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Laudatio von Prof. Dr. Jan Konst

Prof. Dr. Jan Konst

Prof. Dr. Jan Konst

(Institut für Deutsche und Niederländische Philologie)

zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an Cees Nooteboom

- Es gilt das gesprochene Wort -

Exzellenzen, sehr geehrter Herr Botschafter des Königreichs der Niederlande,
sehr geehrte Frau Vizepräsidentin Lehmkuhl,
sehr geehrter Herr Dekan Alt,
sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Nooteboom,

seit seinem Romandebüt im Jahre 1955 hat der niederländische Autor, der heute vom Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin die Ehrendoktorwürde empfängt, in etwas mehr als einem halben Jahrhundert ein umfangreiches und in verschiedener Hinsicht bemerkenswertes Oeuvre vorgelegt. Cees Nooteboom verfasste Erzählliteratur, die zum Besten gehört, was das niederländische Schrifttum in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hervorgebracht hat, er ist ein begnadeter Lyriker und ein sowohl scharfzüngiger als auch tiefsinniger Essayist.

Selbstverständlich bin ich in meiner heutigen Funktion als Laudator nicht der erste, der auf den außergewöhnlichen Charakter und die hohe Qualität des Werkes von Cees Nooteboom aufmerksam macht. Viele sind mir darin vorangegangen, so 2004 beispielsweise die Jurymitglieder des P.C. Hooftpreises, des bedeutendsten niederländischen Staatspreises für Literatur oder – in beiden Fällen 2003 – diejenigen, die dafür gesorgt haben, dass der Autor den Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur und den Hansischen Goethe-Preis in Empfang nehmen durfte. Auch in akademischen Kreisen wurde Nootebooms Oeuvre mehrfach ausgezeichnet, um genau zu sein ist es heute das dritte Ehrendoktorat, das ihm zuteil wird. Die Katholische Universität Brüssel und die Nimwegener Radboud Universität verliehen ihm noch vor der Freien Universität 1998 bzw. 2006 diesen Titel. Dass der Autor nun auch in Berlin geehrt wird, ist angesichts seiner Bedeutung für gerade diese Stadt in höchsten Maße angemessen. 

Einem Schriftstellerleben von inzwischen 53 Jahren und der dazugehörigen literarischen Produktion innerhalb der etwa zwanzig Minuten, die für eine Laudatio vorgesehen sind, gerecht zu werden, ist keine leichte Aufgabe. Wie kann man erreichen, dass sowohl die Vielseitigkeit als auch die Nunancen eines Oeuvres angemessen beleuchtet werden und man die notwendige Differenzierung im Auge behält?

Auf paradoxe Weise lässt sich behaupten, dass Cees Nooteboom mir eine Aufgabe gestellt hat, die ungeachtet dessen nicht unlösbar zu sein scheint. Verantwortlich dafür ist sein in Ton und Thematik auffallend konsistentes Werk. Ich kenne nur wenige Schriftsteller, die mit ebenso viel Recht wie er als Oeuvre-Autoren bezeichnet werden könnten.Cees Nooteboom hat keine lose Sammlung mehr oder weniger eigenständiger Werke verfasst, die für sich selbst sprechen. Ganz im Gegenteil ist er der Schöpfer eines Oeuvres, das deutlich mehr bedeutet als die Summe seiner Teile, weil es auf einige zentrale Themen und Motive bezogen ist, die sowohl in seiner Erzählliteratur als auch in seiner Lyrik, aber auch in seinen Essays und Reportagen ausgemacht werden können.

Wer sich die Mühe macht – oder anders formuliert – wer sich selbst damit belohnt, wie ich es in den letzten Monaten getan habe – Nootebooms Gesamtwerk Titel für Titel zu lesen, findet sich als Teil eines literarischen Universums wieder, in dem eine Anzahl dominierender Fragestellungen bis zur äußersten Konsequenz durchdacht und hinterfragt werden. “Gedruckt werden ist laut denken dürfen” – heißt es an einer Stelle des Romans In den niederländischen Bergen von 1984. Und genauso ist es. Der Leser wird von Nooteboom zum Mitwisser, zum Mitdenker vielleicht sogar, eines Erkenntnisprozesses gemacht und begleitet den Autor auf eine literarische Reise, die Anno 2008 bereits mehr als fünf Jahrzehnte dauert.

