Leben, nicht um das Volk, ganz zu schweigen von Staat und Nation.” Seit der Aufklärung „trachteten die Philosophen danach, das Volk zum Kampf um Freiheit, Gleichheit und Demokratie zu leiten. Dabei vergessen sie ihre Berufung zur Kontemplation.” „Sie sind wirklich davon überzeugt, dass sie selbst Ärzte des Staates seien, das Volk leiten sollen und sogar Krankheiten des Staates und der Nation heilen können, ohne zu wissen, dass ein moderner Handwerker in Sokrates Hierarchie bloß zu den Erzhaltigen gehört hätte.” Dieses Problem spitzt sich zu in der Rousseauistisch-Rawlsschen „Theorie der Gerechtigkeit”, dem Kommunitarismus, der Neuen/Neusten Linken, aber auch dem Liberalismus, dem Konservatismus und Radikalismus. All diese sind aus Nietzsches „heimtückischer” Sicht gesehen „nichts als Nachkömmlinge einer Priester-Ethik.”

8. Diese sogenannte „Priester-Ethik“ bezieht sich eigentlich auf die Intellektuellen, die seit der Aufklärung die demokratische Modernität der Freiheit und Gleichheit entstehen ließen. „Diese sogenannte Modernität hat ihrerseits zur Folge, dass die legitime Grundlage der ‘edlen Lüge’ zu existieren aufgehört und sich die Grundlage der staatlichen Ordnung grundsätzlich geändert hat - auch ‘Eisen und Erz’ können den Staat verwalten, oder zumindest an der Verwaltung teilnehmen. Dass die ‘einfachen Leuten am Weisesten seien’ ist nicht mehr ein Unsinn zu sagen, sondern bildet vielmehr die Grundlage für die Staatsordnung.“ Nietzsche hat die „Priester- Ethik“ ebenfalls als „Herden-Moral der Intellektuellen“ bezeichnet. Darauf nehmen etwa Xiaofengs eigene Worte Bezug: „Herdenmoral der Intellektuellen? Haben wir nicht mit eigenen Augen gesehen, wie die Intellektuellen statt des Volkes miteinander wetteifern, noch mittelmäßiger, oder gar schurkenhafter, niederträchtiger, zynischer, unverschämter, falscher zu sein!“

9. Deswegen müssen wir hier die Intellektuellen seit der Aufklärung vom Volk unterscheiden: Sowohl die Kontemplation beim Philosophen als auch der Mangel der Besinnung beim Volk sind vollkommen berechtigt. Wir haben daran nichts zu tadeln. Schuldig sind die „priesterhaften Philosophen”, da sie die Staatsordnung (Hierarchie) zerstören (oder anders gesagt: umgewälzt) haben. Diese haben nicht nur jahrhundertelange Kriege herbeigeführt, sondern auch das Volk, das seinerseits unschuldig ist, mit ihren toxischen Gedanken vergiftet. Nietzsche hat gesagt:

„无学问的下层阶级现在是我们的唯一希望。......无学问阶级被现代教育的细菌感染毒害才是最大的危 险。"

(Dies klingt allerdings wie die Worte eines Revolutionärs - während eines Putsches - an die „ungebildete untere Schicht”.)

10. Wir fassen zusammen: „Früher standen Gott und seine göttliche Ordnung vor dem Nichts und trugen die daraus entspringenden Unglücke. Jetzt muss sich das menschliche Dasein der natürlichen Bösartigkeit und Grausamkeit entblößen. Da zerbricht „Ei und Eierschal“. Dies alles wird eben von den modernen Intellektuellen bewirkt, ist „das Verhängnis [...] in der blödsinnigen Arglosigkeit und Vertrauensseligkeit der ‚modernen Ideen‘“.

