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Literarische Parade

Eine Literarische Parade ungewöhnlicher Begebenheiten an einem seltsamen Ort

Lesung ja, aber wie gestaltet man diese einmal anders? Wie kann man die Hierarchie zwischen Bühne und Publikum aufbrechen und dennoch den Abend nicht ins Chaos abdriften lassen? Die Autoren herausfordern und gemeinsam über Literatur und den Literaturbetrieb sprechen, das waren die erklärten Ziele. Unter der Leitung von Claudius Nießen, dem Geschäftsführer des Literaturinstituts Leipzig, haben 17 Studierende der Angewandten Literaturwissenschaft über 1 1/2 Semester (SoSe 11-WS 11/12) die Lesung geplant, die am 17. November 2011 stattfand. In dem Seminar, das den Titel "Literatur als Event" trug, wurde nach der intensiven Auseinandersetzung mit der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur junger Autoren und gängigen Vermittlungsprinzipien ein Lesungskonzept entwickelt, das die Strukturen einer traditionellen Lesung lockert, um Autoren und Publikum einander anzunähern und einen möglichst einfachen und gleichzeitig intensiven Zugang zu den Themen Literatur, Schreiben, Autorschaft und Literaturbetrieb zu ermöglichen.

Markus Streichardt und Doreen Werner, beide Teilnehmer des Seminars, führten als Moderatorenteam gemeisam mit den Autoren Nora Gomringer und Finn-Ole Heinrich durch den Abend. Nora Gomringer, Lyrikerin und Slampoetin und Finn-Ole Heinrich mit seinen Prosa-Texten und Crossmedia-Projekten gelten als Vertreter der jungen deutschen Gegenwartsliteratur und brachten viel Bühnenpräsenz, Aufgeschlossenheit und Spontaneität in den Abend, bei dem nicht ein einzelnes Werk eines einzelnen Autors, sondern die Diskussion über die verschiedenen Aspekte von Literatur im Mittelpunkt standen, illustriert durch die völlig unterschiedlichen Textformate und Inhalte und das direkte Gespräch mit den Autoren über ihre Erfahrungen.

An einem Ort zwischen Trash und Charme, den die Studierenden in tagelanger Arbeit gemeinsam hergerichtet hatten, kam es zu einem spannenden und ausverkauften Abend, über den der Titel nicht zu viel versprochen hatte.

Joy Hawley beschreibt die Lesung auf litaffin.de:



"Bereits im Vorfeld der Veranstaltung sollten Nora und Finn eine Kontaktanzeige verfassen und nun den Text des jeweils Anderen vortragen. Schnell zeigte sich, dass Schreibstil und Vortragsweise der beiden Autoren zwar sehr unterschiedlich waren, einander aber gut komplementierten.

Mit gerunzelter Stirn und leicht verstellter Stimme las Finn seine Texte, wie ein Schauspieler bei einer szenischen Lesung.

Nora hingegen las, nein sprach, ihre Texte im Stehen mit einer Energie, die ihren teils ironischen und immer überraschenden Texten noch mehr Schlagkraft verlieh. Während ihre Darbietungen von wuchtigen Slam-Poetry-Stücken bis zu lyrischen Miniaturen reichten, muteten Finns Kurzgeschichten bisweilen filmisch an. Eines hatten beide Autoren gemeinsam: Beim Lesen konnten sie das wuselige (bis an den Rand gefüllte!) Freudenreich – samt Barbetrieb und Stammkundschaft – zum Schweigen bringen.

Zwischendurch stellten die Moderatoren Fragen, gaben Diskussionsimpulse und ließen den Autoren manchmal einfach freien Lauf – was sich ergab, weil Nora und Finn sich bereits kannten und so im Gespräch eine eigene Dynamik entwickelten. Das Publikum wurde ebenfalls zur Teilnahme aufgefordert. So endete die Lesung mit einer Diskussion über die verschiedenen Ausdrucksformen der Autoren und über den Konflikt zwischen künstlerischem Schaffen und kommerzieller Verwertung. In jedem Fall war der Abend, was er sein wollte: eine literarische Parade, ein buntes Defilee von Spiel, Spaß, Ernst, Lyrik, Prosa, Frage, Antwort, Autor, Text und Publikum. Und die kurzweilige Kombination verschiedener Elemente war ein klarer Beweis dafür, dass viele Lesungsformen Literatur vermitteln können, auch auf ungewöhnliche Weise, an ungewöhnlichen Orten." Zum Artikel

Der Dank der Studierenden gilt der Friede Springer Stiftung, die das Projekt finanziell unterstützt hat.