Durchgangsstationen während dieser Fahrt sind Nootebooms Romane, seine Gedichtsammlungen und Essays. Es sind vorläufige Haltepunkte, in denen Antworten auf im Grunde stets dieselben ontologischen und epistemologischen Probleme gesucht werden. Nach definitiven Lösungen fragt man, wie könnte es anders sein, vergebens, ein Beweis dafür, dass der Denkprozess, die Suche und das Abtasten eine eigenständige Bedeutung besitzen und in gewisser Weise ein Ziel in sich selbst sind. Gedruckt werden, oder allgemeiner, das Schreiben an sich, impliziert für Nooteboom wie gesagt das “laute Denken”, und gerade in diesem reflektierenden Charakter seines Werkes verbirgt sich ein wesentlicher Aspekt seines Schriftsteller-Seins.

Nicht von ungefähr habe ich soeben die Reisemetapher in meine Ausführungen eingeflochten, denn – wie Sie alle wissen – die Reise als Motiv und das Reisen als Thema sind für Nootebooms Werk essentiell. Das zeigte sich bereits in Philipp und die Anderen, dem Roman, der den Autor in den Niederlanden 1955 mit einem Schlag bekannt machte und in dem der junge Titelheld trampend seinen Weg durch Europa sucht. Unterwegs sein spielt ebenso eine gewichtige Rolle in dem erfolgreichen Roman Rituale aus dem Jahr 1980, der eine Figur einführt, die jeden Winter freiwillig eine lebensfeindliche Berglandschaft aufsucht. Und auch die Hauptperson aus Allerseelen, erschienen 1998 und eines der bedeutendsten Werke Nootebooms, ist innerhalb seines Oeuvres eine typische Erscheinung. Es handelt sich um einen gestressten Filmemacher, der von Auftrag zu Auftrag hastet und schließlich nirgends mehr zu Hause ist.

Es sind nicht nur die fiktionellen Peregrinationes, die dem Leser bei Nooteboom begegnen. Ein nicht geringer Teil seines Werkes besteht aus literarischen Berichten von Reisen, die der Autor selbst seit Mitte der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts unternommen hat und die ihn buchstäblich auf alle Kontinente führten. Nicht selten besuchte er dabei Länder und Städte zu einem Zeitpunkt, an dem sich dort Schlüsselereignisse vollzogen. Zu Zeiten des ungarischen Volksaufstandes 1956 hielt er sich in Budapest auf und während der Studentenunruhen 1968 befand er sich in Paris. Seine Berichte über diese Ereignisse atmen nicht den neutral-objektiven Ton des Journalisten, sondern das Engagement eines Schriftstellers, der ganz bewusst Partei ergreift und gleichzeitig seine Beobachtungen und Erkenntnisse mit einem von nur wenigen erreichten stilistischen Vermögen umsetzt.

Die Reise als Motiv und das Reisen als Thema sind natürlich so alt wie die Literatur selbst, Nooteboom ist es jedoch gelungen, hier neue Dimensionen zu entdecken. Das Auf-dem-Wege-Sein, der Seinsstatus der geographischen Fortbewegung, wurde zum thematischen Nukleus seines Oeuvres, und die zentralen Problemstellungen, die er in seinem Werk aufwirft, können – nein, müssen! – alle direkt zum Bild des Menschen als Reisendem und dem Reisen als grundlegendem Lebensmodell in Beziehung gesetzt werden. Meiner Ansicht nach kristallisieren sich dabei drei Grundfragen heraus: Wer sind wir, wo kommen wir her und wie entsteht die Erzählung, durch die wir allmählich unsere eigene Identität gewinnen?

Auf den ersten Blick klingen diese Fragen simpel. Diese Einfachheit jedoch ist nur eine scheinbare, in gewissem Sinne sogar irreführende, denn es sind diese drei Grundprobleme, die der ontologisch-epistemologischen Suche zugrunde liegen, die in Nootebooms Oeuvre entfaltet wird.