Vom Master of Philosophy zum Ph.D., von der „poetischen Philosophie” zur „Wahrheit am Kreuz”, haben wir viele undeutliche „lakonische Worte” gehört, die sich in Xiaofengs Gedanken verwickeln, obwohl sich auch viele andere Geräusche hören ließen, darunter auch der Versuch des Davonkommens. Am stärksten sind jedoch die „Straußschen ‘magischen Augen’“, die in seinem Text zugespitzt werden. Denn Strauß ist der Einzige, der das kennt: Wenn man ein schönes, gutes Leben haben will, muss man einen absoluten Wert begehren, der aber „jenseits von Gut und Böse” ist - d. h. jenseits der Kenntnisse von Gut und Böse, die der Empirismus, der Pragmatismus und der Relativismus seit der Aufklärung ständig gelehrt haben – und die sich im Alten Testament und der griechisch-antiken Weisheit befinden. (An dieser Stelle habe ich mir erlaubt, aus einem unveröffentlichten Artikel von Xiaofeng zu zitieren.)

Um diese „lakonischen Worte” klarer zu machen, möchte ich hier aus einem anderen Artikel von Xiaofeng eine von Simmel vorgeschlagene soziologische „Hypothese” zitieren: Es war einmal ein Land, in dem „extreme Ungleichheit” unter den Menschen herrschte. Obwohl jeder ein Grundstück besitzt, dürfen nur einige Leute Rosen pflanzen. Der Grund könnte darin liegen, dass diese Leute die Technik dafür besser beherrscht haben, oder dass sie fleißiger sind - jedenfalls haben sie Rosen und andere keine. Diese Gleichheit hat eigentlich nie zum Streit geführt. Wie z. B. manche mit mehr Schönheit, manche mit weniger geboren sind, kann man darüber nicht klagen. Schließlich kommt einer hervor und sagt: „Jeder hat das Recht, Rosen zu haben!” Da hat sich die letzte Sucht der Seele mit dem tiefsten Zivilisationsgedanken und dem allzu menschlichen Impuls des Volks vereinigt, und eine revolutionäre Partei ist endlich daraus entstanden. Die Rosen-Besitzer haben eine konservative Partei gegründet, um den eigenen Besitz der Rosen schützen zu können. Die Revolution war unvermeidlich und die Partei, die Egalitarismus vertritt, muss notwendig gewonnen haben, denn es ist ja die Mehrheit, die keine Rosen besitzen, und die Moral dieser Partei wird schließlich einige ihrer Gegner überzeugen können, „Das Ideal des Sozialismus hat alle Interessenkonflikte übertroffen”. Nun muss die Frage gestellt werden: Wird die Menschheit von nun an ewigen Frieden, ewige Gleichheit und ewiges Glück haben? Auch wenn jeder das Recht hat, Rosen zu pflanzen, wird das Quantum, das jeder von Natur bekommt, nicht gleich bleiben? Immer sind einige technisch erfolgreicher, haben mehr Sonnenschein und stärkere Zweige transplantiert. Die „Naturordnung” wird dem „Naturrecht” des Menschen nicht zustimmen. (Dieser Artikel findet sich im »Zeitalter der Öffnungspolitik«, 2000 Mai)

In dieser soziologischen Hypothese können wir uns ebenfalls an einige „lakonische Worte mit grossem Sinn” bei Nietzsche erinnern, wie z. B. „die Naturordnung” und „das Naturrecht”, oder die letzte Sehnsucht der Seele und den allzu menschlichen „Willen zur Macht”. Vom philosophischen Ursprung gesehen, gibt es auch gewisse Parallelitäten zwischen Simmels Lebensphilosophie und Nietzsches Denken. Freilich ist Simmel in Bezug auf emotionale Gefühle vielmehr von Schopenhauer beeinflusst. Die Beziehung zwischen Nietzsche und Schopenhauer wollen wir hier nicht weiter diskutieren. Über dieses Thema sind zahlreiche Monographien geschrieben worden. Dazu zählt noch Baudelaire, der ebenfalls aus der Aristokratie stammte.

