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Bedeutung und sprachliches Handeln

16690/1 - Vertiefungsseminar + Übung

Koordination: Prof. Friedemann Pulvermüller

Ort: JK 28/112 (Habelschwerdter Allee 45)

Zeit: Mo 16:00-20:00

Erster Termin: 16.10.2017

Unterrichtssprache: Deutsch

Teilnehmerzahl:

Platzbeschränkung: Nein

Teilnahmepflicht: Ja

SWS: 2

Kommentar:

Die Beziehung zwischen sprachlichen Einheiten zu dem, was sie uns sagen, ist eines der wichtigsten Themen der Sprachwissenschaft. Wie werden in unserem Geist und Gehirn Bedeutungen verarbeitet? Können wir uns nur verstehen, wenn wir uns dasselbe vorstellen? Hängen Bedeutungen mit Erfahrungen oder mit angeborenem Wissen zusammen, und ggf wie? Beeinflusst unsere Sprache unsere Art zu Denken und wahrzunehmen? Inwiefern ‚bedeuten‘ die Grenzen meiner Sprache die Grenzen meiner Welt? Semantiktheorien, die sich diesen Fragen widmen, werden im ersten Teil dieses Seminar im Detail diskutiert. Hierbei wird auf philosophische Traditionen eingegangen, die die Bedeutung von sprachlichen Einheiten in Objekten oder Vorstellungen sehen. Den Beschränkungen dieser Ansätze wird die auf Wittgenstein zurückgehende Gebrauchstheorie der Bedeutung gegenübergestellt, die im Rahmen moderner sprachwissenschaftlicher Ansätze (linguistische Dialoganalyse, Dynamische Texttheorie) ausgearbeitet wurde. Weiterhin werden moderne Ansätze der Sprach- und Kognitionswissenschaft diskutiert, wonach semantische Merkmale und distributionale Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern für die Semantik entscheidend sind. Im Hinblick auf diese Herangehensweisen wurde eingewendet, dass sie die Herstellung von Bedeutungsbeziehungen zwischen Wort und Welt nicht hinreichend erklären können. Searle‘s ‚Chinese Room Argument‘ sowie Harnad’s Argumente für ‚Symbol Grounding‘ sind hier von entscheidender Bedeutung. Ansätze aus der Kognitiven Linguistik wenden das Prinzip des Symbol Grounding systematisch auf die Bedeutung von Wörtern und Konstruktionen an und lösen damit manche der Probleme der vorgenannten Ansätze. Dennoch wird zu fragen sein, ob die relevanten Bedeutungsaspekte aller Wörter und Konstruktionen aufgrund von ‚semantic grounding‘ im Kontext alltäglicher Situationen und Handlungen gelernt werden können. Abstrakte Wörter und Ausdrücke, mit denen man über innere Zustände spricht, spielen hier eine besonders wichtige Rolle. Bei einer ausschließlich sprachtheoretischen Behandlung des Themas ‚Bedeutung‘ ergibt sich, dass manche der Modelle und Theorien graduell besser oder schlechter geeignet sind, um bestimmte semantische Fragen zu klären. Semantische Theorien sind deshalb nützlich (jedoch nicht hinreichend) für die Erforschung der Bedeutungsverarbeitung, die im zweiten Teil des Seminars im Mittelpunkt steht. Hierzu werden experimentell-linguistische Arbeiten aus der kognitiven Psycho- und Neurolinguistik vorgestellt, die auf Fragen fokussieren, wie etwa die folgenden: Wie lange dauert es, bis wir Wörter verstehen und ihre Bedeutung in Bedeutungskontexte integrieren? Sind sprachstrukturelle und semantische Prozesse getrennt oder interagieren sie miteinander? Gibt es experimentelle Hinweise auf ‚symbol grounding‘ bei der Bedeutungsverarbeitung? Aufgrund welcher Mechanismen können wir über Emotionen sprechen? Wie beeinflusst die Sprachstruktur die Wahrnehmung?

Im Übungsteil der Veranstaltung sollen die Teilnehmer Methoden der psycho- und neurolinguistischen Forschung praktisch kennenlernen. Hierzu sind auch Besuche im Labor für Gehirn- und Sprachforschung geplant. Arbeitsgruppen von 2-4 Personen soll Gelegenheit gegeben werden, eine kleine experimentelle Sprachstudie unter Anleitung vorzubereiten, durchzuführen und auszuwerten.

Literatur zur Vorbereitung:

Pulvermüller, F. (2013). How neurons make meaning: Brain mechanisms for embodied and abstract-symbolic semantics. Trends in Cognitive Sciences, 17(9), 458-470. doi: 10.1016/j.tics.2013.06.004

Weitere Literaturhinweise:

Harnad, S. (1990). The symbol grounding problem. Physica D, 42, 335-346. Löbner, S. (2015). Semantik: Eine Einführung. Berlin: Walter de Gruyter GmbH & Co KG. Pulvermüller, F. (2002). The neuroscience of language. Cambridge: Cambridge University Press. Wittgenstein, L. (1967). Philosophische Untersuchungen. Frankfurt: Suhrkamp.

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