Die Frage, wer wir sind, wird immer wieder in Beziehung gesetzt zu den Anderen, denen die reisenden Figuren Nootebooms irgendwo auf der Welt begegnen oder den Anderen, mit denen der Autor selbst als Reisender in Kontakt tritt. Die Frage nach unserer eigenen Herkunft wird demzufolge verbunden mit dem Ursprung der Anderen, deren Lebenserfahrungen und deren Vergangenheit. Die Vorstellung von Geschichte, zusammen mit dem rätselhaften Konzept der Zeit, bildet dabei ein wichtiges Objekt der Betrachtung in Nootebooms Oeuvre. Und schließlich bleibt noch die Frage der Erzählung, in der wir unsere Identität und die der Anderen festschreiben. Diese Erzählung ergibt sich eigentlich aus den ersten beiden Fragen, was jedoch ist ihr Status? Kann sie als “wahr”, als Rekonstruktion der Wirklichkeit, bezeichnet werden oder handelt es sich vielmehr um eine vor allem sprachliche Konstruktion? Worin unterscheiden sich eigentlich Fiktion und Realität?

Es sind diese und vergleichbare Fragestellungen, die nicht nur dazu führen, dass in Nootebooms Werk ein starker metafiktionaler Unterton wahrzunehmen ist, sondern die außerdem zeigen, dass es ihm um die Verflechtung von Poesie und Philosophie geht. Dieses nahezu symbiotische Verhältnis von Literatur und philosophischem Denken bildet zu einem nicht geringen Teil die Basis für die heutige Ehrung des Autors.

Das Werk Cees Nootebooms zeugt, wie sich aus dem Vorhergehenden ergibt, von einem hohen Grad an Gelehrsamkeit. Dieses Wissen wird funktional eingesetzt und bleibt jederzeit der Literarizität des Oeuvres untergeordnet. In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals auf den Roman In den niederländische Bergen zurückgreifen, aus dem ich bereits einen Halbsatz zitiert habe. Hier findet sich eine vielsagende Bemerkung über die Produktionsästhetik des Schreibens. Es heißt dort: “Schreiben besteht darin, das Geschriebene umzugruppieren, da sind immer hundert Schriftsteller, die einem die Hand führen, ob man es wahrhaben will oder nicht. Daran ist nichts zu ändern. Wenn man über den Dingen steht, lässt man sich das nicht anmerken; was ich mache, ist Angestellten-Arbeit.“ [Zitat Ende]

Diese Sätze erinnern selbstverständlich an wesentliche Aspekte der postmodernen Theoriebildung zur Intertextualität, was angesichts der überwältigenden Zahl von Hypo- bzw. Intertexten, die im Oeuvre von Cees Nooteboom mitschwingen, nicht überrascht. Es ist nahezu unmöglich, sein Werk zu lesen, ohne zumindest einen Teil dieser “Texte im Hintergrund” parat zu haben. Von der Novelle Die folgende Geschichte aus dem Jahre 1993 beispielsweise geht viel verloren, wenn man nicht wenigstens eine Anzahl der Verweise auf die Metamorphosen von Ovid erkennt. Auch das jüngste fiktionale Buch des poeta doctus, des gelehrten Dichters Nooteboom, der Roman Paradies Verloren, büßt viel von seinem Tiefgang ein ohne die Kenntnis von Miltons gleichnamigen Epos Paradise lost.

Vergleichbarem begegnen wir in Nootebooms Essays und Reportagen. Im meist relativ beschränkten Rahmen eines erörternden Textes gelingt es dem Autor immer wieder, ein intertextuelles Netz zu spinnen, in dem Literatur, Malerei und Musik miteinander um den Vorrang wetteifern. Dieser – lassen Sie es mich hier so nennen – Gedankenaustausch mit Vorgängern verleiht Nootebooms Werk eine Mehrdimensionalität, die wesentlich ist für den intellektuellen Genuss, den seine essayistische Literatur dem Leser zu bieten hat. Cees Nooteboom erschafft nichts geringeres als ein intertextuelles Kontinuum, das durch die Art und Weise, mit der er so viele verschiedene kulturelle Topoi umgruppiert und ihnen einen tieferen Sinn beilegt, einen höchst eigenständigen und individuellen Charakter besitzt.