Zu zitieren ist hier eine Passage aus Schopenhauers »Die Welt als Wille und Vorstellung«, die ich am meisten schätze: „Der Philosoph nämlich wird es immer durch eine Perplexität, welcher er sich zu entwinden sucht, und welche des Plato’s thaumazein, das er einmal philosophikon nennt, ist. Aber hier [unter]scheidet die unächten Philosophen von den ächten dieses, daß letzteren aus dem Anblick der Welt selbst jene Perplexität erwächst, jenen ersteren hingegen nur aus einem Buche, einem vorliegenden Systeme” (Aus: »Die Welt als Wille und Vorstellung«, chinesische Übersetzung. The Commercial Press 1982, S. 65)

Ich habe diese Passage zitiert, um zu erklären, dass die „Aristokratie” - entweder von Schopenhauer oder von Nietzsche - sich in der Philosophie als eine Art transzendierende Kontemplation über das individuelle Leben zeigt. Was den Beiden am Meisten anliegt, ist die Rolle des Philosophen in einer modernen Situation, und genau aufgrund dieses Anliegens scheinen sie so verbittert zu sein. Sie haben sich ständig bemüht, hinter dem entgegengesetzten Pathos des Liberalismus und Egalitarismus bzw. des Konservatismus und Radikalismus das existentielle Bedürfnis des Individuums auszugraben. Der Unterschied zu Nietzsche zeigt sich bei Schopenhauer darin, dass er seinen Pessimismus schlichtweg ausgedrückt hat (Der Mensch sei geboren wie ein Pendel, das von Schmerz zur Langeweile hin und her schwankt), während Nietzsche immer noch vom „Rausch” oder „Übermenschen” spricht. Bei Simmel aber zeigt sich der Pessimismus von Schopenhauer als eine Art „elegante Müdigkeit” gegenüber der Modernität. Genau dieses emotionale Erlebnis des Sentimentalismus hat Simmel an der Jahrhundertwende zu einer Sozialphilosophie geführt, dem sogenannte „Quietismus” - eine Kulturphilosophie, die zu den johlenden sozialkritischen Theorien im Gegensatz steht. Bei Baudelaire gehört diese Erfahrung zum dandyistischen Temperament, das sich in drei Perspektiven betrachten lässt: 1. Es ist die ironische Heroisierung der „Gegenwart”. Mit „ironisch” meine ich, dass man die „Gegenwart” nicht verewigt oder vergöttlicht, sondern - sowohl die Gegenwart als auch das in der Gegenwart lebende „Ego” - in ein modifizierbares, umformbares „freies Spiel” setzt; 2. Es ist die Ablehnung jedweder Art von Humanismus, der während des Werturteils für die Charakterisierung und Überprüfung des Begriff „humanitas” eingesetzt wird; 3. Es ist die Einsicht darin, dass hinter den Allgemeinheiten, Notwendigkeiten und Pflichten, die uns auferlegt worden sind, die Einschränkung aus Einzigartigkeit, Zufälligkeit und Willkürlichkeit (in der Machtausübung) steht. (Vgl. einen Text von mir: Ist die Modernität ein Begriff des Zeitalters? In: »Humanität und Kunst« Nr. 2, Guizhou Volksverlag, Okt. 2000) Egal ob Simmels „quietistische” Sozialphilosophie oder Baudelaires „dandyistisches” Temperament, beide sind hier aus Foucaults Sicht - im Namen der Aufklärung - eigentlich die Aufklärung der Aufklärung, oder die „postmoderne” Reflexion der Modernität, d. h. der Rahmen der Modernität, gegen den Nietzsche ausdrücklich gekämpft hat: „Dies Buch („Jenseits von Gut und Böse“ von 1886) ist in allem Wesentlichen eine Kritik der Modernität, die modernen Wissenschaften, die modernen Künste, selbst die moderne Politik nicht ausgeschlossen, nebst Fingerzeigen zu einem Gegensatz-Typus, der so wenig modern als möglich ist, einem vornehmen, einem jasagenden Typus.”(Aus: »Der Wille zur Macht: Versuch einer Umwertung aller Werte«, chinesische Übersetzung, The Commercial Press 1991, S. 86 )

