Springe direkt zu Inhalt

Forschungsgebiete

Mit dem wachsenden Selbstbewusstsein Chinas in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik entsteht heute eine zunehmend skeptische Haltung zumeist jüngerer Wissenschaftler gegenüber den als fremdbestimmt erfahrenen Adaptionen westlicher Philosopheme. Vor diesem Hintergrund hat sich an den beteiligten Institutionen eine Forschergruppe konstituiert, die die Transformations­probleme des Wissenstransfers, der Traditionsbindung sowie der Strukturen von Wissenswandel und -adaption erforscht und sichtbar macht. Leitend ist die Frage, ob und wie bei der Generierung, Adaptierung und Tradierung von Wissen Grundstrukturen des Wissenswandels existieren, die Aufschluss darüber geben, wie eine die Kulturen übergreifende Kommunikation möglich und wirksam ist. Dabei sind historische Prozesse kultureller Übersetzungen und ihrer Widerstände (Globalisierungsvorgänge, Ablösungen vom Traditionsbestand, Assimilationen einer überwiegend als „westlich“ wahrgenommenen Moderne) ebenso zu erforschen wie nationale Spezifitäten (Konzeption und Umsetzung nationaler und internationaler Rechtsgrundsätze, transkultureller Austausch). Im Zentrum dieses fachübergreifenden Forschungsschwerpunktes, dessen vielfältige Aspekte die Geistes- und Sozialwissenschaften, aber auch Rechts- und Geschichtswissenschaften berühren, stehen der philosophische Gedankenaustausch und die Zusammenarbeit der geisteswissenschaftlichen Institute.

Als theoretische Ausgangspunkte fungieren neben Studien zur Wissensvermittlung europäische Zentralbegriffe der Geisteswissenschaften und des Kulturtransfers, Ansätze zur Systemtheorie, zur politischen Theorie und Ideengeschichte sowie Ansätze zur Theorie der Literatur und Rechtssoziologie, wobei ganz konkrete Fragestellungen im Vordergrund stehen, z.B.: Welche Topoi der Wissenssystems werden bewusst nicht rezipiert? Welche Intentionen von Akteuren auf dem wissenschaftlichen, politischen, theologischen oder literarischen Feld lassen sich darin erkennen? Wie verändert sich die Wissenskanonisierung und -überlieferung im Austausch der Gesellschaften.

Der zu erwartende, die Disziplinen- und Epochengrenzen überschreitende wissenschaftliche Gewinn des Forschungsvorhabens besteht darin, geistes-, kultur- und sozialwissenschaftliche Forschungen in ihrem internen Procedere präziser fassbar und so begrifflich deutlicher zu machen. Dadurch soll vermieden werden, dass in geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Forschungen von undifferenzierten und schwer miteinander vermittelbaren Einfluss-, Intertextualitäts- und Gesellschaftsmustern die Rede ist. Ziel von Forschung und Lehre ist es, ein begriffliches und methodisches Instrumentarium zur Beschreibung des kulturübergreifenden Wissenswandels zu entwickeln und zu erproben. Dies soll insbesondere auch anhand von Fallbeispielen geschehen, an denen sich das theoretische Konzept der Graduiertengruppe als tragfähig erweisen will. Die zentrale These, die dem Forschungskonzept zugrunde liegt und die gemeinsamen Diskussionen in der Lehre strukturiert, ist, dass die einzelnen Aspekte des Wissenswandels – der Fragmentierung, Neuordnung und Generierung der Wissensbestände – sich im Spannungsfeld von Topik und Tradition transkulturell erfassen und analysieren lassen.

Die Graduiertengruppe will mit einem interdisziplinär ausgerichteten geisteswissenschaftlichen Forscherverband hier ansetzen und in einem thematisch breit angelegten Verbund mit den chinesischen Kollegen Desiderate dieses Verständigungsprozesses aufarbeiten. Neben der Vermittlung und Vertiefung des europäischen philosophischen Ideenbestands besteht das wesentliche Ziel der Graduiertengruppe darin, die großen philosophischen und religiösen Traditionen im wechselseitigen Kontakt miteinander zu erkennen und weiterzuentwickeln. Das Spektrum der Graduiertengruppe soll daher kulturwissenschaftliche, kulturvergleichende, juristische, historische, religionswissenschaftliche, philologische und philosophische Themen umfassen, wobei im Vordergrund geisteswissenschaftliche Wissensdiskurse stehen, die der kulturellen Verständigung dienen.