Meine Damen und Herren. Cees Nooteboom wird heute die Ehrendoktorwürde einer deutschen Universität verliehen, und wie selbstverständlich Sie und ich dies auch immer finden mögen, in der niederländischen Situation bleibt es doch außergewöhnlich. Die akademische Ehrung, die er heute erhält, ist bisher lediglich einem niederländischen Schriftsteller außerhalb der Niederlande und Belgiens – den Ländern, wo Niederländisch als Muttersprache gesprochen wird – zuteil geworden. Es geht um den 1995 verstorbenen Autor Willem Frederik Hermans. 1993 verlieh ihm die Universität Pretoria die Ehrendoktorwürde, eine Universität in einem Land, das durch seine Geschichte und das Afrikaans als Sprache besondere Bande zu den Niederlanden und dem Niederländischen unterhält. Dass Cees Nooteboom heute in Berlin geehrt wird, sagt viel über den Erfolg, durch den die niederländischsprachige Literatur der letzten zwanzig Jahre ein internationales Publikum gesucht und gefunden hat. Damit wird zugleich nochmals die besondere Rolle unterstrichen, die der Autor in diesem Prozess einnimmt.

Cees Nooteboom hat sich bereits in einem frühen Stadium seines Werkes mit Deutschland, der deutschen Geschichte und den deutschen lieux de mémoire auseinandergesetzt. Ich glaube, dass er sich damit von einer nicht geringen Anzahl niederländischer Altersgenossen unterscheidet, die sich nach den Gräueln des Zweiten Weltkrieges, von denen auch Nootebooms Familie nicht verschont blieb, weniger – oder vielleicht müsste man sogar sagen, nicht mehr – an Berlin, sondern zum Beispiel an Paris oder später an New York orientierten. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich möchte hier nicht behaupten, dass Nooteboom sich den Einflüssen des französischen oder anglo-amerikanischen Kulturraums verschlossen hätte – ganz im Gegenteil –, ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass er sich vom Beginn seiner literarischen Karriere an für Deutschland und insbesondere Berlin interessiert hat.

Kurz nach dem Mauerbau besuchte Cees Nooteboom die Stadt zum ersten Mal, um über den SED-Parteitag zu berichten. Auch literarisch gesehen blieb diese erste Bekanntschaft nicht ohne Folgen, denn er widmete der damals allem Anschein nach endgültig getrennten Stadt einen Text, der die Verzweiflung Anfang der Sechziger Jahre eindrucksvoll wiedergibt. Die Mauer wird bei ihm zu einem unerklärlichen Paradoxon und einem unergründlichen Anachronismus. Im Klassischen Altertum, vielleicht sogar noch im Mittelalter, können Geschichten über eine angeblich unüberwindliche Mauer als glaubhaft gelten. In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts jedoch müsste dies eigentlich undenkbar sein, und ich zitiere den Text von 1963: “Steh nur an dieser Mauer, mach die Augen halb zu, eine Schmierenkomödie von mittelalterlichen Landsknechten, die Halt! rufen, eine Brücke hochziehen oder einen Schlagbaum öffnen, und man ist im Land der Anderen. Der Mensch, der Millionen Kilometer in einigen Tagen zurücklegen kann, im eigenen Haus Planeten besucht und Atome spaltet, kann jetzt auch schon eine zwei, drei Meter hohe Mauer bauen und nicht mehr darübersteigen, auch ein Ägypter oder Babylonier hätte nicht darübersteigen können, ein Soldat im Mittelalter hätte seine Waffen vor dem Tor abgeben müssen, ein Athener ertrinkt in der Spree, ein Europäer zieht von West- nach Ost-Berlin.“ (Zitat Ende) Ein Zitat übrigens, das wie die vorhergehenden von Rosemarie Still stammt, die zusammen mit Nootebooms fester Übersetzerin Helga van Beuningen fast das gesamte Oeuvre des Autors ins Deutsche übertragen hat. Ohne den Einsatz und das Talent dieser Übersetzerinnen hätte der Schriftsteller hierzulande nie die Position erringen können, die er nun inne hat.