Während ich so in einem freien Stil schreibe, kann ich schon nicht mehr unterscheiden, welche Worte von Schopenhauer, welche von Nietzsche stammen, auch nicht unterscheiden, welche von Xiaofeng und welche von mir selbst - besonders jene Worte, die einen zutiefst betreffen. Die Aufmerksamkeit richtet sich immer nur auf diejenige Sachen, die man absichtlich bemerken möchte, weswegen es unentrinnbar ist, sich an die Worte Anderer anzulehnen, um sich selbst zu behaupten, obwohl es nicht unbedingt diejenigen „lakonischen Worte” gibt, die umschweifig auszusagen sind. Es ist ein bisschen zu klug zu sagen, dass es sich hierbei um die Lage des Philosophen in einer modernen Situation handelt. In der Tat geht es vielmehr darum, dass der Nihilismus bereits zu unserem gemeinsamen Thema geworden ist. Das Problem des Nihilismus liegt nicht darin, dass Nietzsche „Gott ist tot” gesagt hat, auch nicht, dass wir schließlich die Endlichkeit der Existenz und der Erkenntnis erkannt haben, sondern darin, dass die „enorme Zufälligkeit” des Lebens jegliche Menschen bereits in eine „ordnungslose” Situation geworfen hat. Diese „Ordnungslosigkeit” herrscht von der Empfindung über die Erkenntnis bis zur Entstehung der Institutionalität, so dass man kaum glauben kann, dass es auf der Welt (zumindest der Welt, in der wir leben) so etwas wie eine „autogene und spontane Naturordnung” gab oder geben könnte. Was dieser „autogenen und spontanen Naturordnung” gegenübersteht, ist freilich nicht das im Westen seit der Aufklärung behauptete „Naturrecht”, sondern die oben unter Punkt 8 von Xiaofeng zitierte „Herdenmoral des Intellektuellen”, die mit keinerlei Überzeugung verknüpft wird.

Aus diesem Grund beginnen einige an die ferne Vergangenheit zu denken. Sie denken daran, dass die Hauptgebiete der menschlichen Zivilisation fast zur gleichen Zeit die „Achsen-Kulturen” entstehen ließen; sie denken an den Geist der chinesischen Klassiker, an die für ewig vergangene antike Aristokratie und die wenig verbliebene alte Weisheit (Können wir wirklich daran glauben, dass die modernen Menschen intelligenter als die antiken sind?). In einem Wort, man möchte die imaginäre „Naturordnung” zurückrufen (so wie man einmal den imaginären Sozialvertrag zurückzurufen versuchte) und verbreiten lassen - anders als in der Vertragstheorie hat dieser Versuch ein anderes Ziel: Was er anvisiert, ist nicht die Entwicklung des Konstitutionalismus, sondern das transzendente Bewusstsein und den absoluten Wert, welche aber nur unter antiker Aristokratie möglich sind. Hierin verwickelt sich die Zusammenschmelzung von Liberalismus und Konservatismus im tieferen Sinne - meiner Meinung nach mindestens die „bessere” unter den „Nachkömmlingen”, wenn wir nicht im klassischen, sondern im modernen Sinne zugeben würden, dass diese Koalition nichts anderes als ein „Nachkömmling der Priester-Ethik” ist.

All dies liegt darin, dass es „Katastrophen” gegeben hat, egal ob diese den Individuen oder der Menschheit passiert sind. Was vergangen ist, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, egal ob es um die natürliche oder transzendente „Ordnung” geht, die gewesen ist, oder um jene im Kopf eingebildete.

Dies erinnert mich an eine andere „Hypothese” von MacIntyre, die in diesem Zusammenhang auch relevant sein könnte:

Angenommen, dass eine politische Bewegung zustande kommt: Die Öffentlichkeit wirft die Abfolge von Umweltkatastrophen den Wissenschaftlern vor. Unter Aufstacheln und Unterstützung der Obrigkeit kommt es zum allseitigen Aufruhr. Labore werden verbrannt, Naturwissenschaftler gelyncht, Bücher und Instrumente abgebrannt, wissenschaftliche Ausbildungen in verschiedenen Schulen und Universitäten abgeschafft. Mehrere Jahre später beginnt die „Rehabilitation”. Die Wissenschaften werden wiederbelebt. Jedoch wird weitgehend vergessen, wie die Wissenschaften ursprünglich aussahen, weswegen man nur anhand weniger Fragmente diskutieren kann, ob die Relativitätstheorie oder die Evolutionstheorie oder aber die Phlogistonstheorie besser sei. Kinder müssen das Periodensystem und die euklidische Geometrie weiterhin auswendig lernen, „Nobody, or almost nobody, realizes that what they are doing is not natural science in any proper sense at all. For everything that they do and say conforms to certain canons of consistency and coherence and those contexts which would be needed to make sense of what they are do- ing have been lost, perhaps irretrievably.” MacIntyre hat dies als „catastrophe” bezeichnet. Nach dieser „catastrophe” können zwar Termini wie z. B. „Neutrino“, „Qualität“, „Gewicht“, „Atommasse“ wieder verwendet werden, „but many of the beliefs presupposed by the use of these expressions would have been lost.” Aus der Entwicklungsgeschichte der Naturwissenschaft gesehen ist dies vielleicht wirklich nur eine „Annahme”, für eine „catastrophe sufficient to throw the language and practice of morality into grave disorder” aber, ist es tatsächlich „one of the central facts of our history”. Aus den „Achsen-Kulturen” und „Chinesischen Klassiker” betrachtet darf die akademische Debatte zum Thema „Tradition VS Moderne” und die Umwandlung von der Einen zur Anderen nur als die „Rehabilitation” nach einer gewissen „Katastrophe” erklärt werden, was eben gezeigt hat: „we are in a condition which almost nobody recognizes and which perhaps nobody at all can recognize fully.” (»After Virtue«, Chinesische Übersetzung, China Social Science Press 1995, S. 1 ff.)

In der langen Geschichte einer Nation ist es normalerweise unvermeidlich, verschiedene Katastrophen durchlaufen zu müssen. Ich erinnere mich immer noch daran, dass es in der Kulturrevolution tatsächlich zur Frage kam, ob wir unbedingt Universitäten brauchen. Dieser Streit, den niemand klarstellen konnte, wurde schließlich durch Maos Meinungsäußerung beendet, dass es doch harmlos sein könnte, mit technischen Universitäten ein Experiment zu machen. Aus heutiger Sicht sieht man schon ein, dass es vor jenem „Hintergrund” nichts verändern hätte können, auch wenn einige technische Universitäten erfolgreich errichtet worden wären. Natürlich sind all dies nur Abschweifungen, die uns jedoch bewusst machen können, dass jene Debatte über Freiheit, Demokratie, Republik und Menschenrechte, die wir heutzutage aus dem Westen eingeführt haben, eigentlich an einem Ort geschehen ist, der einen anderen „Hintergrund” als den unseren hat, wo es die Überzeugungen nie gegeben hat, die als die Voraussetzung für die Verwendung dieser Termini dienen könnten.

An dieser Stelle muss ich meine eigene Einstellung deklarieren: Ich bin mit der Schlussfolgerung, die MacIntyre aus seiner zum Nachdenken anregenden „Hypothese” zu ziehen versucht, keineswegs einverstanden. Nicht nur das, ich finde es sogar einigermaßen widerlich. Auch wenn wir alle in einem Zeitalter nach dieser oder jener „Katastrophe” leben, ohne uns dessen bewusst zu sein, möchte ich nicht von einem Pseudo-Propheten sagen hören, wie die Vergangenheit aussah und wie schön es war, dort leben zu können. Was ich insbesondere nicht hören möchte, ist die scheinbar „geistreiche” Tugendlehre, die mit kollektivem Interesse eng verknüpft ist. - Der Grund liegt vielleicht darin, dass ich zu sehr von dieser „Priester-Ethik” vergiftet bin; trotzdem muss man von der Realität ausgehend Probleme zu lösen versuchen. Irgendwie ist die Freiheit und die Gleichberechtigung die notwendige Voraussetzung für jede Art von „glücklichem Leben der Menschheit”, die man sich vorstellen kann. Freilich muss man Freiheit und Gleichberechtigung so verstehen: Wenn jeder frei und gleichberechtigt ist, werden die Freiheit und Gleichberechtigung nicht mehr zur Debatte stehen. Freiheit und Gleichheit sind nämlich immer eine relative Sache, also in Hinsicht auf ein Rechtsbewusstsein (wie z. B. die Menschenwürde) von der Befreiung und der Gleichberechtigung - eine institutionelle Garantie, die dieses Rechtsbewusstsein repräsentieren kann.