Cees Nooteboom hat das Wohl und Wehe der Stadt Berlin während eines halben Jahrhunderts verfolgt und darüber literarisch berichtet. Seine berühmteste Berlin-Publikation ist natürlich die Sammlung Berliner Notizen, die aus Anlass seines Berlin-Besuches 1989 auf Einladung des Berliner Künstlerprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes entstand. Er hat also die historische Wende der Deutschen Geschichte als Augenzeuge erlebt, was zu dem genannten Band führte, der vielleicht als das literarische Zeugnis des Mauerfalls und der deutschen Wiedervereinigung bezeichnet werden kann. Aus der Perspektive eines betroffenen Ausländers hält er Deutschland und den Deutschen einen Spiegel vor, und nicht selten entwickelt sich der Beobachter zum kritischen Kommentator der politischen und kulturellen Entwicklungen, die sich in diesen Jahren in unserer Stadt vor den Augen der Welt vollzogen.

Das bereits genannte Buch Allerseelen aus dem Jahr 1998, Nootebooms großer Berlinroman, beweist, dass die Stadt den niederländischen Autor nicht mehr loslies. Zugleich haben auch die europäischen Dimensionen der Berliner Ereignisse Nooteboom bleibend gefesselt. Wie ein roter Faden zieht sich daher durch sein essayistisches Werk der letzten zwei Jahrzehnte die Frage, auf welche Weise wir intellektuell auf die Herausforderungen reagieren müssen, vor die das zusammenwachsende Europa uns heute stellt. Nootebooms Eintreten für eine europäische Identität, die in einer nationalen Vielheit und Verschiedenheit wurzelt und auf kultureller Diversität und Mehrsprachigkeit beruht, kann in diesem Zusammenhang nicht oft genug hervorgehoben werden. Gleichzeitig unterstreicht dieses Plädoyer, dass Nootebooms Autorschaft, mit der er sich von Beginn an in aktuelle politisch-soziale Debatten eingebracht hat, unter anderem auf der Bereitschaft beruht, als Intellektueller gesellschaftliche Verantwortung zu tragen.

 

Meine Damen und Herren. In den letzten Jahren hat der Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften renommierten Vertretern des internationalen Kulturlebens die Ehrendoktorwürde zuerkannt: Umberto Eco, Günther Grass, Imre Kertész, Marcel Reich-Ranicki und Orhan Pamuk. Darin kommt auch der Anspruch zum Ausdruck, den wir als wissenschaftliche Institution innerhalb der Gesellschaft erheben: Wir möchten die Wissenschaft nicht in der Abgeschlossenheit eines Elfenbeinturms betreiben, sondern suchen zielgerichtet Kontakt mit der Welt außerhalb der Universität, wie auch unsere Programme für Gastautoren und Gastwissenschaftler aus dem literarischen und kulturellen Bereich zeigen. Diese Initiativen werden in der Überzeugung entwickelt, dass dieser Kontakt sich für beide Seiten als fruchtbar erweist.

Cees Nooteboom ist in jedem Falle ein Autor, von dem wir uns sehr gern inspirieren lassen. Schreiben bedeutet “laut zu denken”, Schreiben auch im Grenzbereich zwischen Poesie und Philosophie, Literatur als intertextuelles Kontinuum, eine Autorschaft, die sich bewusst mitten in der gesellschaftlichen Debatte positioniert und eine starke Verbundenheit mit Berlin – auf diesen Feldern liegen die Kraft und die Bedeutung des niederländischen Autors, der heute im Namen der siebzig Professorinnen und Professoren sowie im Namen der 150 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften die Ehrendoktorwürde erhält. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Prof. Dr. Jan Konst

Freie Universität Berlin, 13. November 2008