Nietzsche ist ebenfalls ein Pseudo-Prophet. Er ist in einer Sache mit MacIntyre einig, dass er auch die altgriechische Aristokratie lobgepriesen hat (Dies gilt wahrscheinlich auch für Heidegger). Doch Nietzsche ist im Wesen der Typ, der sich nicht zufrieden geben will. Wenn er im antiken Griechenland gelebt hätte, wäre er der zweite Sokrates. In der Tat hat er das Recht genossen, das Sokrates nicht haben konnte, obwohl er - gemäß seiner eigenen Kriterien für die gesellschaftliche Kondition - diesem demokratischen Ideal völlig entgegentritt. (Aus: Simmel »Nietzsche und Kant«) Wenn ich für die Staatsordnung eine Grundlage wählen müsste, würde ich lieber das „Recht”, als die „Tugend” haben wollen. Es ist ein anderes, viel größeres Thema, obwohl ich - in Hinsicht auf die trübsinnige emotionale Empfindung, die auch als eine Art Empfindsamkeit zu verstehen ist - zu McIntyres Hypothese auch nichts sagen kann.

Wenn einer aus der Haltung der Empfindsamkeit die heutigen Debatten betrachten will, kommt man unvermeidlich zu einer „quietistischen” Kulturphilosophie. Diese „quietistischen” Kulturphilosophie ist ein ratloser Widerstand zum ratlosen Schicksal der Philosophie, dass diese „wesentlich politisch sei”. Und meine eigene philosophische Bemühung ist auch nichts anderes als ein Versuch darüber, ob es in dieser von Politik erfüllten Realität ein „unpolitisches” individuelles Leben geben könnte. Natürlich ist es auch möglich, dieses „unpolitische” individuelle Leben als politisch zu verstehen, da es ebenfalls ein Protest zu dieser von Politik erfüllten Realität ist, der aber seinerseits geistig (als Suche nach etwas) und konservativ (als Überwachungsversuch) zu sein scheint.

Der Titel eines Artikels von mir lautet: »eine abschlägige, aber schwache Stimme«

Dabei kommt es freilich darauf an, wie man „abschlägig” versteht. Im Vergleich zu den johlenden „kritischen Philosophien” - insbesondere im Widerspruch zu der „Konstruktion der Lehren”, die sich als Ärzte des Staates ausgeben und das Volk anzuleiten versprechen, den Staat und die Nation zu heilen versuchen - zeigt die Kulturphilosophie des „Quietismus” eine Art von Aristokratie, d. h., „um sich selbst aus der Krise herauszuhelfen”, „um das individuelle Leben und um der Existenz der eigenen Gedanken willen”. Wie weiter oben erwähnt wurde, zeigt sich diese „Aristokratie” im Alltagsleben als ein nervöser Zynismus. James Joyce sagte einmal einem Freud: „Ich streite immer gegen die Schablonen und Routinen in England. Egal ob diese in der Literatur oder in anderen Gebieten vorherrschen, streite ich immer dagegen. Dies ist die Hauptquelle meines Talents.” (Terry Eagleton, »Politik, Philosophie und Eros in der Geschichte«, chinesische Übersetzung, China Social Science Press 1999, S. 209) Wie Nietzsche auch immer die „Worte” vom „Sinn” unterscheidet, wie er sich auch immer um „Verhehlen” und „Lüge” bemüht hat, ist die Quelle seiner Vitalität auch auf das Ankämpfen gegen alle Schablonen und Routinen (vor allem der deutschen Philosophie) zurückzuführen. Dies ist leicht einzusehen, auch wenn man keinen „raren Gedanke” besitzt.

Freilich, in Hinsicht auf unsere Lebenswirklichkeit gehört zu diesem Ankämpfen auch jener Widerstand gegen die Lehre, dass Menschen wie Metall mit verschiedenen Qualitäten angeboren werden. Wenn diese Lehre einmal die „Naturordnung” vertreten hat, ist die „Natürlichkeit” (die Rationalität ebenfalls) dieser „Ordnung“ zwar für ewig vorbei, wird diese aber in verschiedenen Formen von „Abstammungslehre” oder „Klassenanalyse” immer wieder auftreten [ursprünglich „nicht nur..., sondern auch” - vom Übersetzer mit „zwar..., aber...” ersetzt]. Dieser Widerstand könnte mit der eigenen Abstammung aus der „Nicht-Aristokratie” zu tun haben, so dass man unbewusst die „Moral der Spießbürger” als Kriterium verwendet. In der Wirklichkeit leben viele Leute tatsächlich bereits in einer Ordnung der Existenz, die der Aristokratie ähnelt. Obwohl der Akzent auf der Freiheit (Hayek), dem Recht (Nozick) und der Gerechtigkeit (Rawls) des Menschen liegt, was mehr oder weniger ideal ist, obwohl es schwer zu sagen ist, ob die Verwirklichung dieser Ideale zur Glückseligkeit des Menschen führen werde - ist die direkte Aussage des Unzufriedenseins mit der vorhandenen Sozialordnung der Hauptgrund dafür, dass Nietzsches Texte ohne jegliche Interpretation in den öffentlichen Diskurs der Intellektuellen gelangen können. In diesem Sinne ist Nietzsche unsterblich.

Bezüglich der Wahrnehmung der Wirklichkeit sind es eigentlich nur einige Worte, vielleicht nur einige Begriffe, die im Zentrum stehen. Wenn man diese ausdrückt, sind sie nichts als „banale Worte” und „banale Begriffe”. Das kann man aber nicht, auch nicht, wenn man sich in einer Umgebung mit vollkommener Redefreiheit befindet. Nietzsche sagt, dass er die Wahrheit ausgedacht hat, aber nicht klar und deutlich darstellen kann, da diese Wahrheit also die Welt „ohne Wahrheit” im Wesentlichen chaotisch ist (das absolute Nichts). Gleichgültig ob diese Aussage tautologisch sein könnte, ist Nietzsche in Hinsicht auf das Verhältnis „Philosoph-Volk” ein herausragender Philosoph mit bestem Realitätssinn, und dieses vorzügliche Talent liegt jenseits des Intellektuellen. Erst durch Xiaofengs Interpretation haben wir Nietzsches „unsagbares Leid” empfinden können, das Nietzsche umso mehr zu einem echten Philosophen macht, als es zu einer „pseudo-philosophischen Befindlichkeit” wird. Hier glaube ich nun, dass jene „banale Worte” und „banale Begriffe” nur deswegen nicht klar und deutlich dargestellt werden können, weil dieses „unsagbare Leid” im Rahmen des Intellektuellen notwendig tautologisch und selbstwidersprüchlich sein wird, wenn es zum philosophischen Problem wird. Wie Simmel gesagt hat: ‘Wenn man es vermeiden möchte, Nietzsche falsch zu interpretieren, wird man Nietzsche verlieren‘.

Xiaofeng schreibt in seinem Artikel »Geld, Geschlecht und Lebensgefühl« (»Zeitalter der Öffnungspolitik«, 2000 Mai) Folgendes: „Das kritische Moment der Modernität liegt darin, dass man zu den raffinierten Differenzen und Eigentümlichkeiten der Dinge nicht mehr mit raffinierten Empfindlichkeiten, sondern nur mit Durchschnittlichkeit reagieren kann.” Ich bin damit völlig einverstanden, weswegen ich aufgrund von Nietzsches Gedanken und mich an Foucault anlehnend die Leiblichkeit des Menschen (ein Originalphänomen des Lebens) nachdrücklich erwähnt habe, da diese sich wirklich auf die Art und Weise bezieht, „wie man die raffinierte Empfindlichkeit zu den faszinierenden Differenzen der Dinge rehabilitieren kann”. Dieses ist auch – meinem Verständnis nach – die „Aristokratie” im eigentlichen, philosophischen Sinne.

 

(übersetzt von Zhang Deng)

 

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(Alle Fußnoten in der pdf)

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